Gegossene Produkte gibt es seit mindestens 5000 Jahren. Sie waren immer auf der Höhe ihrer jeweiligen Zeit. So ist es auch heute. In den überwiegend mittelständischen Unternehmen der Branche entstehen Zulieferprodukte von höchster Präzision jeglicher Art wie z.B. Motorblöcke, Bremsscheiben, Maschinenbetten, Turbinen, Getriebe, Windkraftnaben oder auch der Rahmen eines Konzertflügels oder ein medizinisches Implantat.
Der Deutsche Giesereiverband (DGV) ist einer der ältesten deutschen Wirtschaftsverbände, gegründet 1869. Der DGV vertritt die allgemeinen und unternehmerischen Interessen der Eisen-, Stahl- und Tempergiesereien in Deutschland; er ist der Wirtschaftsverband der Branche.
Er lebt mit der Branche und gestaltet deren Strukturwandel mit. Derzeit gilt: Globale Märkte stellen immer höhere Anforderungen an die Qualität der Produkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Die Gieserei-Industrie begegnet dem mit neuen Werkstoff- und Verfahrenstechniken. Informationstechnologien durchsetzen zunehmend die Produktionsprozesse.
Die Gieserei-Industrie hat Tradition: Zukunftsorientierung und Flexibilität sind die Basis fortgesetzten Erfolgs. So tragen Giesereierzeugnisse nach wie vor zum Weltstandard deutscher Produkte bei. Das Leistungsspektrum ist äuserst vielfältig. Hauptabnehmer sind der Strasenfahrzeugbau, der Maschinenbau und die Bauwirtschaft sowie die Elektroindustrie, der Schiffbau, die Off-shore-Industrie und der Flugzeugbau. Gemäs ihres Verständnisses als Entwicklungs- und Produktpartner arbeiten die Giesereien bereits in der Entwicklungsphase eng mit den Abnehmern zusammen.
Die von den Giesereien hergestellten Zulieferprodukte sind multifunktionale, weitgehend einbaufertige Werkstücke für optimierte Konstruktionen – von wenigen Gramm bis über 200 Tonnen. In den Forschungslabors entstehen ständig metallurgisch neue Werkstoffe mit verbesserten Anwendungseigenschaften. Auch unter Umweltaspekten können sich die Giesereiprodukte sehen lassen. Die Produktion erfolgt in weitgehend geschlossenen Kreisläufen und die Produkte sind 100-prozentig wiederverwertbar.
Jedoch gibt es Problemfelder, von deren Lösung laut DGV-Hauptgeschäftsführer Dr. Klaus Urbat die Zukunft der Branche abhängt: „Die nächsten fünf bis zehn Jahre werden darüber entscheiden, ob die Gießereien ihren schwer erkämpften Standard auf den Märkten ausbauen, halten oder gar verlieren werden. Die Herausforderungen für unsere Branche verschärfen sich hinsichtlich Mitarbeiter-Potential, Finanzierung und weltoffenem Management sowie der Entwicklung kundenorientierter Dienstleistungen. Von der Lösung dieser Aufgaben wird es abhängig sein, ob am Standort Deutschland lediglich Entwicklungsarbeiten auf Weltniveau erfolgen und nur Spitzenprodukte produziert werden oder die derzeitige breite Produktionsbasis im Inland verbleibt.“
Enger Kontakt zur Basis: Kurze Wege, flache Hierachien
Die Gießer sind eine eingeschworene Gemeinde. Nur echte Gießereibetriebe gehören dem Verband an – rund 210 Firmen, sowohl inhaber- als auch managergeführt. Ein Organisationsgrad von etwa 85 Prozent macht den DGV zu einer Stimme, die gehört wird. Zentral organisiert, aber mit sieben Landesverbänden, die sich um die Betreuung der Mitglieder vor Ort kümmern, hat die Verbandsführung niemals den Kontakt zur Basis verloren: „In unserer Branche ist das Zusammengehörigkeitsgefühl noch recht ausgeprägt, da kennt jeder jeden. Auch wenn unsere Mitglieder Konkurrenten sind, so ziehen doch alle an einem Strang, wenn es um die Zukunft der Branche geht“, so Dr. Urbat.
