Verbändereport AUSGABE 1 / 2004

Interessenvertretung gratis et privatissime

Das „Handbuch des deutschen Lobbyisten“

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Unter dem Titel „Handbuch des deutschen Lobbyisten – wie ein modernes und transparentes Politikmanagement funktioniert“ hat das F.A.Z.-Institut ein praxisorientiertes Lehrbuch für die erfolgreiche Interessenvertretung vorgelegt. Die Autoren Dr. Gunnar Bender und Lutz Reulecke sind erfahrene Interessenvertreter und in großen Unternehmen zuständig für die politische Kommunikation.

Die Kunst der intelligenten Interessenvertretung ist zum Teil eine Sache des Talents, zum überwiegenden Teil aber auch eine Frage des erlernbaren Know-hows. Dieses Know-how zu vermitteln und dem Leser die Lektüre mit zahlreichen Ratschlägen nutzbringender zu machen, ist das Ziel der hier angezeigten Veröffentlichung.

Das Werk gliedert sich in vier Hauptkapitel, die durch einen nützlichen Anhang ergänzt werden, der Organisationspläne, Beschreibungen der Gesetzgebungsprozesse, die Regeln der kleinen und großen Anfragen im Bundestag sowie einen Verhaltenskondex für die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung e.V. enthält. Ein Glossar wichtiger politischer Begriffe rundet den Anhangsteil ab.

Das erste Kapitel befasst sich mit dem Berufsbild des deutschen Lobbyisten, ein Thema, zu dem es relativ wenig Literatur gibt. Das Anforderungsprofil und Selbstverständnis der Interessenvertreter wird differenziert dargestellt anhand der Interessenvertreter in Verbänden, der Lobbyisten in Unternehmen, den Interessenvertretern in Non-Profit-Organisationen, wobei auch das Thema Fundraising angesprochen wird. Ergänzt werden die Ausführungen durch Originalstatements von Akteuren der Interessenvertretung. Das Selbstverständnis eines Lobbyisten im Wirtschaftsverband stellt beispielsweise Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) dar. Ihre zentrale These lautet „Beraten statt blockieren“. Das Selbstverständnis eines Unternehmenslobbyisten stellt Reinhold Kopp, Generalbevollmächtigter und Leiter „Regierungsbeziehungen“ der Volkswagen AG dar. Die besonderen Aspekte eines Lobbyisten im Non-Profit-Sektor erläutert Prälat Dr. Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe.

Die Arbeitstechniken des Lobbyisten werden in Kapitel 2 vorgestellt. Es gliedert sich in die Abschnitte „Identifizierung und analyserelevanter Themen“, die „Identifizierung der Adressaten“, die „unmittelbare und mittelbaren Maßnahmen“, die aus der Analyse abgeleitet werden, sowie in einen Abschnitt, der Fragen der sachgerechten Kommunikation behandelt. Daran schließt sich Kapitel 3 an, das die Arbeitsformen des Lobbyings näher untersucht. Diese werden unter drei Aspekten thematisiert:

  1. Lobbying als Prävention
  2. Lobbying im Spannungsfeld von Aktion und Reaktion
  3. Lobbying bei Krisen.

Auch in diesem Kapitel handelt es sich um außerordentlich praxisgerechte Zusammenstellungen des bisherigen Erfahrungswissens. Wie überhaupt der Wert des Werkes in erster Linie darin besteht, dass bislang an den verschiedensten Stellen verstreutes Wissen in einem Handbuch zusammengetragen worden ist.

Zahlreiche Checklisten fassen wesentliche Erkenntnisse noch einmal zusammen und bieten für die eigene Arbeit Handlungsanleitungen. Aus der Fülle der Checklisten seien hier nur wenige erwähnt:

  1. Checkliste „Maßnahmen Referentenentwurf“
  2. Checkliste „Maßnahmen zur Gegenäußerung des Bundesrats“
  3. Checkliste „Maßnahmen zur Beratung durch die Fraktion“
  4. Checkliste „Maßnahmen Anhörung in den Ausschüssen“

Solche Checklisten werden praktisch zu jeder Phase des Gesetzgebungsvorhabens geboten. Ein eigener Abschnitt ist dem Thema Lobbying in Krisen gewidmet, das ebenfalls durch eine sehr praxistaugliche Checkliste ergänzt wird.

Eingestreut in die Darstellung finden sich auch immer wieder kleine Fallstudien, die die systematische Darstellung anhand von konkreten Beispielen illustrieren. Auch dadurch gewinnt die Darstellung wesentlich an Lebendigkeit und Farbe.

Dem Arbeitsnetzwerk des Lobbyisten ist ein eigenes Kapitel vorbehalten. Knapp und klar wird hier das gesamte Instrumentarium ausgebreitet, wobei man auch einen Begriff aus dem Verbändereport, nämlich das Konsensmanagement, aufgegriffen hat. Auch hier wird die Darstellung wieder mit zahlreichen praxiserprobten Empfehlungen verbunden, aus denen auch der erfahrene Verbandsgeschäftsführer noch Nutzen ziehen kann.

Als Beispiel diene die folgende Empfehlung an Unternehmen, die Mitglieder in Wirtschaftsverbänden sind. Sie zielt auf die Sicherstellung einer guten Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Verbänden.

Ratschläge an Unternehmen für eine gute Zusammenarbeit mit Verbänden

  1. Laden Sie Verbandsmitglieder zu Veranstaltungen Ihres Unternehmens ein.
  2. Stehen Sie den Verbändevertretern mit technischem Sachverstand zur Seite, so dass diese ein besseres Verständnis für die unternehmenstypischen Probleme entwickeln und damit Positionen wirksamer nach außen transportieren können.
  3. Schreiben Sie Entwürfe für Positionspapiere der Verbändevertreter.
  4. Sprechen Sie in den Gremiensitzung bei den Verbänden Themen an, die Sie für wichtig halten. Verbände sind dankbar für solche Vorschläge.
  5. Halten Sie engen fachlichen und persönlichen Kontakt mit den Verbandsmitgliedern über den Einzelfall hinaus. Geben Sie dem Verbandsmitarbeiter nicht das Gefühl ausgenutzt oder instrumentalisiert zu werden.
  6. Versuchen Sie, dafür zu sorgen, dass zumindest die großen Verbände keine Gegenposition zu Ihren Unternehmen vertreten. Neben den Folgen auf der politischen Bühne ist dabei auch das Gewicht dieser Verbände in der Presse zu berücksichtigen.
  7. Entscheiden Sie im Einzelfall, mit welchen Verbänden Sie zusammenarbeiten. Allianzen sollten fallbezogen geschmiedet werden. Manchmal ergeben sich erstaunliche Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Zum Beispiel können Gewerkschaften und Branchenverbände im Einzelfall an einem Strang ziehen. So hat der Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) in der Frage der LKW-Maut mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet. Gerade ungewöhnliche Allianzen überzeugen die Politik und sind auch für die Medien interessant.
  8. Erwecken Sie nie den Eindruck, dass zwischen Ihrem Unternehmen und dem Verband offener Dissens besteht.

Fazit: Das Handbuch des deutschen Lobbyisten ist aufgrund des breiten Themenspektrums, der kompetenten Darstellung aktueller und klassischer Wege der Interessenvertretung und seiner Fülle von überlegten Ratschlägen ein empfehlenswerter Begleiter für den Berufsalltag des erfolgreichen Interessenvertreters.

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