Verbändereport AUSGABE 3 / 2009

Der Kongress kommt nach Haus

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Eine große Tagung in der eigenen Stadt? Viele Verbände und Institutionen haben schon daran gedacht. Doch mal fehlt die Zeit für die Organisation, mal mangelt es an Know-how. Dabei gibt es in fast jeder deutschen Stadt Kongressbüros, die Verbänden und Institutionen bei allen Arbeitsschritten kompetent zur Hand gehen: von der Angebotserstellung über die Zimmerreservierung bis hin zur Durchführung der Veranstaltung.

Es ist ein gängiges Prinzip bei großen nationalen und internationalen Verbänden: Die turnusmäßigen Tagungen und Kongresse finden stets an einem anderen Ort statt. Da wünscht sich mancher lokale Verband, auch einmal berücksichtigt zu werden und die nächste Großveranstaltung in der eigenen Stadt zu haben. Wissenschaftliche, politische oder soziale Institutionen dürften ebenfalls ein gesteigertes Interesse daran haben, bestimmte Fachveranstaltungen vor die eigene Haustür zu holen: weil sie gerade eine wegweisende Entdeckung gemacht haben; weil es eine neue Initiative vorzustellen gilt oder weil es einfach an der Zeit ist, der Welt die schöne Heimat zu präsentieren. Doch leider verlaufen solche Ambitionen allzu oft im Sande. Fehlende Zeit für die Organisation einer Großveranstaltung und Mangel an Know-how sind die häufigsten Gründe.

Verbände und Institutionen – für Kongressbüros eine wichtige Zielgruppe

Dabei gibt es fast überall, wo Verbände, lokale Verbandsvertretungen und Institutionen ihren Sitz haben, auch Kongressbüros. Zu deren wichtigsten Aufgaben gehört nicht nur die Akquise von Veranstaltungen, sondern auch die tatkräftige Ermutigung und Unterstützung von potenziellen lokalen Ausrichtern. Tagungen und Kongresse haben neben ihrer inhaltlichen Bedeutung eine Reihe wichtiger Funktionen: Sie steigern das Renommee der einladenden Organisation, sorgen für Beschäftigung, bringen Umsatz in die Stadt und sind eine gute Werbung für die gesamte Region.

Weil ein Großteil der Tagungen und Kongresse von national wie international vernetzten Verbänden und Institutionen initiiert wird, stehen gerade diese Organisationen bei Kongressbüros auf der Liste der Ansprechpartner ganz oben. „Verbände und Institutionen spielen eine äußerst wichtige Rolle bei der Akquise von Tagungen und Kongressen für unseren Standort“, sagt etwa Udo Schäfer, stellvertretender Geschäftsführer der Tourismus & Congress GmbH, Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler. „Durch die Organisationsform der nationalen und internationalen Verbände ergibt sich eine hohe Anzahl an potenziellen Veranstaltungen. Darüber hinaus erreicht man über die Spitzenverbände die jeweiligen Mitglieder, die in der Regel ebenfalls ein Veranstaltungspotenzial haben.“ Andrea Hess, Leiterin des Kongressbüros der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ), kann das nur bestätigen: „Verbände kennzeichnen unseren wichtigsten Markt, auf ihnen liegt bei der Akquise von Veranstaltungen unser Hauptaugenmerk.“ Und auch Anne Demuth, bei der Stuttgart Marketing GmbH zuständig für das Kongressbüro Stuttgart, sieht in Verbänden und Institutionen „neben den Unternehmen die zentralen Zielgruppen. In Stuttgart haben wir hauptsächlich Vertretungen der Landesverbände. Hier stehen wir auf allen möglichen Wegen mit Repräsentanten in Kontakt, damit diese sich auch bei ihrer Bundeszentrale oder der europäischen Verbandszentrale aktiv für die Kongressregion Stuttgart einsetzen.“

