Pressemitteilung | Bundesingenieurkammer e. V. - Bundesgemeinschaft der Ingenieurkammern der Länder

Niedergang der Baukultur durch HOAI-Novelle

(Berlin) - Am 9. April wird im Bundesministerium für Wirtschaft der Referentenentwurf für die Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure öffentlich angehört. Es gibt unzählige Gründe dagegen zu sein. Einer ist der Niedergang der Baukultur. Diese wird durch seine Umsetzung gefährdet.

Mitte 2007 war die Bauwelt noch in Ordnung. Nach sieben Jahren intensiver Planungs- und Bauzeit wurde die Dreiländerbrücke eröffnet - für Fußgänger und Radfahrer die längste gespannte Stahlbrücke der Welt. An historischem Ort schlägt sie eine Völker verbindende Brücke zwischen dem deutschen Weil am Rhein und dem französischen Huningue. Elegant löst sich die leichte Konstruktion vom deutschen Ufer und schwingt 230 Meter über den Rhein, um sanft an der französischen Seite aufzulegen. Leicht asymmetrisch ist das Tragwerk, man meint die Kräfte zu spüren, die hier spielerisch aufgenommen werden. Die mit dem deutschen Brückenbaupreis ausgezeichnete Brücke hätte anders gebaut werden müssen, hätte es den novellierten Referentenentwurf für die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) schon gegeben: Wahrscheinlich wäre sie eine klobige Betonkonstruktion mit klotzigen Pfeilern, einem scharfkantigen Handlauf und weiteren hässlichen Details geworden.

Qualitätswettbewerb für Baukultur

Mit einer Bausumme von 5,8 Millionen Euro nach Kostenberechnung wäre die Stahlbrücke nicht mehr von der neuen HOAI erfasst worden. Denn die neuen Höchstwerte sollen um fast 80 Prozent reduziert werden. Nach der Novelle hätte sie frei abgerechnet werden müssen. Das hätte einen Preiswettbewerb bedeutet, bei dem die Qualität nicht mehr die ausschlaggebende Rolle gespielt hätte. In Deutschland schlägt bei Vergaben ohne HOAI sehr schnell der Preiswettbewerb durch, besonders bei der öffentlichen Hand mit den Rechnungshöfen im Hintergrund.

Kniffliges Bauwerk

Ein Qualitätswettbewerb war aber gerade bei diesem kniffligen Bauwerk unverzichtbar. Beispielsweise bei der Vermessung: Von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Vermessungsingenieuren wurden zum einen die Brücke, zum anderen die Fundamente vermessen. Das Einschwimmen der an Land zusammengebauten Konstruktion war Millimeterarbeit. "Die Ingenieursleistungen waren sagenhaft", berichtet Wolfgang Dietz, der Oberbürgermeister von Weil am Rhein stolz. "Ich war begeistert." Zur Einweihung des Unikats kamen 70 000 Gäste.

Gravierende handwerkliche Fehler

Die Bezahlung der Vermessungsleistungen wären nach dem Referentenentwurf nicht mehr in der HOAI geregelt, ebenso wie weitere Ingenieursleistungen, die heute für eine nachhaltige Baukultur notwendig sind: ob Projektsteuerung, Bauüberwachung, Schall-, Emissions-, oder Umweltschutz. "Es kann die öffentliche Hand mit dieser Novelle keinen Auftrag mehr erteilen", fasst es Dr.-Ing. Karl Heinrich Schwinn, Präsident der Bundesingenieurkammer lapidar zusammen. Der Referentenentwurf ist - bezogen auf die Berufsausübung von Ingenieuren und Architekten - falsch, für die Praxis ungeeignet und bedeutet die endgültige Abschaffung des staatlichen Preisrechts, da es ohne vorherige vertragliche Vereinbarungen nicht mehr möglich ist, mit Hilfe der HOAI von einer Planungsleistung zu einem Honorar zu gelangen. Die öffentlichen Auftraggeber werden jeder für sich Auslegungen für die Anwendbarkeit der HOAI erarbeiten müssen, was Bürokratieaufbau und Intransparenz zur Folge hat.

Novelle als Versuchsballon?

Der Entwurf scheint mit heißen Nadeln gestrickt, überstürzt veröffentlicht und nicht wirklich ernst gemeint. "Was die Kammern und das Bauministerium vorgeschlagen haben, findet man in dem Entwurf nicht wieder", so Dr. Schwinn. Er wird eher die Tendenz zur "Baukonfektion statt Baukultur" fördern sowie den Verbraucherschutz und die Bauqualität erheblich vermindern, urteilt der Bund deutscher Baumeister.

Baukulturelles Erbe abgeschrieben

"Deutschland ist die Wirtschafts- und Kulturnation mit dem höchsten Bauvolumen Europas. Es verfügt über eine hoch entwickelte Infrastruktur, weltweit anerkannte Planungs- und Umweltstandards sowie ein großes baukulturelles Erbe", attestiert der Förderverein Bundesstiftung Baukultur e.V. Aber Umbau, Modernisierung und Instandsetzung des baukulturellen Erbes wird sich in Zukunft nicht mehr nach tatsächlichem Mehraufwand abrechnen lassen. Nach der Novelle soll der Umbauzuschlag entfallen. Auch deshalb ist der Entwurf in der Praxis untauglich und bedarf der grundlegenden Überarbeitung. Die zuständigen Berufsverbände und Kammern stehen zu ihrem Angebot, an einer Verbesserung des Entwurfs konstruktiv mitzuarbeiten. Für mehr Baukultur!

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesingenieurkammer - Bundesgemeinschaft der Ingenieurkammern der Länder Thomas Noebel, Bundesgeschäftsführer Kochstr. 22, 10969 Berlin Telefon: (030) 25342900, Telefax: (030) 25342903

(el)

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