Pressemitteilung | Deutsches Forum für Erbrecht e.V.

EU ordnet Erbrecht neu: Erben in Europa wird einfacher / Europäische Erbrechtsverordnung bringt einheitliche Regelungen bei grenzübergreifenden Erbfällen / Testamente sollten überprüft werden

(München) - Streit und Probleme bieten viele Erbfälle -chaotisch aber kann es werden, wenn der Erblasser im Ausland lebte oder Vermögen in anderen Ländern besaß. Eine neue EU-Verordnung, die das Europäische Parlament gerade verabschiedet hat, soll das Erben in Fällen mit Auslandsbezug künftig einfacher machen. Die Verordnung legt fest, welche nationale Rechtsordnung bei grenzüberschreitenden Erbfällen anwendbar ist und regelt die Zuständigkeit von Gerichten und Behörden. Neu ist außerdem ein in allen Mitgliedstaaten gültiger europäischer Erbschein. Für künftige Erblasser, die im Ausland leben, heißt es nun aber auch aufzupassen, dass die neue Rechtslage nicht zu unliebsamen Überraschungen führt. Das Deutsche Forum für Erbrecht erläutert die Verordnung und gibt Tipps, was Betroffene jetzt beachten sollten.

Ein deutscher Rentner verbringt seinen Lebensabend an der französischen Riviera und verstirbt dort - nach der bisherigen Rechtslage barg eine solche Konstellation mitunter große Probleme für die Erben. Grund dafür ist das unterschiedliche Kollisionsrecht in Frankreich und Deutschland, also das Recht, das bestimmt, welche Rechtsordnung bei einem grenzüberschreitenden Erbfall anzuwenden ist. Ein deutsches Gericht würde hier auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers abstellen und deutsches Erbrecht anwenden. Aus Sicht des Richters in Frankreich gilt hingegen französisches Erbrecht, weil der Erblasser hier zuletzt lebte - ein nicht aufzulösender Widerspruch. Es konnte auch vorkommen, dass zwei Rechtsordnungen gleichzeitig für einen Nachlass galten, zum Beispiel das deutsche und das österreichische Erbrecht im Falle eines Deutschen mit Immobilienbesitz in Österreich.

"Die hohe Zahl von jährlich etwa 450.000 Erbschaften in der EU mit Auslandsbezug zeigt, dass es höchste Zeit war für eine einheitliche europäische Regelung", sagt Dr. Anton Steiner, Fachanwalt für Erbrecht und Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht in München. Eine neue EU-Verordnung, die das EU-Parlament am 13. März 2012 verabschiedet hat und die die Regierungen der Mitgliedstaaten noch absegnen müssen, soll das Erben in Europa künftig einfacher machen.


Wohnsitz bestimmt anzuwendendes Erbrecht

Demnach soll bei grenzüberschreitenden Erbfällen in Zukunft das Wohnsitzprinzip gelten: Für den gesamten Nachlass gilt eine Rechtsordnung, und zwar die des Staats, in dem der Erblasser zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Auch die Zuständigkeit von Gerichten und Behörden bestimmt sich nach diesem Wohnsitzprinzip.


Europäischer Erbschein

Neu ist außerdem der europäische Erbschein, der den Erben eines auf mehrere Länder verteilten Nachlasses Kosten und Mühen spart. Künftig müssen sie sich nicht mehr in jedem Land ein dort gültiges Nachlasszeugnis ausstellen lassen, sondern können sich mit einem einzigen, europaweit gültigen Erbschein in jedem Mitgliedstaat als Vermögensnachfolger ausweisen, zum Beispiel beim Grundbuchamt oder bei der Bank.
Die neuen Regelungen betreffen viele Menschen: Neun Millionen Unionsbürger leben außerhalb ihres Heimatlandes in einem anderen Mitgliedstaat, davon zwei Millionen in Deutschland. "Deshalb ist die Verordnung auch im Hinblick auf die Integration ausländische Mitbürger in Deutschland zu begrüßen", sagt Erbrechtsexperte Dr. Steiner.


Wahlfreiheit: Testamente sollten überprüft werden

Künftigen Erblasser rät der Rechtsanwalt aber gleichzeitig zur Vorsicht: Die Anwendung des Erbrechts ihrer neuen Wahlheimat kann unerwünschte Folgen haben. Viele wissen nicht, wie unterschiedlich die Erbrechtsgesetze der Mitgliedstaaten teilweise sind.
Ein Beispiel dafür ist das Erbrecht von Kindern und Ehepartner des Erblassers. Nach deutschem Recht erben sie gemeinsam, nach schwedischem Recht erbt der Ehegatte trotz gemeinsamer Kinder unter Umständen alleine. In Frankreich hingegen hat der Ehepartner grundsätzlich nur eine Art Nießbrauch am Nachlass. Auch das Pflichtteilsrecht für nahe Angehörige - in Deutschland einer der Eckpfeiler des Erbrechts - ist in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt.

"Handlungsbedarf besteht nun für all diejenigen, die im Ausland leben, aber trotzdem nach dem Recht ihres Heimatlandes vererben wollen", erklärt Dr. Steiner. Für sie sieht die Verordnung ein Wahlrecht vor. Testamentarisch können sie bestimmen, dass für ihren Nachlass nicht das Erbrecht ihres Wohnsitzes, sondern das ihrer Staatsangehörigkeit gelten soll.

"Ich empfehle den Betroffenen deshalb, sich im Zweifel beraten zu lassen und gegebenenfalls jetzt schon vorsorglich per Testament deutsches Erbrecht zu wählen. Damit sind sie gewappnet, wenn die Verordnung in voraussichtlich drei Jahren in Kraft tritt", erläutert Dr. Steiner.

Weitere Informationen: www.erbrechtsforum.de

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Forum für Erbrecht e. V. Pressestelle Prannerstr. 6, 80333 München Telefon: (089) 26052-07, Telefax: (089) 26052-87

(cl)

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