Verbändereport AUSGABE 6 / 1999

Kein Platz mehr für den Karteikasten

Adressmanagement in professionellen Organisationen

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In einer Dienstleistungsgesellschaft sind Adressen eine der wichtigsten Ressourcen. Mit wichtigen Ressourcen sollte man besonnen umgehen. Das betrifft in erster Linie die Auswahl der Software fürs Adressmanagement.

Eigentlich ist alles doch ganz simpel: Man besucht eine Messe, nimmt an einem Kongress teil oder besucht ein Seminar. Man lernt jemanden kennen. Das Gespräch ist angenehm oder vielversprechend – im Idealfall ist er sogar beides. Man möchte den Kontakt halten. Man tauscht die Visitenkarten aus.

Natürlich passiert dies nicht nur einmal, sondern immer wieder: Wer von einer einschlägigen Veranstaltung zurückkommt, hat selten weniger als ein Dutzend Visitenkarten eingesammelt und ausgegeben. Diese Zahl erhöht sich bekanntermaßen dramatisch, wenn eine ganze Organisation auszieht um – zum Beispiel auf einer Messe – Visitenkarten im großen Stil einzusammeln.

Aber bleiben wir erst einmal im kleinen Maßstab: Man ist wieder im Büro und blättert die eingesammelten Visitenkarten durch. Hat man sich im Gespräch notiert, dass man versprochen hat, bestimme Unterlagen an den Gesprächspartner zu schicken oder die Adresse in einen speziellen Verteiler aufzunehmen, wird das sofort in die Wege geleitet.

Was passiert dann? Die Zeiten, in denen man Visitenkarten in einem Schuhkarton oder Karteikasten ablegte und darauf vertraute, man werde sie bei Bedarf schon finden, sind längst vorbei. Wir alle wissen: Adressen sind wichtig und wertvoll. Wer nicht gerade Gurken auf dem Markt verkauft, ist darauf angewiesen die Adressen seiner Kunden, Lieferanten, Partner etc. stets griffbereit zu haben.

Adressen: Wichtigste Ressource der Dienstleistungsgesellschaft

In unserer viel beschworenen Dienstleistungsgesellschaft sind Adressen eine der wichtigsten Ressourcen. Die Dienstleistungsgesellschaft hat nicht nur spezielle Ressourcen, sie hat auch spezielle Werkzeuge: Den Computer und die breite Auswahl an Standardlösungen und Spezialprogrammen, die die Softwareindustrie anbietet.

Kaum eine Standard-Anwendung wurde wohl häufiger programmiert, als Programme zur Adressverwaltung. Daraus folgt logisch, dass es in kaum einer anderen Software-Gattung eine größere Auswahl und eine größere Spannbreite in Qualität und Brauchbarkeit gibt.

Adressprogramme werden kostenlos im Internet angeboten, man findet sie auf den CDs, die die Computerzeitschriften am Kiosk zusätzlich aufblähen, man bekommt sie als Anwendungsbeispiel für Datenbankprogramme kostenlos mitgeliefert – und man kann sie auch kaufen. Wozu aber sollte man Geld für etwas ausgeben, was man ebenso gut kostenlos bekommen kann?

Ganz einfach: In kaum einer anderen Software-Gattung gibt es eine so große Bandbreite unterschiedlicher Leistungsmerkmale.

Wer hier seine Investitionsentscheidung allein mit Rücksicht auf die entstehenden Kosten trifft, gerät leicht in eine gefährliche Sackgasse. Kostenlose – oder extrem preisgünstige – Programme sind vielfach kaum mehr als eine digitale Variante des alten Karteikastens oder des schicken Rolodex-Rondells, das den Manager-Schreibtisch so ungemein putzt – wirklich brauchbar sind sie kaum.

Bleiben wir weiter im kleinen Maßstab: Die Adresse eines Freundes findet natürlich sofort Aufnahme in die Adressverwaltung im heimischen PC. Da wir diesen Freund mutmaßlich auch mal aus dem Büro anrufen, wird sie auch hier eingegeben – oder einfach kopiert. Nun wird der Freund regelmäßiger antelefoniert, also wird seine Nummer auch ins Kurzwahl-Verzeichnis des Telefons einprogrammiert. Und ins Telefonbuch des Handy. Schließlich und endlich sind wir ja auch schon mal unterwegs und brauchen die Nummer unseres Freundes vor Ort: Also kommen Adresse und Telefonnummer auch ins Notizbuch oder den Palmtop.

Statistisches Ergebnis bisher: Dieselbe Adresse ist an fünf verschiedenen Stellen gespeichert. Das dürfte durchaus realistisch sein.

Die Konsequenz: Wechselt unser Freund die Adresse oder nur die Telefonnummer müssen fünf verschiedene Speicher aktualisiert werden. Und das braucht seine Zeit.

30 Prozent aller Adressen veraltet in zwölf Monaten

Was im Privatleben ja noch als harmloses Vergnügen für verregnete Sonntagnachmittage hingehen mag, ist im größeren Maßstab nicht mehr akzeptabel. Nach Auskunft der DeTeMedien GmbH sind circa 30 Prozent der Adressbestände im Telefonbuch nach einem Jahr veraltet. Übertragen wir diese Relation auf die Adressbestände einer Organisation, ergibt das eine beeindruckende Rechnung.

Gehen wir davon aus, dass die Änderung einer Adresse etwa drei Minuten dauert, kommen übers Jahr gerechnet 900 Minuten zusammen, um einen Adressbestand von nur 1000 Adressen zu pflegen: 15 Stunden. Muss jede Adresse dagegen an fünf verschiedenen Stellen aktualisiert werden, kommen wir auf 75 Stunden. Die Zeit, die dabei verstreicht, die unterschiedlichen Speicherorte aufzufinden, sei hier mal gnädig außer Acht gelassen.

Nicht außer Acht lassen sollten wir allerdings den Umstand, dass sich beim Zusammensuchen verstreuter und redundanter Adressbestände natürlich auch die Fehlerwahrscheinlichkeit vervielfacht. Damit haben wir nun den kleinen Maßstab endgültig verlassen. In einer großen und professionell arbeitenden Organisation geht es nicht allein darum, Adressen irgendwo zu speichern und mit möglichst wenig Aufwand auf dem neuesten Stand zu halten.

Und eine Adresse ist erheblich mehr als nur Name Anschrift und Telefonnummer eines Kunden oder Partners. Klassische Standardlösungen der Adressverwaltung vernachlässigen diesen Aspekt. Ihnen geht es in aller Regel nur darum, die eingegebenen Adressen postalisch korrekt aufzunehmen und später schnell die richtige herauszufinden.

Im professionellen Einsatz zeigt eine Adresse noch ganz andere Qualitäten und eine Adressverwaltung sollte diesen Qualitäten Rechnung tragen: Die Partner, mit denen wir zusammenarbeiten, sind Mitglieder in einer Organisation oder Mitarbeiter in einem Unternehmen. Die Struktur der Organisationen und Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, ist oft genug ebenso wichtig wie die Anschrift oder Durchwahl des Mitarbeiters.

Geschäftsprozesse, wie sie heute ablaufen, sind eng mit der Struktur der Informationstechnologie der Organisation verbunden. Sie werden von den IT-Strukturen unterstützt, teilweise haben sich diesen Strukturen sogar angepasst. In diesen komplexen Strukturen können einzelne Prozesse, die nicht optimal ablaufen, das gesamte System stören. Die optimale Integration einzelner Geschäftsprozesse dagegen kann den Erfolg und die Zukunft des gesamten Unternehmens sichern.

Eine Adressverwaltung, die sich noch immer aus dem klassischen Karteikastenprinzip ableitet, hat in solch komplexen Systemen nichts zu suchen. Gefragt ist vielmehr ein Adressmanagement, das als eine grundlegende Komponente nahtlos in das Informations-Management-System der Organisation integriert ist.

Nahtlose Integration

Dabei ist diese Integration ganz wörtlich zu verstehen: Ein Adressmanagement, das technologisch auf dem Stand-alone-Prinzip aufbaut, findet in einem Informations-Management-System keinen Platz. Die Adressdaten müssen zentral gehalten und gepflegt werden und müssen allen Mitarbeitern der Organisation zur Verfügung stehen. Damit gehören unterschiedliche Datenformate und aufwendiger Import und Export beim permanenten Abgleich mit externen und semi-externen Datenbeständen der Vergangenheit an. Schließlich verhindert die zentrale Datenhaltung auch, dass unterschiedliche Mitarbeiter Adressen unterschiedlich eingeben.

Wenn jede Adresse nur einmal im System vorhanden ist, stehen allen Mitarbeitern der Organisation derselbe Informationsgehalt einer Adresse zur Verfügung. Bei zentraler Datenhaltung können die Adressbestände nicht nur zentral sondern auch dezentral gepflegt werden: Erfährt also ein Mitarbeiter von einer Änderung der Telefonnummer, gibt er diese direkt ein und das gesamte System ist wieder up to date.

Nicht zu vergessen die Möglichkeiten, die ein sauber integriertes Adressmanagement bietet, wenn es darum geht Ressourcen und Techniken zu integrieren, die nicht im engeren Sinne zur Datenverarbeitung gehören: Telefonanlagen, Zugangs- und Zeiterfassungssysteme etc.

