Mittelschule: Lehrer fürchten den Todesstoß / Schüler fühlen sich als "Bildungsverlierer" / Blitzbefragung des BLLV kommt zu klarem Ergebnis: Die Schulart wird massiv geschwächt trotz anderslautender Rhetorik
(München) - Trotz zahlreicher Imagekampagnen des Kultusministeriums fühlen sich nach einer Onlinebefragung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV) Haupt- und Mittelschüler als Verlierer des Schulsystems. "Dieses Ergebnis überrascht uns nicht, es empört uns aber in seiner Eindeutigkeit", erklärte BLLV-Präsident Klaus Wenzel heute in München. Der BLLV startete die Blitzbefragung Anfang Juni und wendete sich an alle Mitglieder aus dem Mittelschulbereich. Über 1200 Lehrerinnen und Lehrer beteiligten sich spontan an der Aktion. Die Lehrkräfte gaben zu 94 Prozent an, dass sich ihre Schüler als Bildungsverlierer sehen würden. "Diesen Befund sollte das Kultusministerium zum Anlass nehmen, sich von seiner Schön-Wetter-Rhetorik zu verabschieden", sagte Wenzel. Hintergrund der BLLV-Aktion ist eine Maßnahme des Ministeriums, die die Mittelschulen in Bayern mitten ins Herz trifft: Zum nächsten Schuljahr startet ein vom Landtag beschlossener Modellversuch. Dieser sieht die Aufnahme in die Wirtschaftsschule bereits nach der 5. Jahrgangsstufe der Mittelschule vor. "Besonders fragwürdig ist dabei, dass die Aufnahmebedingungen für die Schüler in der Hand der jeweiligen Wirtschaftsschule selbst liegen. Dies führt dazu, dass einzelne Versuchsschulen lediglich die bestandene 5. Klasse in der Mittelschule voraussetzen. Dies ist eine Privilegierung der Wirtschaftsschulen im Vergleich zu den strengen Aufnahmekriterien in einen M-Zweig der Mittelschulen."
"Die Bayerische Staatsregierung wird nicht müde, in der Öffentlichkeit immer wieder zu betonen, sie wolle die Mittelschulen und ihre Verbünde stärken und als echte Alternative zu den anderen weiterführenden Schulen ausbauen. Der im Herbst beginnende Modellversuch unterläuft diese öffentlichen Beteuerungen aber in eklatanter Weise", kritisierte Wenzel. Die umliegenden Mittelschulen und ihre Schulverbünde würden auf diese Weise massiv geschwächt. Bei einer Ausweitung des Modells stünden vor allem kleinere Mittelschulstandorte vor dem Aus, da dieses neue Angebot der Wirtschaftsschule eine zusätzliche attraktive Übertrittsmöglichkeit und somit eine weitere Konkurrenz zur Mittelschule darstellt.
Wenzel forderte das Kultusministerium auf, endlich Farbe zu bekennen und das Scheitern sämtlicher Rettungsversuche für die Mittelschule einzugestehen. "Ein Scheitern, das durch Fehlentscheidungen, Blockadehaltung und letztlich auch durch konterkarierende Maßnahmen aus dem Ministerium herbeigeführt und beschleunigt wurde."
Dass dieser Modellversuch ein weiterer, dramatischer Schritt hin auf dem Weg zur Abwertung der Schulart Mittelschule ist, sehen auch die meisten Mittelschullehrer so: So gaben bei der Blitzbefragung 98 Prozent an, dass "durch den weiteren Ausbau der Real- und Wirtschaftsschulen die Mittelschule auf Dauer ihre letzten Leistungsträger verlieren würde."
Sehr eindeutig fällt auch das Ergebnis zur Zukunft der Mittelschulen in Bayern aus: 96 Prozent sind der Meinung, dass sich diese Schulart immer stärker zu einer Schule für verhaltensauffällige und lernbehinderte Schüler/innen entwickeln würde, und zu einer Schule werde, die Kindern mit Migrationshintergrund eine Heimat gebe.
Quelle und Kontaktadresse:
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