Verbändereport AUSGABE 3 / 2005

Fit für die Zukunft: Der Turnaround im WFLV

Ein Bericht aus der unternehmerischen Verbandspraxis

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Die Verbandsgeschäftsstelle im Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband (WFLV) hat sich nach einem Personalwechsel an der hauptberuflichen Spitze grundlegend neu aufgestellt. Der damalige Fußballverband, der sich als mitgliederstärkster Sportfachverband in NRW durch seine Größe und seine Monopolstellung beim Erteilen von Spielberechtigungen definiert, hat sich zum zukunfts- und gemeinwohlorientierten Dienstleistungsunternehmen für Fußball und Leichtathletik entwickelt.

Heraus aus der schweren Krise

Der WFLV steckte seit Jahren in einer hausgemachten Dauerkrise. Einschneidende Maßnahmen waren dringend geboten. Die anhaltende Unzufriedenheit der Mitglieder mit den Leistungen des Dachverbandes war so weit eskaliert, dass ein Handlungsbedarf entstand, dem sich niemand mehr entziehen konnte. Denn die beiden satzungsgemäß zentralen Aufgaben wurden überhaupt nicht bearbeitet, beziehungsweise so schlecht und schleppend erfüllt, dass die Grenze des Zumutbaren für die Mitgliedsvereine überschritten war. Das Verbandspräsidium stand vor folgendem Entscheid:

  • den Dachverband aufzulösen und die wahrgenommenen Aufgaben auf die drei Mitglieder zu verteilen oder
  • eine externe Unternehmensberatung mit der Reorganisation der Verwaltung zu beauftragen oder
  • die in Ruhestand gehende Geschäftsleitung durch einen Geschäftsführer und gleichzeitig Manager zu ersetzen.

Das Präsidium entschied sich für die dritte Alternative, für einen Geschäftsführer mit fundiertem BWL-Hintergrund und eigener Verbandserfahrung.

Klar definierte Ziele geben Orientierung für alle Etappen

Die Neuausrichtung der Verbandsgeschäftsstelle vollzog sich in zwei Etappen. Bereits nach anderthalb Jahren konnte das ehrgeizige Vorhaben der Sanierung des traditionsreichen, aber angeschlagenen Verbandes eine in jeder Beziehung positive Zwischenbilanz ziehen.

Die Verwaltung steigerte — bei unverändertem Personal und ohne zusätzliche Finanzmittel — ihre Effizienz erst sprunghaft und dann beständig weiter. Sie bewältigte ihre zentralen Kernaufgaben im Service für die Vereine unspektakulär, aber höchst wirksam und schnell. Ein deutlicher Rückgang der Beschwerden durch drastisches Verkürzen der Bearbeitungszeiten, Ausweiten der Servicebestandteile sowie Steigern der Dienstleistungsqualität, führte zu hoher Mitgliederzufriedenheit.

Auf dieser soliden Grundlage konnten strategische Überlegungen zu Leistungsabgaben und zukünftigen Geschäftsfeldern, sowie die Ziele zu den Funktionsbereichen, die zu Beginn des Prozesses festgelegt worden waren, Schritt für Schritt verwirklicht werden.

Nicht zuletzt gehörten dazu das persönliche Fördern und Weiterentwickeln der Bereichsverantwortlichen nach den Grundsätzen wirksamer Führung, das laufende Verbessern von Ablauf-, und Aufbauorganisation, die Abstimmung mit dem Vorstand in Entscheidungsprozessen und die fortgesetzte Kontrolle/Beurteilung von Zwischenergebnissen auf dem Weg zur Zielerreichung.

Die Grundzüge des Sanierungskonzeptes im Einzelnen

Das nachfolgend genauer skizzierte Sanierungskonzept kommt aus bewährter Unternehmenspraxis. Es ist weder Fußball- noch Sportspezifisch, sondern lässt sich grundsätzlich auf Verbände in ähnlicher Situation übertragen.

Grundlagenabstimmung mit dem Ehrenamt

Die Verbandsspitze und die neue Geschäftsleitung einigten sich gleich zu Beginn über die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt. Es sollte eine grundsätzliche Abstimmung mit dem Präsidenten über Ziele und Maßnahmen vor Beginn und danach regelmäßige Informationen über den Stand der Umsetzung erfolgen. Die Geschäftsleitung war ermächtigt, alle Maßnahmen in der Verwaltung alleinverantwortlich zu planen, zu organisieren, zu realisieren und zu kontrollieren — ohne Einmischen von Ehrenamtlichen in Management- und Personalfragen. Fachleute aus den ehrenamtlichen Gremien sollten bei Bedarf beratend tätig werden.

Im Ergebnis durfte das Programm keine Beitragserhöhung für Mitglieder nach sich ziehen, keine zusätzlichen Personal- und Sachkosten verursachen, die sich nicht durch Umverteilen von Mitteln der Verwaltung decken ließen.

Analyse der Situation

Individuelle Mitarbeiterbefragungen, Team-Besprechungen und Beobachtungen ergaben ein differenziertes Bild über die Situation in der Verwaltung. Beim Vergleich der satzungsgemäßen Aufgaben mit der tatsächlichen Ressourcenzuteilung in Personal, Zeitaufwand und Sachmittel fielen außergewöhnliche Abweichungen ins Auge.

Drei Beispiele verdeutlichen die greifbaren Verbesserungsreserven:

Beispiel 1:
Ein-Weg-Organisationsstruktur

Aus den Informationsrichtungen, den Kommunikationswegen, den Weisungsbefugnissen und dem Entscheidungsmonopol ließ sich das auf der Folgeseite abgebildete Organigramm herauslesen.

Die Geschäftsleitung war allein und direkt weisungsbefugt für alle Mitarbeiter. Lediglich der Leiter einer Abteilung hatte — in Abstimmung mit den ehrenamtlichen Fachexperten — die Entscheidungsbefugnis in Sachfragen inne.

Aus dem rekonstruierten Organigramm erklärte sich das Phänomen, dass sämtliche Mitarbeiter in Fällen, die nicht durch Anweisungen oder Routinen standardisiert waren, die neue Geschäftsleitung zur Entscheidung und Arbeitsanweisung aufforderte. Eigenverantwortlichkeit für definierte Bereiche gab es weder formal noch tatsächlich. Die Kommunikation untereinander und zwischen Arbeitsbereichen und Abteilungen fand nur in geringem Maße informell statt. Besprechungen und Sitzungen innerhalb der Verwaltung gab es nicht. Der Beitrag der einzelnen Arbeitsleistungen zur Gesamtleistung der Organisation war buchstäblich niemandem ersichtlich.

Beispiel 2:
Verselbständigte und überholte Routinen

Auf die Frage, warum bestimmte gewohnte Verrichtungen getan werden, gab es nicht immer befriedigende Antworten. Ein Nachfassen und Querfragen bei anderen Mitarbeitern führten zu der Erkenntnis, dass der Sinn vieler Tätigkeiten nur noch historisch erklärbar war. Mitunter hatte der zugrunde liegende Anlass gar keine aktuelle Bedeutung mehr. Routinen hatten sich einfach verselbständigt und überholt. Sie nahmen Ressourcen in nicht unerheblichem Umfang in Anspruch und verfestigten Abläufe, die sehr schnell und ohne Aufwand erheblich vereinfacht werden konnten.

Beispiel 3:
Mangelnde Flexibilität in saisonalem Massengeschäft
Aus den Besonderheiten des Fußballspielbetriebes — dem Beginn der Spielzeit immer nach den Sommerferien — ergibt sich folgende Problematik: Ab Juli treffen täglich 1500 bis 3000 Briefe ein, die in der Regel mehrere Anträge auf Spielberechtigung von Fußballspielern für einen bestimmten Verein beinhalten. Gelingt es nicht, den gesamten Posteingang am selben Tag zu bearbeiten, bildet sich ein Rückstand, der in der Zeit bis Spielbeginn kontinuierlich anwächst. Daraus ergibt sich eine fatale Kettenreaktion: Der Verein weiß dann nicht, ab wann der Spieler eingesetzt werden kann. Je länger dieser Zustand der Unsicherheit dauert, umso mehr Anrufe und Beschwerden zum Bearbeitungsstand häufen sich und halten die Sachbearbeiter davon ab, die täglich eingehenden Postkörbe zu bearbeiten. Verliert der Verein die Geduld und setzt den Spieler fälschlicherweise unberechtigt ein, gibt es Punktabzug „am grünen Tisch“. Handelt es sich dabei beispielsweise um einen Regionalligaverein, dann kann ein solcher Punktabzug — im Falle eines Abstiegs in die Oberliga — zu finanziellen Schäden in Millionenhöhe führen. In vielen Fällen wird der Verein den Verband dann auf Schadensersatz verklagen. Endet das Gerichtsurteil positiv für den Verband, was der Regelfall ist, leidet das Image des Verbandes in der Öffentlichkeit erheblich.

Das skizzierte Szenario war seit zwei Jahrzehnten der Regelfall in den Sommermonaten jeden Jahres. Der Bearbeitungsrückstand wuchs im August durchschnittlich auf vier bis sechs Wochen, der erst Ende November vollständig abgebaut war — ein schlichtweg untragbarer Zustand, der nur durch die Monopolstellung des Verbandes als Erteiler der Spielberechtigung irgendwie zu halten war.

Hohe Ziele gesetzt

In Absprache mit der Verbandsspitze wurden folgende Ziele festgelegt:

  • Die Organisation für das Erteilen von Spielberechtigungen (Kernaufgabe 1) soll innerhalb von drei Jahren so aufgebaut sein, dass die Mitgliedsvereine auch in der Hochsaison schnell und fehlerfrei bedient werden.
  • Die Verbandsvertretung gegenüber Politik, Ministerien und Dachverbänden (Lobbyarbeit) soll innerhalb von 3 Legislaturperioden auf das hohe qualitative Niveau der 70-er Jahre zurückgebracht werden (Kernaufgabe 2).
  • Die kontinuierlichen Aufgaben des Verbandes sollen so wahrgenommen werden, dass sie — im Vergleich mit anderen Sportfachverbänden in NRW — in jedem einzelnen Bereich die Spitzenposition in NRW einnehmen soll.

Planung und Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs

Als Sofortmaßnahme wurden alle Tätigkeiten ersatzlos gestrichen, für die es keine stichhaltigen Gründe gab oder die keinem der definierten Ziele zuzuordnen waren. Da die unzureichende Bewältigung der Kernaufgabe 1 die Krise verursacht hatte, bekam das Neustrukturieren dieses Bereiches absoluten zeitlichen Vorrang. Alle anderen Aktivitäten erhielten B-Priorität und wurden in der Ausstattung mit personellen und sachlichen Ressourcen auf das Nötigste beschränkt. Die mittelfristige Zielerreichung gedanklich vorwegnehmend wurde auf der Basis von ausführlichen Besprechungen mit den zukünftigen Bereichsverantwortlichen eine Reorganisation der gesamten Verwaltung vorgelegt, die dann ebenfalls umgehend durchgeführt wurde.

Organigramm nach Reorganisation

Die neue mittlere Managementebene erhielt die notwendigen Weisungs- und Entscheidungskompetenzen. Die Geschäftsleitung fungierte im Team der Bereichsverantwortlichen als Primus inter pares, der durch den Direktkontakt zu Präsidium und externen Interessengruppen mit dem größten Überblick über die Gesamtorganisation ausgestattet, die Prozesse steuerte. Da keiner der Mitarbeiter auf den Job einer Führungskraft vorbereitet war, übernahm die Geschäftsleitung die Funktion des Mentors für jeden einzelnen Mitarbeiter. Durch die interne individuelle Förderung und die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen konnten sich die Führungskräfte schnell die notwendigen Kompetenzen aneignen.

Um die Kernaufgaben neu zu strukturieren, wurde eine Reihe von grundlegenden Veränderungen vorgenommen:

  • Eine weit reichende Gleitzeitregelung löste die festen Arbeitszeiten ab.
  • Die saisonalen Schwankungen wurden durch Mehrarbeit in der Hochsaison und Einsatz von Hilfskräften ausgeglichen,
  • Die Abläufe vom Posteingang bis zum Versand des Passes, auf dem die erteilte Spielberechtigung eingetragen war, wurden unabhängig von herkömmlichen Routinen völlig neu strukturiert.
  • Es wurde eine Info-Hotline und eine Homepage eingerichtet, auf der die meist gestellten Fragen (FAQ-Katalog) standardisiert beantwortet wurden. Vereine erhielten eine kostenlose Online-Zugangsberechtigung, die Einsicht in ihre stets aktuelle Spielerdatei erlaubte.
  • Für schwierigere Beratungsanliegen wurden besondere Sprechzeiten mit hoch qualifiziertem Personal eingerichtet.
  • Die bisherige Entgeltpraxis für Verbands-Dienstleistungen in Form von Kauf verschiedenwertiger „Gebührenmarken“ wurde zugunsten von Bankeinzug mit automatischer rückwirkender Rechnungserstellung aufgegeben.

Die Koordination aller Maßnahmen führte bereits bei der ersten Bewährungsprobe nach einem Jahr zu einem durchschlagenden Erfolg. Ein Antrag auf Spielberechtigung, der morgens in der Hauptpost eingetroffen ist, verlässt in der Regel am selben Tag bearbeitet die WFLV-Verwaltung. Wegen des besonders hohen Aufkommens vor dem Wochenende kann es freitags zu Verzögerungen von einem Tag kommen, die durch Samstagsarbeit aufgefangen werden. Die optimale Bearbeitungszeit und der bessere Service für die Mitgliedsvereine führten auch bei den Mitarbeitern zu erheblichen Vorteilen. Gab es während der „Hochsaison“ durchschnittlich 13 erzwungene Arbeitstage an Samstagen, hat sich die Anzahl der Samstagsarbeit auf ein bis zwei pro Jahr reduziert. Urlaub ist in dieser Zeit in eingeschränktem Maße möglich.

Bewertung und Überprüfung von Zwischenergebnissen

Aus dem gelebten Grundsatz der Geschäftsleitung, sich bei der Bewertung an den Ergebnissen zu orientieren, wurde die Leistungsabgabe der Organisation ständig überprüft. Auch die persönliche Leistung und Kompetenz der Bereichsverantwortlichen wurde in Einzelgesprächen regelmäßig bewertet. Die Führungskräfte sind ihrerseits zu regelmäßigen Beurteilungsgesprächen mit ihren Mitarbeitern angehalten. Das wiederum baut die Kompetenz zur Selbstbeurteilung ständig weiter aus.

Einsatz und Vermittlung professioneller Management-Werkzeuge

Beim Qualifizieren der Bereichsverantwortlichen standen die Grundsätze wirksamer Führung zunächst im Vordergrund. Die Führungskräfte verstanden es vorbildlich und überzeugend, ihre Mitarbeiter für die gemeinsamen Ziele zu begeistern. Durch die Konzentration auf das beispielhafte Verhalten kam es zu spürbaren Verbesserungen. Im Bereich der Arbeitsmethodik führten externe Berater In-House-Schulungen durch. Weitere Seminare zu Themen wie „Besprechungen und Meetings leiten“ sowie zum Umgang mit Informationen sind geplant.

Fazit: Ein unternehmerisch geführter WFLV ist fit für die Zukunft

Mit einer professionellen, hauptberuflichen Geschäftsführung konnte der Verband seine Stärken kontinuierlich ausbauen und sich innerhalb des Sportes, der Politik und der Gesellschaft neu positionieren. Er steht heute für beispielhafte Talentförderung, für höchste Sachkompetenz, für ein bemerkenswertes Qualifizierungskonzept für ehrenamtliche Mitarbeiter und für partnerschaftliches Miteinander in Dachverbänden und Kooperationsprojekten.

Heute bietet der WFLV seinen Mitgliedern eine Reihe von innovativen Dienstleistungen: Das internetfähige Rechenzentrum verwaltet die einheitliche Datenbasis für seine Mitgliedsverbände. Die Homepage arbeitet mit einem Content Management System, das die Mitarbeit externer Redakteure erlaubt. Mit PR-Kampagnen, z.B. zum Thema Toleranz und „respect“, wirkt der Verband aktiv dem Trend eines drohenden Mitgliederrückganges entgegen.

Der WFLV will auch in Zukunft erfolgreich für seine Mitglieder arbeiten. Deshalb sind seine Pläne weiterhin hoch gesteckt.

Stenogramm zum WFLV

Der WFLV ist ein Dachverband für Fußball und Leichtathletik in Nordrhein-Westfalen. Er vertritt über seine vier Mitgliedsverbände hinaus 7200 Vereine mit 1,6 Millionen Mitgliedern. Damit ist er der bei weitem größte Sportfachverband in Nord-rhein-Westfalen und zudem viertgrößter Sportfachverband Deutschlands.

Kerngeschäft ist das Prüfen und Erteilen von rund 180.000 Spielberechtigungen für Fußballspieler pro Jahr. Der WFLV ist die Schnittstelle des Fußballs und der Leichtathletik zu Landessportbund, Deutschen Fußballbund, Landesregierung, Ministerien und Landespolitik und zur NRW-Stiftung Leistungssport. Zur Qualifizierung seiner über Hunderttausend ehrenamtlichen Helfer unterhält der WFLV ein Bildungswerk.

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