Kongressbüros – für Institu­tionen und Verbände eine wertvolle Hilfe

Kongressbüros bieten Institutionen und Verbänden professionelle Hilfe in allen erdenklichen Bereichen der Veranstaltungsplanung und -organisation. „Wir unterstützen von der ersten Bewerbung an“, beschreibt etwa Christine Förster, Leiterin des Tagungs- und Kongressbüros der Osnabrück Marketing und Tourismus GmbH, einen Teil des möglichen Leistungsspektrums. „Das heißt, wir stellen PowerPoint-Präsentationen oder auch einen Imagefilm zur Verfügung, mit denen man den potenziellen neuen Tagungsstandort präsentieren kann. Dazu gehören natürlich auch die Zusammenstellung von Infomaterial, persönliche Gespräche mit Entscheidern oder enge Kooperationen mit anderen Leistungsträgern, zum Beispiel Hotels.“ Und das ist längst noch nicht alles. Jörg Bauler, Leiter des Munich Convention Bureau (MCB): „Auch Beratung bei der Terminwahl und Festlegung der Veranstaltungsstätten ist möglich. Hinzu kommen die Unterstützung bei der Einholung individueller Angebote, Vorschläge für Fachprogramme, Ausflüge, Rahmen- und Begleitprogramme, Pre- und Post Convention Touren oder die Vermittlung kompetenter mehrsprachiger Gästeführerinnen und Gästeführer. Speziell in München organisieren wir auch MVV-Kongress-Tickets für die ermäßigte Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel.“

Kongressmarketing – eine breite Palette an Instrumenten

Um mit Verbänden und Institutionen in Kontakt zu kommen und für das eigene Leistungsspektrum zu werben, nutzen Kongressbüros eine breite Palette an Strategien. Zu den klassischen Instrumenten gehören hier Mailings, der Versand von Flyern und Broschüren, die Anregung von Site-Inspections und die regelmäßige Einladung zu sogenannten Familiarizing-Events, kurz: Fam-Trips. Dabei stellt sich die jeweilige Kongressdestination potenziellen Veranstaltern direkt vor Ort mit ihren wichtigsten Hotel-, Location- und Event-Partnern vor. Die hierfür nötigen bundesweiten und internationalen Kontakte zu Verbandsrepräsentanten und Planern werden zum Teil durch Mitarbeiter im Außendienst gemacht, vor allem aber auf großen Fachmessen wie der IMEX und der EIBTM sowie über Mitgliedschaften in wichtigen Branchenverbänden wie dem German Convention Bureau (GCB), Meeting Professionals International (MPI) und der International Congress & Convention Association (ICCA). „Die Teilnahme an den Fortbildungsveranstaltungen, Workshops und Tagungen dieser Branchenvereinigungen ermöglicht den Austausch mit Kollegen und die gezielte Ansprache von Entscheidern aus Verbänden“, erklärt Kerstin Bosshammer, Manager Public Relations der Düsseldorf Congress Veranstaltungsgesellschaft mbH. „Auch die Datenbanken, die von diesen Branchenvereinigungen zur Verfügung gestellt werden, sind für uns ein wichtiges Rechercheinstrument.“ Besonders die ICCA wird im internationalen Kontext genutzt und bietet auch jüngeren Kongressbüros wichtige Kontakte. „Als frisches Mitglied möchten wir das ICCA-Datenbanksystem nutzen, um Verbände auf Köln aufmerksam zu machen, die Europa und Deutschland als Destination für ihren nächsten Kongress ins Auge gefasst haben“, bestätigt Stephanie Franke, Leiterin des erst im Juli 2008 gegründeten Cologne Convention Bureau.

Essenziell – der persönliche Kontakt vor Ort

Doch so wichtig überregionale Kontakte und regelmäßige Print- oder Mailing-Kampagnen auch sind, sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt mit den Entscheidern vor Ort. „Institutionen und Verbände wissen am besten, welche Tagungen und Kongresse in ihrem Bereich es gibt – und welche davon zu ihrer Heimatstadt passen“, sagt Nina Bierwirth, Projektleiterin Congress Service der Braunschweig Stadtmarketing GmbH. Auch Cathrin Swillus aus der Abteilung Kongresse und Pauschalangebote der Erfurt Tourismus & Marketing GmbH setzt auf die unmittelbare Ansprache im direkten Umfeld: „Wir appellieren an den Lokalpatriotismus der Erfurter Institutionen, Unternehmen und Verbände“, stellt sie für ihre Region fest. „Leidenschaft für die Stadt wecken wir am besten bei den Erfurtern selbst – sie sind die besten Botschafter.“ Weil das natürlich auch für andere Städte gilt, bemühen sich die jeweiligen Kongressbüros auf den unterschiedlichsten Wegen um den direkten Kontakt mit wichtigen Repräsentanten vor Ort – organisieren Kundenveranstaltungen, Beratungsgespräche und Präsentationen oder besuchen Verbandsversammlungen, auf denen sie ihre Leistungen vorstellen.

Kooperation – zum Beispiel mit Instituten und Universitäten

Fast überall dort, wo es Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstitute gibt, sind die Kongressexperten zudem eng mit den jeweiligen Professoren und Wissenschaftlern vernetzt. Und zum Teil gibt es hier noch weitergehende Kooperationen: So beteiligt sich die Erfurt Tourismus & Marketing GmbH an den Infotagen der Erfurter Universität für Studenten und hat so eine weitere Möglichkeit, für die Stadt zu werben und den Kontakt zu den Fachbereichen zu pflegen. Düsseldorf Congress unterhält ein eigenes Büro innerhalb der Heinrich-Heine-Universität und veranstaltet einen regelmäßigen Professorentreff. Auch das Munich Convention Bureau und Congress Frankfurt, eine Serviceabteilung der Messe Frankfurt, veranstaltet einen solchen jährlichen Professorentreff. Die Frankfurter Tourismus+Congress GmbH wiederum arbeitet mit der Campusservice GmbH zusammen. „Diese an die Goethe-Universität angegliederte GmbH vermittelt unter anderem Räume für Tagungen an der Uni“, erklärt Jutta Weisbrod, Leiterin Kongressmarketing der Tourismus+Congress GmbH Frankfurt am Main. „Wir buchen Hotelzimmer für die entsprechenden Tagungen, zeigen die Räumlichkeiten bei Site-Inspections und Fam-Trips und bieten den Veranstaltern weitere ‚Bonbons‘ für die Teilnehmer an wie zum Beispiel das Kongress-Ticket für den ÖPNV oder das Kongress-Museums-Ticket.“

Leidenschaft für die Stadt – Werden Sie Ambassador!

Hinter all diesen Aktivitäten steckt letztlich ein Gedanke, der oben bereits anklang: die lokalen Verbände zu so etwas wie Kongressbotschaftern ihrer Stadt oder Region zu machen. Am konsequentesten wird dieser Gedanke in Osnabrück und in Leipzig umgesetzt. „Unsere Initiative ‚Kongressbotschafter für Osnabrück‘ hat ihren Ursprung im Jahr 2004“, erzählt Kongressbüro-Leiterin Christine Förster. „Damals haben wir Osnabrücker Multiplikatoren eingeladen, um unser neues Tagungs- und Kongressbüro vorzustellen. Inzwischen hat sich diese Marketingmaßnahme weiterentwickelt, unsere Kongressbotschafter gewinnen wir auf zwei Wegen: Zum einen laden wir Multiplikatoren zu einem interessanten Fachvortrag ein und stellen uns vorweg in einer 10-minütigen Präsentation vor – zum anderen erläutern wir unsere Leistungen bei Verbandsversammlungen und Branchentreffs. Außerdem bieten wir Verbänden und Vereinen Workshops zum Thema Veranstaltungsmanagement an. Meinen Vortrag beginne ich dann immer mit: ‚Wir möchten Sie heute zu Kongress-Botschaftern machen!‘“ So wurde in den vergangenen drei Jahren rund ein Dutzend Personen „gewonnen“, mit denen immer wieder größere und kleinere Veranstaltungen organisiert werden. Meist sind es Chefärzte, Hochschulprofessoren und Unternehmer.

„Ambassador Programm der Kongressstadt Leipzig“ nennt sich eine entsprechende Initiative in der sächsischen Messemetropole. „Verbandskongresse müssen von innen heraus entstehen“, erklärt Ronald Kötteritzsch, Direktor Marketing & Sales im Congress Center Leipzig (CCL), seinen 2006 entwickelten Ansatz. „Deshalb versuchen wir, angesehene Persönlichkeiten, die auf ihrem Fachgebiet Hervorragendes leisten und über ein großes Netzwerk an Beziehungen verfügen, als Botschafter für die Kongressstadt Leipzig zu gewinnen. Nicht das CCL bewirbt sich dann um einen Kongress, sondern diese Persönlichkeit.“ Die Idee für das Ambassador Programm hat Kötteritzsch von amerikanischen Hochschulen, die Absolventen gern beim beruflichen Vorankommen unterstützen und sie im Gegenzug zu „Botschaftern“, also Fürsprechern und Promotern, machen. Auf die Tagungsbranche übertragen wurde das Ganze in England. In Deutschland wiederum ist das CCL der einzige Kongressanbieter, der seine Initiative so nennt und konsequent realisiert. Die Ambassadors für Leipzig, von denen es sogar in Dresden und in Kiel einige gibt, haben „allenfalls eine Art moralischer Verpflichtung“ und werden in allen Belangen der Kongressakquise und -durchführung unterstützt. Dass das CCL dabei mit allen relevanten Partnern an einem Strang zieht, unterstreicht nicht nur Ronald Kötteritzsch, sondern auch Hiskia Wiesner, zuständig für den Bereich Meeting & Events bei der Leipzig Tourismus & Marketing GmbH (LTM). Während das CCL „stark medizinisch geprägt“ sei, konzentriere sich Leipzig Tourismus & Marketing „auf alle Branchen“, so Wiesner. Fam-Trips gehören hier ebenso zu den Akquiseinstrumenten wie das Planungs- und Infoportal www.do-it-at-leipzig.de.

Im Trend – offensives, kreatives Stadtmarketing

Botschafter-Programme sind nur einige der individuellen Instrumente, die Städte und Kongressbüros verstärkt nutzen, um auf Institutionen und Verbände zuzugehen. Das Marketing ist hier in den letzten Jahren offensiver und kreativer geworden. So hat die Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) im Jahr 2000 ein Wissenschaftsnetzwerk ins Leben gerufen, um die regionalen Kompetenzen aus der Kongressbranche und der Wissenschaft an einen Tisch zu holen. Über den Wissenschaftstreff „bremen brain“ soll Bremen auch als Tagungsstandort gefördert werden.

Das Berlin Convention Bureau (BCO), neben GCB, ICCA und MPI auch Mitglied der Union of International Associations (UIA), der Society of Incentive & Travel Executives (SITE) und der European Cities Marketing (ECM), eröffnet alle zwei Jahre im Rahmen der Veranstaltung „Meeting Place Berlin“ rund 100 ausgewählten Hosted Buyers die Möglichkeit, die Bundeshauptstadt hautnah zu erleben und die dortigen Anbieter kennenzulernen.

Zur gezielten Ansprache auch von Verbänden und Institutionen wurde in Bonn die Marketinggemeinschaft Bonn Conference Partners (BCP) gegründet, die bei der Tourismus & Congress GmbH angesiedelt ist. Daneben organisiert die T&C alle zwei Jahre die Fachmesse „Bonn Börse“ mit mehr als 80 regionalen Ausstellern aus dem Kongress- und Tourismusbereich und rund 400 Fachbesuchern.

Eine ähnliche Veranstaltung gibt es mit dem zweijährlichen „Kongress- und EventTag“ in Köln, bei dem das Cologne Convention Bureau, die KölnKongress GmbH und die IHK der Domstadt zahlreiche regionale Dienstleister aus der Tagungs- und Eventbranche vorstellen. In Düsseldorf wiederum haben 35 Hotels gemeinsam mit der Düsseldorf Congress Veranstaltungsgesellschaft und der Düsseldorf Marketing & Tourismus GmbH (DMT) die Kooperation Congress and Incentive Pool (CIP) gegründet, um garantierte Hotelkontingente bei zukünftigen Kongressen liefern zu können.

Und in München können Besucher von Großkongressen mit Willkommensbannern und Sonderbeflaggungen, Extra- und Priority-Check-ins, einem Begrüßungsschreiben des Bürgermeisters, Kongressaufklebern auf Taxis, Stadtplänen für die Kongresstaschen und weiteren Extras rechnen. Mit all den genannten Beispielen vor Augen sollte es für Verbände und Institutionen eigentlich kein Problem mehr sein, die kommende Jahrestagung, den nächsten Fachkongress in die eigene Stadt zu holen.

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