Pressemitteilung | Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS)

Koalition benennt die großen Baustellen beim Klimaschutz - Jetzt muss sie den Stein ins Rollen bringen

(Berlin) - Der Koalitionsvertrag macht neugierig auf die nächsten vier Jahre Ampel, denn er enthält viele gute Ansätze für die sozial-ökologische Transformation Deutschlands. Entscheidend sind aber die konkreten Instrumente und Maßnahmen, die die neue Regierung tatsächlich auf den Weg bringt. Denn für die Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele reichen die im Vertrag genannten Maßnahmen nicht aus. Gleichzeitig enthalten die skizzierten Ansätze das Potenzial dafür, dass in den nächsten vier Jahren wirklich Neues geschaffen werden kann und eine sich selbst verstärkende Dynamik entsteht - für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Innovationen und Zukunftsfähigkeit.

Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin des FÖS, kommentiert: "Die Ampel-Koalition ist die letzte Bundesregierung, die Entscheidungen treffen kann, die zur Einhaltung des 1,5°-Limits führen. Der Koalitionsvertrag öffnet den Handlungsraum. Jetzt braucht es Anschubenergie für die Umsetzung, viele große Reformvorhaben müssen angestoßen werden. Der Stein muss in den ersten 100 Tage ins Rollen kommen."

Verkehr: Einstieg in den Umstieg

Für den Verkehr formuliert der Koalitionsvertrag grundsätzlich die richtigen Ziele und sendet damit wichtige Signale für den Klimaschutz.
Im oft wenig beachteten Güterverkehr wird einiges für die Verlagerung auf die Schiene getan und mit dem CO2-basierten Lkw-Maut ein wichtiges Klimaschutzinstrument im Transitland Deutschland implementiert. Gleichzeitig enthält die Maßnahme ein kleine Revolution: die zusätzlichen Einnahmen sollen Mobilität im Allgemeinen zur Verfügung stehen und somit mit dem Prinzip "Straße finanziert Straße" gebrochen werden.
Insgesamt orientiert sich die Ampel stark an den europäischen Vorhaben des Fit for 55-Pakets. Dass die Subventionierung von Diesel und Kerosin endlich beendet wird, entscheiden die deutschen Verhandler:innen in Brüssel mit. Doch ohne höheren nationalen CO2-Preis, eine CO2-bezogene Zulassungssteuer oder eine (klima)zielgerichtete Dienstwagenbesteuerung sind die schnelle Elektrifizierung des Verkehrs und das Verbrenner-Aus kaum zu erreichen. Das Ziel, die Emissionen des Verkehrssektors bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren, ist damit alles andere als gesichert.

Energie: Große Ziele erreicht man nur mit einer großen Reform

Damit der Kohleausstieg bis 2030 gelingt und der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur förderungs- sondern auch marktbasiert beschleunigt wird, ist die geplante Reform der Finanzierungsarchitektur des Energiesystems entscheidend. Eine Reform der staatlich induzierten Energiepreisbestandteile und der Netzentgelte zusammen mit einem neuen Strommarktdesign auf den Weg zu bringen ist ein Aufgabe, an der mehrere Vorgänger-Regierungen gescheitert sind. Doch sie ist zentral für die Erreichung aller übergeordneten Klimaschutzziele. Deswegen braucht sie oberste Priorität. Auch die zahlreichen Privilegierungen und Ausnahmeregelungen gehören mit auf den Prüfstand.
Obwohl der CO2-Preis im Zentrum der Reform stehen soll, ist keine Anpassung des Preispfades im nationalen Emissionshandel geplant. Die Chance für eine wirksame Lenkungswirkung im Gebäude- und Verkehrssektor wird damit verpasst. Positiv ist es, dass sich die Parteien auf einen konkreten Lösungsvorschlag für den Kostensplit zwischen Mieter:innen und Vermieter:innnen einigen konnten. Das geplante Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen ermöglicht eine faire und verursachergerechte

Aufteilung der CO2-Kosten.

Positiv ist auch, dass ein Klimageld eingeführt werden soll als sozialer Kompensationsmechanismus der CO2-Bepreisung. Die komplette Verlagerung der EEG-Umlage in den Bundeshaushalt als erste Maßnahme birgt allerdings große Risiken für die Finanzierung des Erneuerbaren-Ausbaus. Auch hier wird entscheidend sein, was im Fit for 55-Paket zu den neuen Beihilferichtlinien entschieden wird.

Finanzen: Auf Umwegen zu mehr Investitionen für die Transformation

Die Koalition erkennt die enormen Bedarfe für Zukunftsinvestitionen - gleichzeitig lässt sie wichtige finanzpolitische Hebel ungenutzt. Ohne Reform der Schuldenbremse, den konsequenten Abbau umweltschädlicher Subventionen oder den Ausbau von Umweltsteuern beschränkt sie ihre eigenen Handlungspielräume substanziell.
Innerhalb dieses unveränderten Rahmens der Schuldenbremse wurden aber einige Ideen entwickelt, die Möglichkeiten zur Finanzierung von Investitionen auszuweiten, z. B. durch die Schaffung zusätzlicher Spielräume im Haushalt mit der Anpassung des Konjunkturbereinigungsverfahrens; durch den Umbau des Energie- und Klimafonds zum Klima- und Transformationsfonds und dessen Finanzierung über den Bundeshaushalt, durch die Ausweitung von Green Bonds und durch die Stärkung der Finanzierungsmöglichkeiten von KfW, Bahn oder der BImA. Ansätze für ein "Greening" der öffentlichen Ausgaben gibt es im Bereich der öffentlichen Beschaffung durch die Berücksichtigung von Klima- und Umweltkosten, als auch im Bereich der ziel und wirkungsorientierten Haushaltsführung. Um ökologische Wirkungen tatsächlich zu erzielen, müssen diese Hebel aber auch effektiv ausgestaltet werden.
Hinsichtlich der zentralen Frage, wie nachhaltige private Investitionen in großem Umfang angereizt werden können, betont der Vertrag zwar die Bedeutung von Sustainable Finance und die Berücksichtigung von Klima- und Nachhaltigkeitsaspekten als Finanzrisiken. Die dafür zentrale EU-Taxonomie findet allerdings überraschend keinerlei Erwähnung

Landwirtschaft: Mehr Klasse statt Masse

Die Ampel-Koalition will Tierbestände an der Fläche orientieren und diese in Einklang mit den Zielen des Klima-, Gewässer- und Emissionsschutzes bringen. Damit könnte sie ein Kernproblem der derzeitigen intensiven Landwirtschaft adressieren. Für die Umsetzung bietet sich mit der Stickstoffüberschussabgabe ein wirksames ökonomisches Instrument an, dass unschärfere und fehleranfällige Alternativen ersetzen kann.
Faire Erzeuger*innenpreise sind entscheidend dafür, dass auch für kleinere Höfe Zukunftsperspektiven bestehen. Neben den wichtigen kartellrechtlichen Prüfungen, die die Ampel-Koalition vornehmen will, sind aber noch weitere Faktoren wichtig. Auch die Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Lebensmittelerzeugung und Verarbeitung müssen verbessert werden.
Die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren ist ein wichtiges Ziel, das im Koalitionsvertrag genannt wird. Es darf aber nicht wie bisher erst ab dem Hoftor gelten. Auch die kleine Kartoffel und die krumme Möhre haben es verdient geerntet zu werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS) Pressestelle Schwedenstr. 15a, 13357 Berlin Telefon: (030) 7623991-30, Fax: (030) 307623991-59

(mn)

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