Pressemitteilung | Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V.

Kein Zwei-Klassenrecht bei der Verbraucherinsolvenz / Experten lehnen die von den Justizministerien geplante Verjährungslösung für mittellose Schuldner ab

(Kassel) - Die diesjährige Fachtagung der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände in Kooperation mit dem Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge hat sich mit den aktuellen Überlegungen des Bundes- und der Landesjustizministerien zur Reform des Verbraucherinsolvenzrechts kritisch auseinander gesetzt. Einstimmiger Tenor am Ende der Veranstaltung: Schuldnerberater, Vertreter der Gläubiger, der Kommunen, der Landessozialministerien, der Verbraucherverbände, der Wissenschaft und der Insolvenzgerichte lehnen das Justizmodell für ein „treuhänderloses Entschuldungsverfahren“ ab. „Das Verbraucherinsolvenzverfahren stößt bei immer mehr Betroffenen und auch bei den Gläubigern auf Akzeptanz. Die Restschuldbefreiung zeigt überschuldeten Menschen nach langen, schwierigen Jahren endlich wieder eine Perspektive auf. Dies darf nicht ohne Not wieder zunichte gemacht werden“, so Marius Stark, Sprecher der AG SBV.

Das Bundesjustizministerium und die Landesjustizministerien beabsichtigen, die erst im Dezember 2001 eingeführte Verfahrenskostenstundung, die mittellosen Schuldnern überhaupt erst den Zugang zur Restschuldbefreiung eröffnete, wieder abzuschaffen. Zugang zum sechsjährigen Verbraucherinsolvenzverfahren sollen künftig wieder nur die Schuldner haben, die die Verfahrenskosten selbst aufbringen können. Für völlig mittellose Schuldner, d.h. die Mehrheit der Betroffenen, soll nur noch das „treuhänderlose Entschuldungsverfahren“ verbleiben. Dieses bietet für Schuldner keinen Schutzraum. Vielmehr sollen die Gläubiger für die Dauer von acht Jahren ihre Forderungen zwangsweise durchsetzen können. Nach Ablauf der acht Jahre sind die Schuldner dann nur von solchen Forderungen befreit, die sie beim Insolvenzgericht angemeldet haben. Sollten diese Gläubiger gleichwohl nach acht Jahren versuchen, ihre Forderungen weiter durchzusetzen, wären die Schuldner gezwungen, bei Gericht die Verjährungseinrede zu erheben.

Helmuth Göbel von der Zentralen Schuldnerberatung in Bonn fasste die Perspektiven für mittellose Schuldner düster zusammen, wenn das Verjährungsmodell in Kraft treten sollte: Es bedeutet für sie „weitere 8 Jahre ohne Aussicht auf einen wirtschaftlichen Neuanfang, weitere 8 Jahre Gefährdung des Arbeitsplatzes oder erfolglose Suche nach einem solchen, weitere 8 Jahre psychische Dauerbelastung durch Vollstreckungsversuche und am Ende der 8 Jahre immer noch keine Sicherheit , wenn dann noch ein ursprünglich nicht auffindbarer Gläubiger seine Rechte anmeldet.“

Vertreter der Landessozialministerien sehen daher in dem Konzept der Justizministerien die Gefahr, dass „ein Zwei-Klassen-Recht“ entsteht, das „für Schuldner eine massive Ungleichbehandlung und für die Gläubiger keine paritätische Befriedigung mehr bedeutet“, so Olivia Manzke von der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz. Die Justizministerien haben diesen Bedenken bislang wenig Beachtung geschenkt, sind sie doch der Auffassung, dass Gläubiger, selbst wenn ihnen wieder das Recht eingeräumt wird, ihre Forderungen acht Jahre lang zwangsweise durchzusetzen, hiervon keinen Gebrauch machen werden, weil sie wissen, dass bei diesen Schuldnern nichts mehr zu holen ist. Dem hat allerdings Ulrich Jäger (Seghorn Inkasso) eine deutliche Absage erteilt: „Wir werden die Schuldner tot vollstrecken.“ Auch Jutta Hittmeyer von der ARGE Köln stellte klar, dass Gläubiger nicht rational vorgehen. In ihrem Arbeitsalltag erlebe sie es regelmäßig, dass Gläubiger zum Beispiel Sozialleistungen pfänden, obwohl diese ausschließlich dem Existenzminimum des Schuldnerhaushalts dienen. Sie sagt zudem voraus, dass die durch Hartz IV geforderte Integration in das Erwerbsleben massiv erschwert wird.

Die Tagung wurde genutzt, um aktuelle Alternativmodelle vorzustellen und zu diskutieren. Auch wenn die Alternativmodelle bei dem einen oder anderen Detail auseinandergehen, wohnt ihnen allen die Forderung inne, „dass wir im System bleiben, und ein grundsätzlich funktionierendes System nicht ohne Weiteres aufgeben dürfen“ (Hans-Ulrich Heyer, Richter am Amtsgericht Oldenburg).

Quelle und Kontaktadresse:

(mm)

Weitere Pressemitteilungen dieses Verbands

NEWS TEILEN: