Besonnen und ruhig mit dem Zeugnis umgehen / BLLV-Präsident Wenzel appelliert an Eltern, gute Leistungen anzuerkennen - schlechte Noten dürften aber kein Grund für Tränen sein / "Praxis der Notenvergabe ist ein Irrweg"
(München) - Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, hat an alle Eltern appelliert, besonnen und ruhig mit dem Jahreszeugnis umzugehen. Die Zeugnisse werden am Dienstag verteilt. "Vor allem für jüngere Schüler ist dieser Tag ein besonders wichtiger Tag. Die meisten sehen ihm mit Spannung entgegen und können sich über gute Noten freuen. Viele haben aber auch gemischte Gefühle oder Angst vor schlechten Noten und den damit verbundenen Konsequenzen. In manchen Fällen fürchten sie auch die Reaktion ihrer Eltern", sagte Wenzel heute in München. Sicher dürften schlechte Noten nicht einfach übergangen werden, es komme aber darauf an, richtig damit umzugehen. "Schlechte Noten sind an sich schon kränkend genug, deshalb brauchen die Schüler Zuspruch, Trost und Unterstützung." Keinesfalls sollten Drohungen oder Strafen die Folge sein. "Das macht alles nur noch schlimmer, denn junge Menschen verlieren so die Lust am Lernen." Erneut kritisierte Wenzel das Prinzip der Notenvergabe: "Ziffernnoten sagen wenig über die tatsächlichen Leistungen und Lernfortschritte aus. Sie spiegeln lediglich Leistungserhebungen, die an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit unter bestimmten Voraussetzungen durchgeführt worden sind." Einem modernen und kindgerechten Lernverständnis würden sie nicht gerecht.
"Ich weiß, dass dies den Schülern und Eltern wenig hilft, sie sind den Noten schließlich ausgeliefert und streben verständlicherweise nach besten Leistungen", sagte der BLLV-Präsident. Die Praxis der Notenvergabe und die rigide Leistungsmessung an bayerischen Schulen sei aber ein Irrweg. "Er führt nicht dazu, Kindern nachhaltige und effiziente Lernerfolge zu ermöglichen, sondern dazu, dass sie darauf konditioniert werden, kurzfristig angelerntes Wissen zu einem bestimmten Zeitpunkt exakt wiederzugeben." Dies müssten sich Eltern stets vor Augen führen und mit bedenken. Von dieser Art der Leistungsmessung hält Wenzel nicht viel. Er forderte daher das Kultusministerium auf, die Vorgehensweise kritisch zu überdenken. "Sie wird aktuellen Studien zur Hirn- und Lernforschung in keiner Weise gerecht."
Bei schlechten Leistungen sollten Eltern nicht überreagieren: "Das Zeugnis darf keinesfalls Anlass für Tränen sein. Eltern könnten beispielsweise sagen, dass sie mit dem Zeugnis nicht einverstanden sind, ihrem Kind aber helfen wollen, die Leistungen zu verbessern. Gemeinsam sollten sie Lösungen erarbeiten und einen Plan erstellen. Eltern, die ihre Kinder über das Schuljahr begleiten, erleben am Zeugnistag keine Überraschungen. Sie können rechtzeitig intervenieren."
Für Kinder ist die Ferienzeit die schönste Zeit. "Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern möglichst viel unbeschwerte Zeit gönnen und sie mindesten drei Wochen 'mit der Schule in Ruhe lassen.' Auch junge Menschen brauchen Erholung, Abstand und eine echte Pause." Die Anforderungen seien hoch genug. Die zweite Ferienhälfte könnte genutzt werden, in Maßen Unterrichtsstoff zu wiederholen, Vokabeln zu lernen oder sich in Fächern zu üben, in denen es Schwächen gibt. "Am besten, Eltern ermöglichen ihrem Kind das Lernen mit Gleichaltrigen oder Mitschülern. Das erweist sich immer wieder als sehr erfolgreich - und ist überdies kostenlos zu haben." Eltern sollten keinesfalls übertreiben: "Eine oder zwei Stunden am Tag fürs Lernen oder Wiederholen zu reservieren, reicht völlig aus."
Auch gute Noten sollten Eltern nicht einfach hinnehmen, sondern ihr Kind dafür ausdrücklich loben und die Leistung anerkennen. "Das spornt an und motiviert."
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