Die Checkliste

Verlassen wir hier die theoretischen Überlegungen, was ein Adressmanagement können sollte und sehen uns lieber die praktische Seite an.

Gerade in einem Verband, dessen wesentliche Tätigkeit nun mal darin besteht, Informationen zwischen verschiedenen Menschen zu vermitteln, ist die Auswahl des richtigen Adressmanagement-Systems für die Funktionsfähigkeit der gesamten Organisation essentiell.

Folgende Punkte sollten bei der Auswahl eines Adressmanagement-Systems berücksichtigt werden:

  • Eine Anschrift – viele Menschen
    In Unternehmen Verwaltungen und Verbänden arbeiten viele Menschen. Ein Adressmanagement-System sollte in der Lage sein, diesem Umstand Rechnung zu tragen. So muss dann z.B. nicht bei jedem neuen Ansprechpartner die komplette Firmenanschrift neu eingegeben werden. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, wenn das System die Organisationsstruktur erkennt und ggf. grafisch abbilden kann.
  • Ein Mensch – viele Anschriften
    Menschen gehen oft unterschiedlichen Tätigkeiten und Nebentätigkeiten nach oder haben unterschiedliche Funktionen – erst recht, wenn sie in Vereinen und Verbänden aktiv sind. Zu diesen unterschiedlichen Aktivitäten und Funktionen gehören oft unterschiedliche Anschriften. Auch damit muss eine Adressverwaltung fertig werden, ohne gleich eine Vielzahl verschiedener Menschen gleichen Namens anzunehmen.
  • Unterschiedliche Anreden
    Eng mit dem eben erwähnten Punkt ist eine andere Besonderheit verbunden, die im Adressmanagement berücksichtigt werden soll: Zu den unterschiedlichen Aktivitäten gehören vielfach auch unterschiedliche Titel – und man will ja nicht unhöflich sein.
  • Immer erreichbar
    Es ist lange her, dass pro Person nur eine Adresse und eine Telefonnummer erfasst wurde. Eine professionelle Adressverwaltung beachtet auch Faxnummern, das Handy, die E-Mail-Adresse und so fort.
  • Hintergrundinformationen
    Nicht nur wichtig bei Vereinen und Verbänden: Menschen haben Geschichten. Die relevanten Teile der Geschichten sollten auch in der Adressverwaltung ihren Niederschlag finden; z.B. die Mitgliedschaft in Vereinen und verbänden, die Dauer der Zugehörigkeit, Ehrungen und so fort.
  • Flexible Suche
    Eine Adressverwaltung soll Adressen nicht nur verwalten, sondern auch rausrücken. Also muss sie dem Anwender ermöglichen, Informationen per Freitextsuche oder in Kombination verschiedener Felder herauszusuchen.
  • Export
    Das Ergebnis der Suche sollte natürlich auch nutzbar sein. Also muss das Adressmanagement die Suchergebnisse auch an andere Prozesse (z.B. Etikettendruck oder Serienbriefe) weitergeben können.
  • Optimale Verteiler
    Sind die gewünschten Adressdaten erst einmal gefunden, muss das Adressmanagement auch dafür sorgen können, dass diese Adressen weiter optimal genutzt werden: Dazu gehört die Bildung spezieller Verteiler, die Portooptimierung für Infopost, und die intelligente Koordinierung verschiedener Versandwege wie E-Mail oder Fax.
  • Alles unter einem Dach
    Um den Anwendern die Arbeit mit dem Adressmanagement nicht unnötig zu erschweren, sollte das System den üblichen Gepflogenheiten der innerhalb der Organisation eingesetzten Software (z.B. Windows-Standard) konform gehen und sich auch in andere Anwendungen (Textverarbeitung, E-Mailsystem, Datenbanken etc.) integrieren lassen.
  • Wer darf was?
    Schließlich sollte das Adressmanagement auch seine Anwender verwalten und die Möglichkeit bieten, unterschiedliche Zugriffsberechtigungen (etwa für die Abfrage spezieller Datensätze, die externe Einwahl in das System oder die externe Datenpflege) zu vergeben

Verbändedilemma EDV

Aufrüstung in EDV hält mit Bedienerkenntnissen nicht Schritt

Wenn man den EDV-Anbietern glauben kann, haben die Verbände in den vergangenen Jahren elektronisch aufgerüstet und insoweit beträchtlich gegenüber Verwaltung und Wirtschaft aufgeholt. Allerdings haben offenbar die Bedienerkenntnisse mit dieser Aufrüstung in Soft- und Hardware nicht Schritt gehalten. Wo man sich auch umhört, wird darüber geklagt, dass kaum einer die vollen Möglichkeiten von Power Point, Excel und Access zu nutzen weiß. Nachschulung der Mitarbeiter tut also not. Verbände, die hier sparen, knausern am falschen Ort.

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