Pressemitteilung | Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V. (VSM) - Hauptgeschäftsstelle

Maritime Wachstumsagenda: VSM fordert einen grundlegenden Umbau für den europäischen Schiffbau

(Hamburg) - Die beeindruckenden Erfolge beim Bau von Kreuzfahrtschiffen und großen Yachten haben der deutschen Schiffbauindustrie in der letzten Dekade Wachstum beschert und weltweit hohe Anerkennung für ihre hohe Leistungsfähigkeit gebracht. Neben diesen beiden Schiffstypen, ergänzt durch anspruchsvolle Behörden- und Marineschiffe, können andere Marktsegmente immer weniger bedient werden.

Schon vor der Pandemie gingen in wichtigen Teilsegmenten wie bei RoRo-Schiffen und großen Fähren die Aufträge trotz ausgewiesener Spezialisierung aufgrund massiver Wettbewerbsverzerrungen überwiegend nach Asien. Auch im Zulieferbereich kommen protektionistische Tendenzen immer stärker zum Tragen.

Betroffen sind nicht nur die Werften, sondern die gesamte Wertschöpfungskette: In Deutschland sind rund 2.800 Unternehmen und rd. 200.000 Beschäftigte in Schiffbau und Meerestechnik aktiv.

Corona-bedingter Nachfrageeinbruch zeigt Abhängigkeit vom Kreuzfahrtschiffbau

Mit der Corona-Pandemie ist die hohe Abhängigkeit des zivilen Schiffbaus in Deutschland vom Kreuzfahrtsegment schlagartig in den Fokus gerückt, denn das Ausbleiben von Aufträgen für Kreuzfahrtschiffe macht die gewaltige Lücke in den anderen Marktsegmenten noch stärker sichtbar.

Gegen die massiven Wettbewerbsverzerrungen, die im Zuge der jahrelangen globalen Nachfrageschwäche nach Frachtschiffen noch einmal verstärkt auftraten, hatten deutsche Mittelständler keine Chance.

"Wir sind alle Unternehmer und verlassen uns am liebsten auf unsere eigenen Stärken und unsere Fähigkeit, sich im fairen Wettbewerb durchsetzen zu können. Leider spielen staatlich festgelegte Rahmenbedingungen im Schiffbau eine zentrale Rolle. Als deutscher Mittelständler können Sie gegen strategisches Handeln des chinesischen Staates nicht ankommen. Darum brauchen wir eine aktive Politik. Mit den bisherigen Rahmenbedingungen droht der irreversible Verlust essenzieller Schiffbaufähigkeiten." erklärt Harald Fassmer, VSM-Präsident und Geschäftsführer der Fr. Fassmer GmbH & Co. KG.

"Mittlerweile geht es um mehr als um die Überbrückung fehlender Nachfrage infolge der Coronakrise. Der europäische Schiffbau verliert seit Jahrzehnten Marktanteile, weil v.a. in Asien mit massiven Subventionen ein Verdrängungswettbewerb praktiziert wird und Europa nichts dagegen unternimmt. Deshalb geht es inzwischen um die Frage, ob in Deutschland und Europa in zehn Jahren überhaupt noch zivile Schiffbauindustrie in nennenswertem Umfang bestehen kann." ergänzt Bernard Meyer, Geschäftsführer der Meyer Werft GmbH & Co. KG

"Die anspruchsvollsten Schiffe und Boote der Welt entstehen auf deutschen Werften und werden mit deutschen Maschinen und Anlagen ausgerüstet. Deutsche Unternehmen verfügen über exzellentes Know-how in der gesamten Wertschöpfungskette der Schiffbauindustrie, das gerade jetzt für die maritime Transformation und den Klimaschutz dringend gebraucht wird. Wir müssen den vorhandenen Technologievorsprung für eine schnelle Umsetzung der Klimaziele nutzen - durch Investitions- und Finanzierungsinstrumente für den Bau einer modernen, effektiven, umwelt- und klimaneutralen Flotte in und für die EU." betont Dr. Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender von MAN Energy Solutions.

Zwar ist die aktuelle Lage im Marineschiffbau im Augenblick noch deutlich besser. Es gibt einen großen Nachholbedarf bei der Deutschen Marine und die deutschen Marineschiffbauer genießen zudem weltweit hohe Reputation. "Mittelfristig befürchten wir allerdings auch hier Auswirkungen durch die Pandemie, weil die überall auf der Welt im Zuge der Krisenbewältigung zunehmende Staatsverschuldung die öffentlichen Investitionsspielräume einschränken wird. Davon könnten die notwendigen Beschaffungsvorhaben der Deutschen Marine ebenso betroffen sein, wie die für uns bedeutende und kapazitätssichernde Exportnachfrage." erläutert Friedrich Lürssen, Gesellschafter der Unternehmensgruppe Lürssen.

VSM fordert maritime Wachstumsagenda

Aus all diesen Gründen setzt sich der VSM neben kurzfristigen Unterstützungsmaßnahmen insbesondere für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Entwicklung auf dem Schiffbaumarkt ein. Fakt ist, dass Wettbewerbernationen außerhalb der EU den hohen strategischen Wert und das große Wachstumspotenzial der maritimen Industrie nicht nur erkannt haben, sondern konsequent durch entsprechende Förderung für sich nutzen.

Noch stehen umfängliche technologische und industrielle Fähigkeiten zur Verfügung, um die Schiffbauindustrie in Deutschland in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Finden allerdings die Dekaden der Wettbewerbsverzerrungen ohne konsequente Reaktion auf nationaler und europäischer Ebene ihre Fortsetzung, könnte sich der Substanzverlust in dieser Industrie in den kommenden Jahren als irreversibel erweisen.

"Die Europäische Union verfügt über den größten maritimen Binnenmarkt der Welt. Die Geografie unseres Kontinents sorgt für eine Fülle und Vielfalt an wirtschaftlichen Aktivitäten auf und unter dem Wasser. Darum haben wir es in Europa selbst in der Hand, unser gesamtes maritimes Fähigkeitsspektrum für Wachstum und Nachhaltigkeit optimal einzusetzen. Aber dafür brauchen wir einen grundlegenden Umbau der Rahmenbedingungen für den europäischen Schiffbau, damit endlich ein Level Playing Field geschaffen wird." fordert VSM-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Lüken.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V. (VSM) Kathrin Ehlert-Larsen, Öffentlichkeitsarbeit Steinhöft 11, 20459 Hamburg Telefon: (040) 280152-0, Fax: (040) 280152-30

(sf)

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