BLLV fordert: Schluss mit Doping für die Schule! / Für viele Schüler gehört der Griff zur Tablette zur Normalität - so steigern sie ihre Leistung oder beruhigen sich / BLLV-Präsident Klaus Wenzel warnt vor Missbrauch
(München) - Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, hat vor einem steigenden Medikamentenmissbrauch gewarnt. "Für viele Kinder und Jugendliche gehört der Griff zur Tablette, die ihre Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit steigert, die sie wach hält oder beruhigt, zur Normalität." Aktuelle Untersuchungen belegen, dass jedes fünfte Grundschulkind therapiebedürftig ist und viele auch Medikamente zur Beruhigung und Leistungssteigerung nehmen. "Das ist eine alarmierende Entwicklung und sie wirft ein bezeichnendes Licht auf die Schulrealität." Schule bedeute für viele Heranwachsende Stress, Angst vor schlechten Leistungen und in vielen Fällen andauernde Überanstrengung. Schon Zehnjährige hätten einen Prüfungsmarathon zu bewältigen, der so manchen Erwachsenen in die Knie zwingen würde. "Damit sie diesem Druck stand halten können, werden viele von ihnen regelrecht gedopt." Wenzel forderte ein Umdenken: "Die Schulpolitik muss dafür sorgen, dass Schule menschlich wird, sie muss sich am Kind und an seinen Bedürfnissen orientieren." Die Einnahme solcher Medikamente muss nicht nur unterbunden, sie muss obsolet werden."
Eltern und Schüler müssten sich bewusst machen, dass mit einer regelmäßigen Einnahme von Medikamenten weder Lern- noch Lebensprobleme gelöst würden, betonte der BLLV-Präsident heute in München. Durch den Konsum von Medikamenten würden Lernblockaden und Versagensängste verschärft und letztlich das Selbstwertgefühl der Betroffenen beschädigt, so Wenzel. Kinder würden schnell das Gefühl entwickeln, den Alltags- und Schulstress ohne Medikamente überhaupt nicht mehr bewältigen zu können. Die Gefahr einer Abhängigkeit sei groß. Viele Medikamente hätten zudem Nebenwirkungen zur Folge, die nicht zu unterschätzen seien.
Das Kultusministerium müsse umgehend Maßnahmen einleiten, die helfen, den massiven Leistungsdruck an den Schulen abzubauen, forderte Wenzel. Grundlage müsste ein neues Lern- und Leistungsverständnis sein, im Mittelpunkt sollten die Bedürfnisse der jungen Menschen stehen. "Wer ständig von 'Schulfamilien' spricht, muss sich um seine Angehörigen auch kümmern."
Die Befunde der inzwischen zahllosen wissenschaftlichen Untersuchungen seien erdrückend. Zuletzt habe die am Wochenende veröffentlichte Studie "Eltern-Lehrer-Schulerfolg" - sie wurde vom Bundesfamilienministerium und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Auftrag gegeben - aufhorchen lassen. Wissenschaftler weisen in ihr nach, wie sehr Familien unter Druck stehen. Wenzel: "Da ist die Rede von der Angst, abgehängt zu werden oder einer Beschleunigung, die auch vor Kindern nicht Halt macht. Ich frage mich schon, wie viele Nachweise und Belege es noch braucht, bis bemerkt wird, wie schlecht es unseren Kindern geht." Er appellierte erneut an das Kultusministerium, diese Hinweise ernst zu nehmen und zu berücksichtigen.
Der Druck, der auf Kindern und Erwachsenen lastet, werde an Grundschulen besonders sichtbar. "Hier konzentriert sich alles auf den Übertritt und nicht selten steht die gute Note über dem Wohl eines Kindes." Bereits Grundschullehrerinnen und -lehrer beobachteten mit Sorge, dass Eltern immer weniger Bedenken hätten, die Leistungen ihres Kindes notfalls mit Medikamenten zu verbessern. Wenzel appellierte daher auch an Eltern, Kindern nicht leichtfertig und vor allem nicht ohne ärztlichen Rat Medikamente zur Leistungssteigerung oder Beruhigung zu verabreichen. Eltern sollten sich außerdem klar machen, dass ihre Kinder nach der Schulzeit steigenden gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen ausgesetzt seien - "auch die müssen bewältigt werden und zwar möglichst ohne Medikamente. Wer sein Kind darauf aber programmiert, stellt die Weichen für späteres Suchtverhalten."
Statt Medikamente zu verabreichen, sollten Eltern ihren Kindern helfen, eine stabile Persönlichkeitsstruktur zu entwickeln. Für Grundschulkinder sei es z.B. schon hilfreich, über ausreichend unverplante Freizeit verfügen zu können.
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