Entsprechend groß ist auch das Engagement der Mitgliedschaft in den jeweiligen Fachausschüssen des Verbandes. Die rund 15 operativen Mitarbeiter des Verbandes aus den unterschiedlichsten Bereichen bieten ein umfassendes Leistungsangebot zu allen für die Gießereibetriebe wichtigen Themenkomplexen: Außenwirtschaft, Betriebswirtschaft, Energie und Verkehr, Informationswesen und Statistik, Mittelstandsfragen, Öffentlichkeitsarbeit, Recht, Steuern, Versicherungen, Rohstoffe und Volkswirtschaft. Sämtliche Aktivitäten der Interessenvertretung sind konsequent auf den engen Kontakt zur Basis ausgerichtet. Jede Mitgliederanfrage wird umgehend in Angriff genommen, bei komplizierten Aufgabenstellungen auf jeden Fall ein Zwischenbericht geliefert. Damit ist der Verband für seine Mitglieder auch in der täglichen Arbeit ein hart arbeitender Partner, wie Dr. Urbat berichtet: „Unserer Mitgliedsfirmen haben für bestimmte Aufgaben wie z.B. die Erstellung von Konjunkturprognosen etc. keine eigene Stabsabteilungen mehr – das übernehmen die Mitarbeiter im Verband, sozusagen als externe Stabsstelle der Mitgliedsfirmen. Unsere Mitarbeiter sind hoch motiviert und verstehen sich in erster Linie als Dienstleister für die Gießereibetriebe“. Kurze Informationswege, gute Kontakte und flache Hierachien tragen dazu bei, dass die Serviceleistungen des Verbandes schnell beim Empfänger ankommen.
Betriebsanalysen, Benchmarking und mehr...
bietet die Fachberatung Betriebswirtschaft des DGV den Mitgliedern. Ein fünfköpfiges Team steht den Gießereibetrieben in allen Belangen und Fragestellungen zur Seite und greift dabei auf ein branchenspezifisches Know-how zurück, das die Experten sich in jahrzehntelanger Erfahrung erarbeitet haben. Kernstück der Arbeitsweise ist die praktische Lösung von Problemen, damit also auch die Begleitung und Umsetzung der entwickelten Lösungsansätze. Ein wesentlicher Garant für den Erfolg des Teams ist seine interdisziplinäre Zusammensetzung: Neben dem eigenen betriebswirtschaftlichen, juristischen und technischen Fachwissen werden bewährte Kontakte zu externen Spezialisten und Institutionen der Gießerei-Industrie genutzt, um allen Anforderungen der Mitglieder bestmöglich gerecht zu werden.
Zu den Leistungen der Fachberatung gehört z.B. als entscheidendes Instrument im harten Wettbewerb das Benchmarking, also der Vergleich der eigenen Prozessketten, Dienstleistungen, Strategien, Strukturen und Aktivitäten mit denen der stärksten Wettbewerber. Der Verband wählt die Vergleichsparameter aus, entwickelt betriebswirtschaftliche Benchmarks, erhebt Daten, wertet diese aus, vergleicht, präsentiert die Ergebnisse, entwickelt einen Maßnahmenkatalog zur Optimierung und hilft bei der Umsetzung. Ein Prozess, mit dem die einzelnen Unternehmen sicherlich auf sich gestellt überfordert wären, der ihnen aber die notwendige Wettbewerbs- und Kundenorientierung vermittelt, um auch in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben.
Auf ähnliche Art und Weise bietet der Verband eine ganze Reihe weiterer betriebswirtschaftlicher Dienstleistungen an: Kosten- und Leistungsvergleiche, Portfolio-Analysen, Ablaufanalysen, Außenwirtschaftsberatung, Investitions- und Wirtschaftlichkeitsanalysen, E-Business-Beratung, Schwachstellenanalysen, Seminare und Schulungen.
