Pressemitteilung | BGA - Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen e.V.

Finger weg von Konjunkturprogrammen!

(Berlin) - Statement Dr. Holger Bingmann zur Wirtschaftliche Lage und Perspektive des deutschen Großhandels anlässlich der heutigen BGA-Großhandelspressekonferenz:

"Sehr geehrte Damen und Herren,
ein wirtschaftlich und politisch unruhiges Jahr geht zu Ende. Konjunkturell sind wir mit einem blauen Auge davongekommen. Bis auf Teile der Industrie laufen viele andere Sektoren wie Einzelhandel, Handwerk oder der Dienstleistungsbereich rund - zum Teil, wie beispielsweise am Bau, sogar auf Hochtouren und an der Kapazitätsgrenze. Alleine 700.000 genehmigte, aber nicht gebaute Wohnungen sprechen Bände!

Strukturell haben wir jedoch weiter an Boden verloren. Dagegen hilft kein noch so großes Konjunkturprogramm, wir brauchen vielmehr eine verlässliche und überzeugende Wirtschaftspolitik, in deren Mittelpunkt die Beschleunigung von Investitionen und ein attraktiver Rahmen für unternehmerisches Handeln stehen müssen. Während wir uns also auf der weltpolitischen Bühne durchaus mehr Ruhe wünschten, vermissen wir Zuhause den bereits seit Jahren beschworenen zukunftsorientierten Ruck durchs Land nach vorne.

Großhandelsklima: Unternehmen warten ab

Meine Damen und Herren!
Nachdem die Stimmung im Großhandel im Sommer in den Keller gefahren ist, hat sie sich nun zwar leicht gebessert, ist aber noch lange nicht gut. Dies ist die zentrale Botschaft der Umfrage des Großhandels bei den Unternehmen der Wirtschaftsstufe zur konjunkturellen Lage und den weiteren Perspektiven für 2020.

Die Unternehmen bleiben skeptisch: Der Großhandels-Klimaindikator verharrt mit 97 Punkten auf dem Niveau vom Sommer, wobei Werte unter 100 Punkte eine negative Einschätzung zum Ausdruck bringen. Die aktuelle Geschäftslage hat dabei um 1 Punkt nachgegeben und die Marke damit ebenfalls unterschritten. Die Erwartungen liegen trotz leichtem Anstieg mit 94 Punkten sogar noch unter der aktuellen Lagebewertung.

Ursächlich hierfür ist, dass Umsätze und Erträge in dem wichtigen industrienahen Teil des Großhandels schwächeln. Kapazitätsauslastung und Auftragslage entwickeln sich ebenfalls wenig befriedigend. Trotz guter Lage gehen auch im baunahen Großhandel die Erwartungen nach unten.

Baukindergeld und Miet-Sonder-AfA können die schlechte Stimmung aufgrund schwieriger Aktivierung von Bauland, Eingriffen in die Vertragsfreiheit durch Mietendeckel sowie hohen Modernisierungskosten nicht kompensieren.

Dementsprechend beabsichtigen die Großhändler, Investitionen zurückzufahren, und auch die Neigung zum Beschäftigungsaufbau lässt nach. Vor diesem Hintergrund gehen wir für das laufende Jahr 2019 von einem um 2,3 Prozent auf 1.327 Milliarden Euro ansteigenden nominalen Umsatz aller rund 148.000 Unternehmen der Wirtschaftsstufe aus. Um dieses Ergebnis zu erzielen, haben die Unternehmen ähnlich wie im Vorjahr 1,4 Prozent mehr verkauft. Die Unternehmen passen ihre Pläne an das eingetrübte Umfeld an. Daher rechnen wir für 2020 mit einem etwas abgeschwächten Umsatzwachstum von nominal bis 2 Prozent und real bis 1 Prozent. Auch der Beschäftigungsaufbau im Großhandel bremst sich weiter ab. Nach einem Anstieg um 32.000 Beschäftigte im Vorjahr und etwa 24.000 im laufendenden, erwarten wir im nächsten Jahr einen weiteren Anstieg, allerdings um nur noch 18.000 auf 1,998 Millionen Beschäftigte.

Da der Großhandel ein Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland ist, ist dies kein gutes Zeichen. Selbst wenn wir davon ausgehen, dass das schwierige internationale Umfeld politisch und wirtschaftlich beherrschbar bleibt, rechnet der BGA im kommenden Jahr mit einem realen Wirtschaftswachstum um ein halbes Prozent - und damit auf einem ähnlichen Niveau wie in diesem Jahr.

Rahmen für Investitionen und Beschäftigung attraktiver gestalten

Meine Damen und Herren,
es fehlt aktuell zweifelsohne an Schwung in der deutschen Wirtschaft. Die Ursachen sind vielfältig und lassen sich daher nicht mit Strohfeuerprogrammen beheben. Investitionsbremse Nummer Eins ist nicht das fehlende Geld, sondern sind gähnend lange Planungs- und Genehmigungszeiträume sowie Kapazitätsengpässe. Ein neues milliardenschweres Konjunkturprogramm ist daher fehl am Platz!

Wir haben aber eine Reihe ernsthafter struktureller Herausforderungen, die vor allem aus Digitalisierung, Energiewende und der Ressourcenschonung resultieren, auf die nicht mit verpuffenden Konjunkturprogrammen geantwortet werden kann, sondern die gezielte, effektive und effiziente Maßnahmen erfordern. Hierzu müssen wir nicht die von Bürgern und Betrieben finanzierte, erfolgreiche Konsolidierung aufgeben. Das Haushaltsvolumen des Bundes ist von gut 230 Milliarden Euro Anfang der 2000er Jahre um rund 50 Prozent auf aktuell
356 Milliarden Euro gestiegen.

