Pressemitteilung | Industrieverband Agrar e.V. (IVA)

IVA deckt viele Mängel in Gewässer-Studie auf / Industrieverband Agrar kritisiert dünne Datenlage, unzulängliche Methode und mangelhaften Praxisbezug / Ursachen dringend klären

(Frankfurt am Main) - Nach eingehender Analyse eines in der Vorwoche veröffentlichten Forschungsberichts*) der Universität Koblenz-Landau bemängelt der Industrieverband Agrar e.V. (IVA) gravierende inhaltliche und methodische Defizite der Arbeit und kritisiert den Umweltwissenschaftler Ralf Schulz für seine sensationsheischende Vermarktung der Studie. Der Wirtschaftsverband moniert vor allem die willkürliche Datenauswahl bei den Feldstudien und mangelnde Transparenz bei der Aufbereitung der Ergebnisse.

In ihrer Studie hatten die Wissenschaftler das mathematische Prognose-Modell FOCUS-SW, das von der Europäischen Union (EU) bei der europaweiten Zulassung von Pflanzenschutz-Wirkstoffen verwendet wird, für untauglich erklärt. Sie hätten zahlreiche Abweichungen zwischen den Werten der Modellrechnung und Messungen in Gewässern in der Nähe von landwirtschaftlich genutzten Flächen ermittelt. Schulz forderte daraufhin, das Zulassungsverfahren für Pflanzenschutz-Wirkstoffe drastisch zu verschärfen.

Diese Forderung ist aus Sicht des IVA nicht nachvollziehbar; die Regeln für die Zulassung von Pflanzenschutz-Mitteln sind erst vor drei Jahren in einer EU-Verordnung (1107/2009) wesentlich verschärft worden. Die begrenzte Relevanz der Forschungsarbeit für die europäische Landwirtschaft zeigt sich schon bei näherer Betrachtung der ausgewählten Feldstudien. Der IVA hatte in einer ersten Stellungnahme vor einer Woche kritisiert, dass die Forscher überwiegend Messungen aus anderen Weltregionen heranziehen.

Nur acht der insgesamt 22 Feldstudien, die die Forschergruppe ihren Berechnungen zugrunde legte, wurden überhaupt in Ländern der EU durchgeführt: eine in Frankreich, zwei in Italien und fünf in Deutschland. Der Löwenanteil der Feldstudien stammt aus Südafrika, den USA, Kanada und Argentinien. Eigene Gewässerproben haben die Forscher, anders als in manchen Medien berichtet, nicht genommen.

Ebenso wie die nahezu beliebige Auswahl der Orte wirkt auch die Auswahl der betrachteten Substanzen wenig praxisnah: Viele der untersuchten Wirkstoffe sind in Deutschland nicht oder nicht mehr zugelassen bzw. werden in der hiesigen Landwirtschaft nicht verwendet. Selbst wenn auf theoretischer Ebene so ein Rechenmodell bewertet werden sollte, bleibt die Frage offen, warum die europäische Landwirtschaft nur eine untergeordnete Rolle spielte. Immerhin sollte die Praxistauglichkeit eines EU-Modells überprüft werden.

Auch bilden die Anwendungsbedingungen in mindestens einer der fünf deutschen Feldstudien nicht den Normalfall der deutschen Landwirtschaft ab, sondern eine seltene Ausnahme. Konkret ging es um das Monitoring von Rückständen im Alten Land. Dort wurde im Jahr 2000 das Sondergebiet "Pflanzenschutz im Obstbau an der Niederelbe" ausgewiesen, und die dortigen Obstbauern waren unter bestimmten Auflagen von sonst bundeseinheitlichen Abstandsauflagen befreit. Weder entspricht diese Situation einer normalen Anwendung in der Landwirtschaft noch ist sie überhaupt durch die Risikobewertung mit Szenarien des FOCUS-Modells abgedeckt.

Des Weiteren haben sich die Forscher einseitig auf Fehler im Prognose-Verfahren festgelegt und nicht in Erwägung gezogen, dass die in der Umwelt gemessenen Konzentrationen auch aus anderen Quellen stammen könnten als mit FOCUS simuliert. Andere Studien belegen, dass 50 bis 70 Prozent der Einträge in Gewässer auf sogenannte Punkteinträge, also nicht fachgerechter Anwendung und Handhabung von Pflanzenschutzmitteln, zurückzuführen sind. Um dies zu unterbinden, setzt die Industrie hier schon seit Jahren mit intensiver Beratung an.

Angesichts dieser zahlreichen methodischen Mängel hat sich Professor Schulz mit seinen weitreichenden politischen Forderungen nach Ansicht des IVA vergaloppiert. "Acht europäische Datensätze aus rund 13 Jahren, dazu einige für uns wenig aussagekräftige Studien aus Ländern mit einem anderen Klima, einer anderen Landwirtschaft und einer anderen Pflanzenschutz-Regulierung - all das könnte Anhaltspunkte geben für seriöse Ursachenforschung, warum und unter welchen Umständen es zu Abweichungen zwischen Prognose und Messung kommt. Den publizistischen und politischen Theaterdonner, den Professor Schulz losgetreten hat, rechtfertigt es bei Lichte betrachtet aber nicht", kommentiert IVA-Hauptgeschäftsführer Volker Koch-Achelpöhler.

Nach Auffassung des IVA ist es jetzt an den zuständigen Zulassungsbehörden und ihren unabhängigen Wissenschaftlern, die Studie zu bewerten und zu prüfen, ob sich trotzdem Anhaltspunkte zur Verbesserung des FOCUS-Modells für das Zulassungsverfahren ergeben könnten.

Das von Professor Schulz kritisierte Rechenmodell ist nur eines von vielen im Zulassungsverfahren eines neuen Pflanzenschutz-Wirkstoffs, bei dem an vielen Stellen den Bewertungsunsicherheiten mit hohen Sicherheitsfaktoren Rechnung getragen wird. In der Praxis dauert die Entwicklung und Zulassung eines neuen Wirkstoffs übrigens rund zehn Jahre und kostet die Unternehmen etwa 200 Millionen Euro.

Mehr zum Thema

>> Gewässerschutz: http://www.iva.de/umwelt/gewaesserschutz
>> Zulassung und Kontrolle von Pflanzenschutzmitteln:
http://ots.de/fQ0Ec

*) Anja Knäbel, Sebastian Stehle, Ralf B. Schäfer, and Ralf Schulz: "Regulatory FOCUS Surface Water Models Fail to Predict Insecticide Concentrations in the Field", online veröffentlicht in: "Environmental Science & Technology"

Der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vertritt die Interessen der agrochemischen Industrie in Deutschland. Zu den Geschäftsfeldern der 52 Mitgliedsunternehmen gehören Pflanzenschutz, Pflanzenernährung, Schädlingsbekämpfung und Biotechnologie. Die vom IVA vertretene Branche steht für innovative Produkte für eine moderne und nachhaltige Landwirtschaft.

Quelle und Kontaktadresse:
Industrieverband Agrar e.V. (IVA) Martin May, Leiter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Mainzer Landstr. 55, 60329 Frankfurt am Main Telefon: (069) 2556-1281, Telefax: (069) 2556-1298

(cl)

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