Ein weiteres Beispiel für die betriebswirtschaftliche Unterstützung der Mitglieder ist die Beteiligung an Forschungsprojekten wie der „Entwicklung einer integrierten Controllingkonzeption auf Basis eines prozessorientierten Kostenrechnungssystems unter Berücksichtigung optimierter Stoff- und Energieströme in Eisen-, Stahl- und Tempergießereien“. Dieses vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegebene Projekt soll zwei für die Branche wesentliche Aufgabenbereiche im Rahmen umweltorientierter Entscheidungsfindung zusammenführen: Ein Projekt-Controlling auf der Basis eines Stoffstrom- und Energiemanagements zur ökonomischen und ökologischen Bewertung von Umweltinnovationen und die umweltschutzbezogene Erweiterung vorhandener Kostenrechnungssysteme in der Gießereindustrie als zentraler Baustein einer integrierten Controllingkonzeption.
Am Ende des Projekts soll den Gießereien ein Tool zur Planung, Steuerung und Koordination gewünschter Entwicklungen an die Hand gegeben werden – auf der Basis qualitativer und quantitativer Kennzahlen und relevanten Zielgrößen entlang der Wertschöpfungskette. Eine maßgeschneiderte Lösung, die der Verband seinen Mitgliedern hier präsentiert, da herkömmliche Controlling- und Kostensysteme keine integrative Steuerung der verschiedenen, thematisch differierenden Bereiche erlauben.
Unterstützung im internationalen Wettbewerb
Eine der größten Herausforderungen für den Verband ist es, seine Mitglieder auf die internationalen Märkte hin auszurichten. Die direkte Exportquote der deutschen Gießereiunternehmen steigt kontinuierlich und liegt zur Zeit bei etwa 30 Prozent, die Hälfte der Exporte geht in Länder der Europäischen Gemeinschaft. Sicherlich hat sich in den vergangenen Jahren durch die voranschreitende Öffnung der Märkte und zunehmende Globalisierung der Wettbewerbsdruck auf deutsche Gießereien erhöht. Diese Situation eröffnet aber auch vielfältige Chancen: Im Zuge der Internationalisierung lassen sich Kostensenkungspotentiale realisieren und Absatzmärkte erweitern. Der DGV hilft den Mitgliedsunternehmen dabei, planvoll und damit erfolgreich vorzugehen, denn in vielen Gießereien fehlen Kenntnisse und strategische Konzeptionen für einen erfolgreichen Vorstoß auf den internationalen Markt.
Unter welchen Voraussetzungen die internationalen Geschäfte der deutschen Gießer Erfolg versprechen, wurde in einem weiteren Forschungsprojekt ermittelt: „Internationalisierung – Chance und Notwendigkeit für Gießerei-Unternehmen“. Ausgehend von den Exportaktivitäten ausgewählter Gießereien in strukturschwachen Regionen Nordrhein-Westfalens wurden allgemeine Informationen zu einer erfolgreichen Exportstrategie zusammengetragen. Federführend war auch hier der Verband – von der Entwicklung von Evaluierungs- und Kontrollsystemen über die Akquisition geeigneter Gießereien und die Formulierung von Strategien bis zur Ausgestaltung des Auslandsengagements durch Marktanalysen, Auswahl geeigneter Kooperationspartner und natürlich die Umsetzung der geplanten Vorhaben.
Die im Forschungsvorhaben gewonnenen Informationen wurden anschließend auch anderen Gießereien zur Verfügung gestellt. Der Verband hat auf der Basis der neuen Erkenntnisse ein Beratungskonzept für Internationalisierungsvorhaben ausgearbeitet und die Ergebnisse schwerpunktmäßig online kommuniziert.
E- Business: Den Strukturwandel meistern
Als Akteure in einer Wertschöpfungskette von High-tech Branchen wie Automobil- und Maschinenbau vollziehen die Gießer deren rasanten Wandel mit. Dazu gehört nicht zuletzt der zielsichere Einsatz intelligenter E-Business-Konzepte. Auch zu diesem Themenkomplex beteiligt sich der DGV an einem Forschungsvorhaben. Die Zeichen sind ermutigend: Durch den Einsatz von High-tech Verfahren und die Entwicklung moderner Produkte ebenso wie durch die effektive Nutzung der neuesten Informations- und Kommunikationstechniken konnten Standortnachteile in Deutschland kompensiert werden.
Für die Gießereien bietet die effektive Nutzung aller Möglichkeiten des E-Business ein völlig neue Form der Arbeits- und Organisationsgestaltung. Durch die Vernetzung interner und externer Prozesse steigt die Produktivität aller beteiligten Unternehmen. Allerdings haben bisher noch zu wenige Gießereien den Schritt zum E-Business gewagt. Daher war es ein vorrangiges Ziel des Projekts, Blockaden abzubauen und den Gießern die Vorteile der neuen Technologien zu vermitteln. Erfolgsentscheidend ist hier noch mehr als in anderen Bereichen die Qualifikation der Mitarbeiter. Der Verband setzt große Hoffnungen in das Projekt, geht es doch um mehr als „nur“ den Aufbau eines professionellen internationalen Marketings, den Umbau von Unternehmensstrukturen und die Bildung von Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Gießereien, Kunden und Lieferanten.
Auch in diesem Fall sollen die gewonnenen Erfahrungen für andere Unternehmen und andere Branchen zugänglich gemacht werden. Der Wissenstransfer erfolgt nicht eingleisig, sondern in zwei Richtungen – der Austausch ist wesentliches Ziel dieses Verbundvorhabens. Praktisch erfolgt der Transfer über Publikationen, Präsentationen, Fachveranstaltungen und Veröffentlichungen im Internet.
DGV auf striktem Europakurs
Seit 1997 wird der europäische Gießereiverband CAEF von Düsseldorf aus geführt. Das CAEF wurde 1953 gegründet und dürfte damit zu den Pionieren im europäischen Verbandswesen gehören. Heute zählen 19 nationale Gießereiverbände aus 17 europäischen Ländern zu den Mitgliedern des CAEF.
Die Mission des europäischen Gießereiverbandes ist es, sich mit allen Fragen, die die Gießerei-Industrie betreffen, seien sie wirtschaftlicher, technischer, gesetzgeberischer oder sozialer Art, zu beschäftigen und die Gießerei-Industrie insgesamt zu fördern.
Der europäische Gießereiverband CAEF wirkt in zwei Richtungen:
1. Vertretung der Interessen der europäischen Gießerei-Industrie bei europäischen und anderen Institutionen. Gleichzeitig ist das CAEF zunehmend zentraler Ansprechpartner für alle mit der Gießerei-Industrie zusammenhängenden Probleme, da Europa in vielen Regionen der Welt mittlerweile als Einheit gesehen wird.
2. Intensiver Informationsaustausch zwischen den nationalen Gießereiverbänden und deren Koordination auf europäischer Ebene immer dann, wenn es der Gießerei-Industrie als Ganzes nützt.
Die praktische Arbeit des europäischen Gießereiverbandes CAEF findet in zahlreichen Arbeitsgruppen statt. Die CAEF-Kommissionen befassen sich mit Querschnittsthemen wie Weiterbildung, Umweltschutz, Betriebswirtschaft, Statistik oder Zulieferfragen. Die CAEF-Gruppen sind werkstofforientiert und arbeiten im Wesentlichen im Informationsaustausch über die aktuelle konjunkturelle Situation auf den jeweiligen nationalen Märkten und den sich daraus ergebenden vielfältigen Einzelproblematiken.
Eine dritte Kategorie der Arbeitseinheiten des CAEF sind die Sektionen. Sie haben ein ähnliches Aktivitätsportofolio wie die Gruppen, sind jedoch produktgruppenbezogen.
Personell ist der europäische Gießereiverband so organisiert, daß die Funktion des Generalsekretärs in Personalunion vom Hauptgeschäftsführer des Deutschen Gießereiverbandes wahrgenommen wird, während die arbeitsgruppenbezogenen Aktivitäten in den jeweiligen Fachreferaten des Deutschen Gießereiverbandes angesiedelt sind. Jeder Mitarbeiter des Deutschen Gießereiverbandes ist also gleichzeitig "Europäer". Damit sind die Weichen der Verbandsorganisation in die Zukunft gestellt.