Solide Finanzen müssen das Fundament staatlichen Handelns bleiben. Fast drei Viertel der befragten Großhändler unterstützen die Bundesregierung, die Haushaltskonsolidierung fortzusetzen und keine neuen Schulden aufzunehmen. Auch mit ausgeglichenem Haushalt können für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Anreize gesetzt werden, und zwar ohne die Überhitzung in einigen Bereichen durch Konjunkturprogramme weiter zu forcieren. Alles zusätzliche Geld treibt nur die Preise. Wir wollen aber schließlich mehr Straßen, Schienen, Brücken - und nicht teurere!

Ich will dabei das Augenmerk auf fünf Schwerpunkte legen, die in den Augen unserer Unternehmen von besonderer Relevanz für den Standort Deutschland sind. Erstens sind Unternehmenssteuern ein wichtiger Faktor. Deutschland ist inzwischen wieder ein Hochsteuerland. Nicht nur verglichen mit den USA, sondern auch und gerade im Umfeld seiner unmittelbaren Nachbarn, wo die Belastung zwischen 19 und 25 Prozent liegt. Diese 5 bis 10 Prozent mehr muss ein Unternehmen erst einmal erwirtschaften! Nach über zehn Jahren muss die Unternehmensbesteuerung aus dem Jahr 2008 modernisiert und den veränderten Realitäten angepasst werden. Die deutsche Wirtschaft hat hierzu Vorschläge vorgelegt, die der Finanzminister bislang schlicht ignoriert. Auch die gänzliche Abschaffung des Solidaritätszuschlages bleibt nach unserer Überzeugung auf der Agenda. Von ideologisch motivierten Vorschlägen nach einer Wiederbelebung der Vermögensteuer oder auch der Anhebung der Besteuerung für "Reiche" sollte man tunlichst die Finger lassen.

Zweitens: Für Deutschland als Logistikdrehscheibe ist eine leistungsfähige
Verkehrsinfrastruktur unverzichtbar. Trotz ausgeweiteter Investitionen kommt die Erneuerung vielfach nur schleppend voran, mit dem Ergebnis zunehmender Staus auf den Straßen und erheblicher Verzögerungen im Bahnverkehr, was zudem die Umwelt belastet. Hier bedarf es einer Beschleunigung und besseren Koordinierung von Planung und Bau. Auch müssen für den Güterverkehr technologieoffene und leistungsfähige Antriebstechnologien den Unternehmen zugänglich gemacht werden.

Drittens: Digitalisierung führt zu weitreichenden Veränderungen von Prozessen und Organisationsstrukturen. Nicht groß frisst klein, sondern schnell frisst langsam. Hierauf müssen sich Unternehmen einstellen und anpassen, wenn sie nicht aus dem Markt gedrängt werden wollen. Die Bundesregierung hat dies ebenfalls erkannt und vielfältige Maßnahmen auf den Weg gebracht, z.B. Kompetenzzentren und Förderund Finanzierungsmaßnahmen. Ergänzend müssen Abschreibungen von Digitalisierungsmaßnahmen und "geistigem Eigentum" verbessert werden.

Viertens ist das leidige Thema Bürokratie zu nennen, das vielen Unternehmen weiter unter den Nägeln brennt, besonders im Mittelstand. Trotz dreier Bürokratieentlastungsgesetze und der One-in-one-out-Regelung wurde sie bislang nicht wirksam reduziert. Eine elektronische Krankmeldung mag ein Fortschritt sein.

Bei der erwarteten Erleichterung bei Aufbewahrung- und Aufzeichnungsplichten und der Beschleunigung von steuerlichen und abgabenrechtlichen Verfahren gibt es aber bislang kein überzeugendes Ergebnis. Stattdessen drohen bei der Arbeitszeiterfassung und mit der stärkeren Berücksichtigung der sogenannten ESGZielen in der Unternehmensfinanzierung neue Erschwernisse. Natürlich sind Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit zu begrüßen, doch neue Regulierungen, z.B. bei den Anforderungen an Unternehmen zur Begründung nachhaltiger Finanzierungen, laufen der Zielsetzung entgegen.

Damit komme ich zum abschließenden fünften Punkt: Energie wird ungebremst teurer, vor allem staatlich veranlasst. Dieser Anstieg muss aufgefangen werden. Bei den nun vorgesehenen Maßnahmen zum Klimaschutz muss darauf geachtet werden, dass Industrie und mittelständische Wirtschaft nicht überfordert werden. Es bedarf nicht überschießender Regulierung, sondern ausgewogener Anreize, Emissionen zu reduzieren und den Ressourcenverbrauch in den Sektoren Produktion, Verkehr und Bau ökologisch vertretbar, aber auch wirtschaftlich zu optimieren.

Meine Damen und Herren, über drei Viertel der befragten Unternehmer fordern die Politik auf, die Finger von milliardenschweren Konjunkturprogrammen zu lassen und stattdessen beispielsweise bei den Steuern zu entlasten. Der Begriff Nachhaltigkeit ist in aller Munde, Strohfeuerprogramme sind jedoch das Gegenteil davon. Erst recht, wenn sie durch neue Schulden finanziert werden!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!"

Quelle und Kontaktadresse:
BGA - Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen e.V. Iris von Rottenburg, Stellv. Pressesprecherin Am Weidendamm 1a, 10117 Berlin Telefon: (030) 590099521, Fax: (030) 590099539

(sf)

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