Pressemitteilung | Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM) - Hauptgeschäftsstelle

Wettbewerb in der Telekommunikation weiterhin schutzwürdig

(Bonn) - Ron Sommer wird nicht müde, den Regulierungsdruck, dem er sich und seinem Unternehmen so massiv ausgesetzt fühlt, vor politischen Entscheidungsträgern zu beklagen. Vor einem Kreis von sozialdemokratischen Spitzenvertretern forderte er kürzlich nicht nur eine Verringerung der Regulierungsintensität, sondern stellte die Existenzberechtigung der Regulierungsbehörde vor dem Hintergrund der jüngsten Fusionen in der Telekommunikationsbranche insgesamt in Frage. Es sei unverständlich, warum sich multinationale Konzerne wie die DTAG dem Diktat der nationalen Regulierungsbehörden beugen müssten, denn diese Situation - so der Telekom-Chef - führe zu einer Benachteiligung des Unternehmens im internationalen Geschäft sowie zu einer Minderung des eigentlichen Börsenwerts des Unternehmens.



"Die Begründungen, die die Deutsche Telekom AG (DTAG) für ihre deutschlandweite Lobbykampagne gegen die nationale Regulierung anführt, entbehren jeglicher sachlichen Grundlage. Ziel ist allein, die Politik zur Abschaffung, zumindest aber Lockerung der sektorspezifischen Regulierung zu bewegen, um Marktanteile zurückzugewinnen" erklärt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbandes der Anbieter für Telekommunikations- und Mehrwertdienste (VATM). "Vor einer solchen Entwicklung kann man nur warnen. Regulierungsbehörde und Monopolkommission haben eindeutig festgestellt, dass noch keinesfalls von einem selbst tragenden Wettbewerb gesprochen werden kann. Vor allem reagiert der Markt äußerst sensibel auf äußere Eingriffe und vermeintliche unbedeutende Behinderungen, wie z.B. beim Call-by-Call."



Seit seinem Wechsel zum marktbeherrschenden Ex-Monopolisten scheint Ron Sommer ohnehin eine ganz eigene Vorstellung von Wettbewerb entwickelt zu haben, wenn er 2% Marktanteil im Ortsnetz mit funktionsfähigem Wettbewerb gleichsetzt. Dabei auf neue und gerade erst lizensierte Zugangstechnologien im local loop abzustellen bedeutet schlicht, eine zukünftig langsam erst entstehende Möglichkeit für Wettbewerb mit bereits bestehendem oder gar selbst tragenden Wettbewerb zu verwechseln. Im Gegensatz zu anderen ehemaligen Monopolunternehmen, wie zum Beispiel AT&T, das Mitte der 80er Jahre in mehrere Unternehmen zerschlagen wurde, profitiert die Telekom bis heute von ihrer historischen Marktmacht, die ihr, vom Gesetzgeber gewollt, eine extrem starke Ausgangsposition im internationalen aber auch deutschen TK-Markt bescheren sollte, deshalb allerdings unter Kontrolle eines starken Regulierers.



Dass die DTAG keinesfalls unter einer zu harten Regulierung zu leiden hat, spiegelt sich nachhaltig in ihrem Börsenwert wider, der heute bei 400 Milliarden DM liegt. Der Kurswert der Aktie hat sich von 28 DM auf heute fast 180 DM gesteigert und damit mehr als versechsfacht! Nach Meinung der Analysten, die gerade die Zukunftspotentiale des Unternehmens im Markt bewerten, wird sich diese Entwicklung weiter fortsetzen.

Eine Schwäche des Unternehmens im internationalen Kräfteverhältnis lässt sich allein auf die fehlgeschlagene Internationalisierungsstrategie der Telekom zurückführen. Weder in Nordamerika noch in Europa ist es der Telekom bisher gelungen, sich zu positionieren. Das Joint Venture Global One mit France Telecom sowie der Übernahmeversuch von Telecom Italia kamen nicht zustande. Die DTAG als Global Player, wie von Ron Sommer oft beschworen, ist nichts als eine Wunschvorstellung geblieben.



In Wirklichkeit haben sich zudem seit Beginn der Liberalisierung die Rahmenbedingungen für wachsenden Wettbewerb im TK-Markt ständig verschlechtert. Die über ein Jahr verzögerte Entscheidung zur Teilnehmeranschlussleitung sowie die Diskussion um angeblich von Wettbewerbern verursachten - aber bis heute nicht nachgewiesenen - "atypischen Verkehr" zeigen, dass es der DTAG immer wieder gelungen ist, für den Wettbewerb wichtige Entscheidungen lange zu verzögern und Markteintrittsbarrieren schrittweise wieder zu erhöhen. Die scheibchenweise Zurücknahme einzelner Wettbewerbsbereiche aus der Regulierung, wie die Herausnahme des internationalen Verkehrs aus der Preisregulierung birgt zudem die Gefahr einer abnehmenden Abgrenzbarkeit einzelner Wettbewerbsbereiche, was eine effiziente Missbrauchskontrolle erschwert. Dramatischer und für den jungen Tk-Markt verheerend könnte sich die Strategie der DTAG erweisen, die Zukunftsmärkte Internet, Online- und Mehrwertdienste zu monopolisieren. Waren Bundesregierung und Bundestag 1997 gerade hier von zukünftig weitgehendem Wettbewerb ausgegangen, so erweist sich hierfür aus heutiger Sicht die Teilnehmeranschlussleitung als zentrale Schlüsselposition.



Bei einer Ausgangsbastion von 98% DTAG-Marktanteil droht nun in den wichtigsten Zukunftsmärkten nicht mehr sondern sogar weniger Wettbewerb als in der Sprachtelefonie. Zu erreichen versucht dies die DTAG durch eine schlichte Umstellung von Abrechnungsverfahren und der Einstellung des Inkasso. Festzustellen bleibt: Der Wettbewerb hat sich mit der gesetzlich vorgesehenen Regulierung eindeutig zu Gunsten der DTAG und nicht zu ihren Lasten entwickelt. Dauerhafter Wettbewerb kann nur unter Beibehaltung der sektorspezifischen Regulierung im Übergang zu einem unregulierten Markt gesichert werden. Die Liberalisierung des neuseeländischen TK-Marktes hat gezeigt, dass die Öffnung eines Marktes ohne Regulierung scheitert und Wettbewerb nicht entstehen kann. Wenn die Politik sich zum Wohle der Bürger und der deutschen Wirtschaft für Wettbewerb entschieden hat, darf die Regulierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht zurückgeführt werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Originaltext-Quelle: VATM

NEWS TEILEN: