Verbändereport AUSGABE 8 / 2009

Eine Landkarte der Möglichkeiten

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Web 2.0 steht als Schlagwort für interaktive und kollaborative Elemente des Internets. Interaktiv, da in der Regel die Grenze zwischen Nutzer (Leser) und Produzent (Autor) aufgehoben wird. Die bisher bei Software übliche Versionierung 2.0 soll deutlich machen, dass es sich um einen Paradigmenwechsel handelt. Von den Anfängen des Internets, wo Informationsveröffentlichung und E-Mail-Kommunikation nahezu alles war, erweiterte sich das Medium Internet zu einer sozusagen mehrspurigen Datenautobahn: Video, Blog, Radio und Fernsehen, E-Mails, Internettelefonie, Kommentarfunktionen, Wikis, nicht zuletzt auch: Online-Datenablage und Videokonferenzen, stellen heute fast alltägliches Werkzeug dar.

Es ist erstaunlich, dass die Web-2.0-Euphorie auf einer unklaren Definition beruht, was Web 2.0 tatsächlich ausmacht. Lediglich die Bausteine lassen sich recht klar umreißen. Entscheidend wird nicht die verwendete Technologie gefasst, sondern das Zusammenspiel sozialer Entwicklungen und technischer Elemente. „Web 2.0 ist keine Technologie, sondern ein Konzept […] letztendlich ist Web 2.0 so etwas wie eine Große Koalition, erkennbar vor allem daran, dass jeder plötzlich mit jedem kann“, schreibt Sascha Kösch, Journalist eines Online-Magazins. Einer der wesentlichen Vorteile aller Web-2.0-Anwendungen zeichnet sich durch eine leichte, niedrigschwellige Handhabung aus. Jeder, der will, könnte auch.

Welche Werkzeuge gibt es nun eigentlich und was genau sind Twitter, Facebook, XING und Co? Eine Landkarte der Möglichkeiten.

Blogs/Weblogs

Der Begriff „Weblog“, oder kurz: Blog, wurde 1997 von dem Amerikaner John Barger geprägt. Es handelt sich um eine Kombination der Wörter „Web“ und „Log(-buch)“. Blogs stellen eine Möglichkeit im Internet dar, dialogisch und dezentral einen Austausch zwischen Leser und Autor zu ermöglichen. Die Inhalte werden regelmäßig aktualisiert und in umgekehrter chronologischer Reihenfolge dargestellt – das Neueste steht also oben.

Autoren von Blogs (Blogger) veröffentlichen selten längere Texte, sondern nutzen den Blog wie ein Journal. Sie halten Fundstücke aus dem Netz fest, kommentieren sie, berichten von eigenen Erfahrungen, reflektieren und entwickeln Konzepte. Und sie lassen die Leser mit kommunizieren, indem sie Kommentare zu ihren Artikeln zulassen.

Seit der Einführung großer Blog​systeme wie Blogger oder WordPress Ende der 90er-Jahre sind Blogs alltägliches Werkzeug des Journalismus im Internet geworden. Sie haben politische Entscheidungen beeinflusst, die Arbeit von Journalisten umgekrempelt und die Beteiligung einer interessierten Öffentlichkeit mehr und mehr ermöglicht.

RSS-Feed

Das Kürzel „RSS“ steht für „Really Simple Syndication“ (oder auch „Rich Site Summary“) und wurde erstmals 1997 eingesetzt. Im Gegensatz zu Internetseiten enthalten RSS-Dateien lediglich die reine Textinformation, in einigen Fällen auch einzelne Bilder. Sie verzichten jedoch komplett auf Zusatzinformationen wie Design- und Layout-Elemente. Auf das Wesentliche reduziert, können RSS-Feeds plattformunabhängig eingesetzt und weiterverarbeitet werden. RSS wurde entwickelt, um Nachrichten und andere Web-Inhalte auszutauschen.

Viele Internetseiten bieten RSS-Feeds für ihre Besucher an. Durch das Abonnement und Speichern in einem eigens dafür installierten kleinen Programm (Aggregator oder RSS-Reader) sind aktuelle Informationen von der betreffenden Internetseite einsehbar, ohne die Seite direkt aufrufen zu müssen. Gerade, wenn viele Internetseiten regelmäßig besucht werden, sparen RSS-Feeds Zeit ein, da immer nur derjenige Artikel wirklich aufgerufen werden muss, der tatsächlich von Interesse ist.

Im RSS Reader werden die Überschrift und häufig die ersten Zeilen des Artikels oder Eintrags angezeigt. Die Bedienung ist in den meisten Fällen einer Art Newsletter vergleichbar.

Wiki

Gewissermaßen ist ein Wiki eine Internetseite, in der die Leser Inhalte eingeben, strukturieren, verschlagworten und pflegen. Auf einem Wiki wird so das Wissen verschiedener Autoren zusammengetragen und für andere nutzbar gemacht. Das wohl bekannteste Wiki ist die „Wikipedia“, ein Lexikon, das von Tausenden Nutzern im Internet geschrieben wurde.

Jede Seite in einem Wiki wird „versioniert“. Vorgängerversionen der Seite werden aufbewahrt und nicht gelöscht. So lässt sich schnell nachvollziehen, wer wann was geändert hat, und Fehler beseitigen. Zusätzlich sind die einzelnen Seiten von Wikis mit Querverweisen, sogenannten Links, miteinander vernetzt. Das entspricht dem aus Bibliotheken bekannten Prinzip der Verschlagwortung. Das ermöglicht es, auch bei neuen Projekten auf bereits vorhandenes Wissen zu verweisen, und verhindert so Redundanzen. Gibt es beispielsweise für mehrere Probleme die gleiche Lösung, steht diese auch nur einmal im Wiki und wird entsprechend verlinkt.

Wikis können sowohl öffentlich als auch nicht öffentlich verfügbar gemacht werden. Gerade nicht öffentliche Wikis sind eine Möglichkeit, ein Intranet für Mitglieder oder auch zur Prozessbeschreibung innerhalb der Geschäftsstelle zu etablieren. Wikis fungieren zum einen als Wissensdatenbank, andererseits dienen sie dem Projektmanagement oder als Arbeitsgrundlage für beispielsweise Callcenter.

Soziale Netzwerke

Als „Soziale Netzwerke“, oder englisch: social communities, werden Netzgemeinschaften oder online verfügbare Dienste, die Netzgemeinschaften beherbergen, bezeichnet. Handelt es sich um Netzwerke, bei denen die Benutzer gemeinsam eigene Inhalte erstellen („user generated content“), bezeichnet man diese auch als soziale Medien.

Häufig vereinen soziale Netzwerke vergleichbare Funktionen wie die Erstellung eines persönlichen Profil mit diversen Sichtbarkeitseinstellungen für Mitglieder der Netzgemeinschaft oder generell der Öffentlichkeit des Netzes. Sie führen eine (öffentliche) Kontaktliste oder ein Adressbuch, samt Funktionen, mit denen die Verweise auf diese anderen Mitglieder der Netzgemeinschaft (etwa Freunde, Bekannte, Kollegen usw.) verwaltet werden können, und stellen eine Art E-Mail zur Verfügung, um mit anderen Mitgliedern kommunizieren zu können. Eine Art „Statusseite“ übernimmt häufig die Funktion eines kleinen Blogs und ermöglicht den Nutzern, aktuelle Informationen in die Gemeinschaft hineinzugeben.

Viele soziale Netzwerke erlauben es nicht nur natürlichen Personen, Profile anzulegen, sondern auch Stars und Sternchen, Politikern und Prominenten oder auch Städten und Gemeinden oder Ländern. Ein wesentlicher Teil des Erfolgs von Barack Obama bei der Wahl zum US-amerikanischen Präsidenten ist auf den geschickten Einsatz dieser sogenannten Avatar-Profile (oder: Edel-/Fan-Profile) zurückzuführen. In diesem Fall wird die öffentliche Person quasi inszeniert.

XING

Die Online-Community XING ist eine webbasierte Plattform, in der natürliche Personen vorrangig ihre geschäftlichen (aber auch privaten) Kontakte zu anderen Personen verwalten können. Neben den üblichen Funktionen bietet die Plattform sogenannte Community-Funktionen wie Kontaktseiten, Suche nach Interessengebieten, Foren, Unternehmenswebseiten und 26.000 Fachgruppen. Vorrangig handelt es sich um eine Plattform professioneller Nutzer.

Facebook

Facebook ist eine Website zur Bildung und Unterhaltung sozialer Netzwerke, die Mark Zuckerberg 2004, damals noch Student in Harvard, aufbaute. Im September 2009 hatte Facebook nach eigenen Angaben 300 Millionen Nutzer weltweit. Im Unterschied zu XING oder der vornehmlich deutschsprachigen VZ-Gruppe von Holtzbrinck zählt Facebook zu den wenigen komplett internationalen Social Communities. Der Name Facebook leitete sich von den „Facebooks“ ab, die den Studierenden an einigen amerikanischen Colleges zur Orientierung auf dem Campus ausgehändigt werden. In diesen Facebooks sind andere Kommilitonen abgebildet (Face (engl.) zu Deutsch: Gesicht, Konterfei) und sollen eine Gemeinschaftsbildung auf dem Campus unterstützen. Vorrangig Menschen unter 30 pflegen ihre Profile in Facebook, um gerade mit Kollegen im Ausland in Kontakt zu bleiben.

VZnet-Netzwerke oder: VZ-Gruppe

StudiVZ ist das wohl bekannteste, doch es gibt noch schülerVZ für Schüler und meinVZ für Absolventen und Nichtstudierende. Gegründet wurde das erste VZ-Netzwerk im November 2005 als studiVZ als Verzeichnis von Studierenden, analog zu Facebook. Im Februar 2007 startete zudem der Ableger für Schüler als schülerVZ und im darauffolgenden Jahr der dritte Ableger ohne spezielle Zielgruppe als meinVZ. Die VZ-Gruppe konzentriert sich ausschließlich auf den deutschsprachigen Raum und hat, alle drei Verzeichnisse zusammengenommen, circa 15 Millionen Mitglieder.

MySpace

MySpace (von englisch my space für mein Raum/Platz) ist eine mehrsprachige Community, in der Nutzer Benutzerprofile mit Fotos, Videos, Blogs, Gruppen usw. einrichten. MySpace gilt als einer der bekanntesten Vertreter von sozialen Netzwerken. Gerade in den Vereinigten Staaten, deren Einwohner sehr viel häufiger in MySpace vertreten sind als Europäer, gilt MySpace im Gegensatz zum vergleichsweise eher arbeitsnetzwerkorientierten Facebook als das soziale Netzwerk für Privates und Freizeit.

Podcasts

Unter Podcasting wird das Produzieren und Anbieten von Mediendateien, seien sie akustisch oder visuell, über das Internet verstanden. Das Kofferwort setzt sich aus den beiden Wörtern iPod und Broadcasting zusammen. Ein einzelner Podcast, zu Deutsch Hörstück, ist somit eine Serie von Medienbeiträgen (Episoden). Verschiedene Einzelstücke werden häufig über RSS-Feeds abonniert. Man kann Podcasts als Radio- oder Fernsehsendungen auffassen, die sich unabhängig von Sendezeiten konsumieren lassen. Videos heißen Video podcast oder Vidcast. Podcasts sind in aller Regel kostenfrei und in einer vom Konsumenten ausgewählten Menge zu beziehen. Sehr viele Radio- und Fernsehstationen bieten Podcasts von Sendungen an. Der Nutzer hat die Möglichkeit, diese im Auto oder unterwegs zu hören bzw. zu sehen.

Videoportale

YouTube ist das bekannteste. Doch ihre Anzahl ist schier unüberblickbar. Ihre Nischen klein und eng. Doch Videoportale sind nur ein weiterer Baustein im Web-2.0-Haus. Denn neben Texten und Bildern, werden auch Bild und Ton eingebunden, verlinkt, kommentiert und zur Werbung oder Beeinflussung eingesetzt. Viele Vidcasts (in Anlehnung an Podcast, Vid für Video) oder Online-Videos stehen bereit und werden produziert. Ganze Fernsehsendungen sind bei YouTube zu finden, Ausschnitte peinlicher Momente oder politische Botschaften wie der Vidcast der Bundeskanzlerin können genauso gesucht und gefunden werden. Neben Überschrift und Kurzbeschreibung werden Online-Videos zusätzlich verschlagwortet. Sogenannte Tags, können jedem Video frei zugeordnet werden und ermöglichen die Zuordnung zu Themen, Personen, Daten oder Ereignissen.

Twitter

Als relativ neuer Baustein im Web 2.0 gelangte Twitter zu zweifelhaftem Ruhm, als die Ergebnisse von Nachwahlbefragungen zur Europawahl weit vor 18 Uhr auf Twitter bekannt wurden. Twitter selbst ist, wie alle anderen vorgestellten Möglichkeiten auch, nur eine Plattform und eine Sammlung meist öffentlich einsehbarer Miniblogs oder auch Mikroblogs. Angemeldete Nutzer veröffentlichen Mini-Einträge mit maximal 140 Zeichen. Jeder Leser ist in der Lage, diese Art von Kurznachricht zu lesen, weiterzugeben oder zu beantworten. Twitter wird als Echtzeit-Medium zur Darstellung von Aspekten des eigenen Lebens und von Meinungen zu spezifischen Themen bezeichnet. Echtzeit, da keinerlei technische Schranke herrscht und einmal veröffentlichte Inhalte sofort weltweit per Computer, Mobiltelefon oder auch Mini-Laptop abgerufen werden. Das Schreiben auf Twitter wird umgangssprachlich als „twittern“, vom englischen to tweet für zwitschern, bezeichnet. Mehr und mehr entwickelt sich Twitter zu einem Kurznachrichten-Format, in dem nicht nur natürliche Personen, sondern auch Organisationen, Nachrichtenredaktionen, Medien und Zeitungen, Unternehmen und Personen des öffentlichen Lebens zwitschern.

Nachrichten von anderen Twitter-Nutzern sind einsehbar, wenn sie abonniert werden. Im Twitter-Jargon wird das als „following“ bezeichnet. Derjenige Abonnent, der auf die Nachrichten zugreifen kann, wird „follower“ genannt und besitzt häufig einen eigenen Twitter-Feed mit seinen Einträgen. Eine einzelne Nachricht eines Nutzers wird als Eintrag oder tweet bezeichnet.

Social Bookmarks

Social Bookmarks, oder im Deutschen als „soziale Lesezeichen“ bezeichnet, sind Merklisten vergleichbar zu den Bookmarks im Internetbrowser eines jeden Nutzers. Nur, diese Social Bookmarks werden nicht lokal beim Nutzer, sondern öffentlich im Internet abgelegt. Social-Bookmark-Netzwerke als die Plattformen, auf denen die Informationen gespeichert werden, können neben dem Sammeln von Links und Nachrichtenmeldungen auch zum Sammeln von Podcasts oder Videos konzipiert sein und erlauben einer Nutzerguppe gemeinschaftliches Indexieren verschiedener Inhalte für ihre Zwecke. Die international großen vier sind Delicious (ehemals „del.icio.us“), Digg, StumbleUpon und Microsoft. Rein deutschsprachig haben sich Dienste wie beispielsweise Mister Wong, Icio, Linkarena und Oneview oder auch ShortNews, Webnews, YiGG und tausendreporter etabliert. Die Nutzer eröffnen einen Account bei ihrem jeweiligen Dienst und haben die Möglichkeit, Artikel, Blogeinträge, Videos oder ganze Sendungen zu markieren. Diese Markierungen, Bookmarks, können öffentlich gemacht werden.

Fazit

So weit nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten des Web 2.0: vielseitig, interessant und zuweilen hilfreich. Aber, die Kehrseite der Medaille ist: Mit der intensiven Nutzung und Bereitstellung von Informationen auf digitalem, wenn auch nicht immer öffentlichem Wege steigt das Gefährdungsrisiko. Eine Studie der Marktbeobachter von Websense zeigt, dass 95 Prozent der Arbeitgeber ihren Mitarbeitern den Zugang zu Web-2.0-Anwendungen ermöglichen, aber lediglich die Hälfte der Befragten tatsächlich in der Lage war, Wikis, YouTube oder Seiten wie Google Documents dem Web 2.0 zuzuordnen. Obwohl 80 Prozent der Befragten meinten, das Unternehmen sei gut gegen Viren und Angriffe von außen geschützt, kontrollierte jedoch nur knapp ein Drittel den Inhalt, den es von Web-2.0-Diensten bezieht, auf Echtheit und technische Sauberkeit. Wer kann schon ohne Weiteres sagen, dass derjenige Paul Müller bei MySpace mit trunkenen Bildern aus seiner Jugend derselbe Paul Müller ist, der im Nachbarbüro sitzt. Gerade bei Fragen des Persönlichkeitsschutzes müssen Konsumenten wie auch Produzenten sehr viel genauer darauf achten, ob der im Internet bereitgestellte Inhalt relevant und korrekt ist. Virtuell fälschen und übel nachreden ist nicht einfacher als in der realen Welt, aber die Leserschaft ist umso größer.

Besonders Web-2.0-Seiten, auf denen die User ihre persönlichen Daten veröffentlichen, bieten ein attraktives Ziel für Internetkriminalität. Es können nicht nur Nutzer, sondern natürliche Personen ausspioniert und dieses Wissen kann später in der ein oder anderen Weise eingesetzt werden. Aufklärung über die einzelnen Möglichkeiten ist der erste Schritt zu einem sicheren Umgang mit den neuen Medien. Sowohl im privaten wie auch im beruflichen Bereich. (TR)

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