Pressemitteilung | DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V.

Fünf Fragen an ... Ingo Hodea

(Berlin) - In der Interviereihe "Fünf Fragen an ..." werden branchenrelevante Fragen an Expert*innen gerichtet. In dieser Folge beantwortet sie Ingo Hodea, der Leiter der Stückgut- und Systemlogistik/Straßenverkehrsrecht:

Warum werden die Leistungen der Stückgutnetze nicht wahrgenommen?

1) Der DSLV hat gerade seine Studie ,Stückgutlogistik in Deutschland' veröffentlicht. Was ist Ziel der Studie?

Obwohl die Stückgutlogistik mit jährlich 120 Millionen abgewickelter Sendungen ein wichtiges Scharnier zwischen den Wertschöpfungsstufen der Industriezweige und den Beschaffungsschnittstellen des Handels ist, sind die wirtschaftliche Bedeutung und ihr ökologisches Potential öffentlichen Stellen kaum bekannt. Während sich der politische Fokus oft nur auf Paketdienste und schwere Lkw-Fernverkehre konzentriert, versteht der Gesetzgeber das mehrstufige und ökologisch äußerst effiziente System Sammelgut oftmals nicht. Mit der Studie sollen die Prozesse dieses logistischen Teilsegments erläutert und Marktvolumen und Kennzahlen ermittelt werden sowie Einschätzungen zu Herausforderungen und Zukunftsentwicklungen der Stückgutlogistik erfolgen. Damit soll auch das Verständnis bei politischen Entscheidungsträgern für dieses logistische Spezialsegment gestärkt werden.

2) Was macht den Stückgutmarkt so besonders?

In kaum einem logistischen Teilsegment wird das ökonomische und ökologische Potenzial der Prozessorganisation deutlicher als in der Stückgutlogistik. Auf allen Ebenen der dreigliedrigen Transportketten in den Systemnetzen führt die Bündelung von heterogenen Sendungen nach Größe, Gewicht und Inhalt zu einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Optimierung der System- und Fahrzeugauslastung und damit zu kostengünstigen Abwicklungen regelmäßiger oder fallweiser Versandaufträge und deutlicher Reduzierung von Umweltbelastungen. Besonders ist auch die Marktstruktur: Abgesehen von wenigen Konzernlogistikern, die aufgrund ihrer Unternehmensgröße eigene Netze bilden, wird das Geschäft von mittelständischen Speditionskooperationen geprägt.

3) Was unterscheidet den Stückgut- vom KEP-Markt?

Auch wenn das B2C-Geschäft während der Corona-Krise sprunghaft um 61 Prozent auf einen 17-Prozent-Anteil am Gesamtsendungsvolumen des Stückgutgeschäfts gestiegen ist, liegt das durchschnittliche Bruttosendungsgewicht mit 325 kg weit oberhalb der Gewichtsgrenze im Paketbereich und kann bis zu 2.500 kg (in Spitzen bis 3.000 kg) betragen. Das macht folglich den Einsatz größerer und schwerer Zustellfahrzeuge als in der KEP-Branche notwendig. So werden in den Abhol- und Zustelltouren überwiegend Fahrzeuge von 12 bis 18 Tonnen eingesetzt. Alternative Lieferkonzepte wie die Einrichtung von Mikrodepots oder der Einsatz von Lastenfahrrädern scheiden angesichts der Sendungsgrößen hier aus und sind deshalb auch keine Lösung für kapazitätsbedingte, innerstädtische Lieferprobleme.

4) Welche Herausforderungen müssen die Systemnetzbetreiber bewältigen?

Wie in der gesamten Logistikbranche ist der Personalmangel das derzeit größte Problem der Stückgutlogistik. Heute beschäftigten die Netzwerke bereits 111.000 Menschen - mittel- und unmittelbar. Angesichts der Wachstumsprognosen (130 Millionen Sendungen jährlich sind nicht mehr unwahrscheinlich) ist der Fachkräftebedarf entsprechend hoch. Gleichzeitig bleibt der Markt saisonal volatil, so dass Auftragsspitzen nur durch einen flexiblen Personaleinsatz abgefedert werden können. Hierfür braucht es auch flexible Arbeitsmarktinstrumente. Gleichrangig herausfordernd dürfte der Umstieg auf emissionsfreie Nutzfahrzeugtechnologien als Beitrag zur Klimaneutralität des Verkehrs werden. Darüber hinaus müssen sich die Stückgutlogistiker der wachsenden Verkehrsbelastung in den Städten (ihr Anteil an der Verkehrsleistung in den Städten liegt hier bei unter fünf Prozent) und zunehmend engeren Zeitfenstervorgaben der Versender und Empfänger stellen. Beides macht eine wege- und zeitoptimierte Tourenplanung oftmals unmöglich. Und schließlich: erzwungenes Halten in zweiter Reihe führt in Städten zu zusätzlichen Behinderungen des Verkehrsflusses. Der Lieferverkehr braucht deshalb dringend mehr ausgewiesene Be- und Entladezonen.

5) Welche Chancen und welche Risiken birgt die Digitalisierung für die Stückgutnetzwerke?

Deutlich mehr Chancen als Risiken. Der Digitalisierungsgrad in der Stückgutlogistik wächst kontinuierlich. Größtenteils erfolgt der Datenaustausch in den Netzwerken bereits heute mit Hilfe von Cloud-Technologien, die Sendungsabwicklung ist papierlos und Fahrzeuge sind über Bordsysteme digital vernetzt. Besonders im Bereich Big Data erwarten die Systemlogistiker weitere Impulse, um Ursachen und Wirkungen von Aufkommensschwankungen zu analysieren oder sogar voraussagen zu können. Das fördert auch das netzübergreifende Kooperationspotential. Das Stückgutgeschäft ist sehr Asset-basiert (Fuhrparks, Logistikimmobilien und Umschlaganlagen). Insofern wird das Erscheinen neuer ausschließlich digitaler Marktbegleiter im Stückgutmarkt eher nicht als wettbewerbliche Bedrohung empfunden.

Quelle und Kontaktadresse:
DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e.V. Maximilian Pretzel, Referent Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Unter den Linden 24 | Friedrichstr. 155-156, 10117 Berlin Telefon: (030) 4050228-0, Fax: (030) 4050228-88

(sf)

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