Pressemitteilung | (VDE) Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.

VDE fordert Masterplan pro Mikroelektronik / Neue Studie zur technologischen Souveränität

(Frankfurt am Main) - "Die Mikroelektronik muss in Europa bleiben, wir brauchen eine europäische Technologiestrategie, einen Masterplan", forderte der VDE heute in einer virtuellen Pressekonferenz. Um langfristig den Wohlstand zu wahren, müsse Europa den Aufbau eigener Mikroelektronikfertigungen sehr viel stärker und engagierter forcieren. "Die systemrelevante Chip-Industrie hat Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft. Die aktuelle Krise in der Autoindustrie zeigt, wie hoch die Abhängigkeit unserer Industrie von Halbleiterherstellern in Asien und USA ist", erläutert der VDE. Im neuen Positionspapier "Hidden Electronics II" analysieren die Technologieexperten den Status Quo der Mikroelektronik und zeigen, wie Deutschland/Europa seine technologische Souveränität erlangen kann - wenn der politische Wille da ist.

Die gute Nachricht: Im Wettbewerb mit den forschungs- und entwicklungsstarken USA und Asien, ist der Zug für Deutschland noch nicht abgefahren. Aktuell hält Deutschland immer noch eine Spitzenposition in bestimmten Bereichen der Halbleitertechnologie wie Leistungselektronik und Sensorik. Beide sind systemrelevant und wichtige Motoren für Innovationen in allen Industriebereichen. Mit der richtigen Priorität, der richtigen Fokussierung und langfristig angelegten Programmen kann Europa auf diesen Clustern aufbauend aufholen. "Gut gemeinte Worte und auf nur wenige Jahre angelegte und unterdimensionierte Programme reichen nicht. Unser dringender Appell ist daher, jetzt zu handeln, wenn wir den Produktionsanteil an Halbleitern in Europa massiv erhöhen wollen", fordert Prof. Dr. Christoph Kutter, Präsidiumsmitglied im VDE und einer der Autoren der Studie.

Was Politik, Industrie und Forschung jetzt tun sollten:

1. Masterplan "Electronics for Europe" aufstellen

Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, weil insbesondere in den USA und in China die strategische Wichtigkeit der Mikroelektronik erkannt worden ist und ihr Aufbau seit Jahren massiv vorangetrieben wird. Europa hat die Wahl, halbherzig weiterzumachen, oder einen eigenen Masterplan "Electronics for Europe" aufzustellen. Zentraler Bestandteil muss eine europäisch abgestimmte Industriepolitik sein, die die Produktion von mikroelektronischen Komponenten in Europa sicherstellt. Deutschland muss die Vorreiterrolle für die Definition dieser Industriepolitik übernehmen.

2. Technologische Souveränität Europas herstellen

Die Frage nach der technologischen Souveränität Europas ist fundamental. Das Ziel: Essenzielle Teile der Wertschöpfungskette ins eigene Land zu holen. Wie jetzt deutlich wurde, kann Europas Industrie sich nicht darauf verlassen, dass der Zukauf wesentlicher elektronischer Komponenten in der weltweiten Zulieferung immer funktionieren wird und sollte deshalb für Elektronikprodukte, die auf dem europäischen Markt verkauft werden, einen gewissen Wertschöpfungsanteil (Local Content) in Europa einfordern. Europa kann von den Produzenten verlangen, dass hier verbaute Chips auch zum Teil hier gefertigt werden. In diesem Zusammenhang müssten die großen Halbleiterhersteller auch in Europa Fabriken bauen, um den europäischen Endmarkt beliefern zu können. Das Wissen (Intellectual Property) und die Produktionstechnik müssen in Europa verfügbar bleiben.

3. Größere Risiken in der Forschung zulassen

Forschung und Innovationen müssen von staatlicher Seite mit einem sehr viel längerfristigen Horizont gefördert werden. Die üblichen Drei-Jahresprojekte sind keinesfalls ausreichend - für bahnbrechende Innovationen und fundiertes Fertigungs-Know-how ist für diese Programme ein Horizont von mindestens 10 Jahren notwendig. Das Bestreben, Marktverzerrungen zu verhindern, ist sicherlich ehrenwert, ein globaler fairer Markt mit gleichen Spielregeln existiert im Bereich der Mikroelektronik aber nur in Teilbereichen. Europa und Deutschland brauchen mehr Mut und Durchhaltevermögen bei der Förderung neuer disruptiver Technologien und Anwendungskonzepte.

4. Nachwuchs und Firmengründungen fördern

Europas sehr vielseitiges und sehr starkes Bildungssystem muss weiter ausgebaut und die vielen klugen Köpfe für Technologieentwicklungen und Innovationen begeistert werden. Europa muss Entwicklungen strategisch unterstützt starten, den Entwicklungen ein Umfeld und einen geschützten Raum geben, in dem sie gedeihen können, bevor sie als Start-ups auf komplett eigenen Beinen stehen können.

5. Wirtschaftsförderung aufbauen und durch direkte staatliche Aufträge ergänzen

Deutschland sollte dringend von erfolgreichen Wirtschaftsförderungen in diesem Bereich in den USA und in Asien lernen. Deutschland braucht den Mut, Wirtschaftsförderung zu forcieren und gezielt auszubauen, um damit letztendlich neue innovative Firmen auf strategisch wichtigen Gebieten aus der Taufe zu heben. Der Staat hat nicht nur die Möglichkeit, an Universitäten und Forschungseinrichtungen Wissen zu generieren, sondern sollte eine unterstützende und lenkende Funktion auch beim Wissens-Transfer in die Wirtschaft einnehmen. Strategische Prioritäten sollten sowohl in langfristig angelegten Programmen als auch in direkten staatlichen Aufträgen zusammen mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft umgesetzt werden.

Gerade im Hochtechnologiebereich gibt es oft sehr große Risiken. Oft werden Themen nicht von Unternehmen gestartet, sondern erst später ab einer gewissen Reifestufe von diesen aufgegriffen. Deutschland belegt oft einen Spitzenplatz bei Entwicklungsprojekten in der Hochtechnologie. Es gelingt jedoch nicht, diese selbst vor Ort in innovative (Massen)Produkte umzusetzen. Die Politik muss die Bedeutung der Elektronik für den Standort Deutschland und Europa erkennen und dementsprechend Prioritäten setzen. Europa - und insbesondere Deutschland - muss als Halbleiterstandort unbedingt erhalten und ausgebaut werden.

Quelle und Kontaktadresse:
(VDE) Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. Melanie Unseld, Pressesprecherin Stresemannallee 15, 60596 Frankfurt am Main Telefon: (069) 63080, Fax: (069) 6312925

(sf)

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