Meinungsverschiedenheiten und Konflikte sind allgegenwärtig. Nach Verbandsfusionen herr-schen Unklarheiten über die Aufgabenverteilung, Mitarbeiter sind mit der Art der Führung durch ihren Vorgesetzten nicht einverstanden. Professionelle Mediation kann helfen, Konflikte zu beseitigen.
Können sich Streitbeteiligte nicht selbst auf eine Lösung einigen, wird oft ein Dritter eingeschaltet. Ein Vorgesetzter oder ein Richter. Dabei besteht die Gefahr, dass zwar ein Sachproblem gelöst wird, die menschlichen Beziehungen jedoch nicht ausreichend beachtet werden. Meist enden Entscheidungen dieser Art auch mit einem Gewinner und einem Verlierer, was die längerfristige Zusammenarbeit erschwert.
Einen anderen Weg geht die Mediation. Der Mediator unterstützt die Streitenden als neutraler Dritter bei der Lösungsfindung, trifft jedoch selbst keine abschließende Entscheidung. Dieser Vorgehensweise liegt die Idee zugrunde, dass die Konfliktbeteiligten selbst die Experten für ihr Problem sind. Sie benötigen also keinen Dritten, der ihnen eine Lösung vorschreibt, sondern brauchen lediglich Unterstützung auf dem Weg dorthin. Fachsprachlich ausgedrückt: Der Mediator strukturiert den Prozess, während die Parteien weiterhin für die eigentliche Lösung des Problems verantwortlich sind.
Dabei wird zumeist auf Regeln zurückgegriffen, wie sie im Verhandlungsmodell der Universität Harvard — dem sogenannten Harvard-Konzept — entwickelt worden sind. Wichtig ist dabei zum Beispiel die getrennte Behandlung von Sach- und Beziehungsebene: Auch wenn man in der Sache hart verhandelt, geht man respektvoll miteinander um.
Entwickeln und Vermehren von Lösungsoptionen
Eine weitere essenzielle Strategie ist das Entwickeln und Vermehren von Lösungsoptionen. In einem Streit über den Führungsanspruch zweier Projektverantwortlicher kann es zielführender sein, nach genauer Prüfung der Projektstruktur die Verantwortung aufzuteilen, als zugunsten eines Beteiligten zu entscheiden. In der Praxis läuft eine Mediation dann wie folgt ab: Haben sich die Beteiligten auf die Durchführung einer Mediation und einen bestimmten Mediator geeinigt, findet eine erste Sitzung statt. In dieser Sitzung wird der Mediator die Parteien mit den Grundregeln des Verfahrens vertraut machen.
In einem zweiten Schritt werden die zu bearbeitenden Themen gesammelt; stehen diese fest, werden Lösungsoptionen entwickelt. Hier ist eine der Kernkompetenzen des Mediators gefordert: die Entschleunigung des Prozesses. Im Wege des Brainstormings werden zunächst bewertungsfrei Vorschläge zur Lösung des Konflikts zusammengetragen. Je nach Komplexität des zugrunde liegenden Sachverhalts werden diese Lösungsvorschläge dann umfassend überprüft: Berücksichtigt der Vorschlag die Interessen aller beteiligten Konfliktparteien? Innerhalb welchen Zeitraums lässt sich die Lösung realistisch umsetzen? Ist der vorgeschlagene Weg rechtlich möglich? Muss die Zustimmung eines Vorgesetzten oder einer Behörde eingeholt werden?
Erst nach gründlicher Überprüfung eines Vorschlags wird dieser protokolliert und wenn nötig mit einem Zeitplan zur konkreten Umsetzung versehen. So ist gewährleistet, dass die ausgewählte Lösung tatsächlich umsetzbar ist und zu einer dauerhaften Befriedung des Konflikts führt.
Diese Vorgehensweise bietet verschiedene Vorteile. Nachhaltigkeit: Die gemeinsam gefundene Lösung stößt bei allen Beteiligten auf große Akzeptanz. Insbesondere bei Fusionen von Verbänden oder Abteilungen, die im Wege des Changemanagements neu strukturiert werden müssen, versprechen eigenständig erarbeitete Lösungen stabilere Arbeitssituationen, als es oktroyierte Anweisungen können.
Teambildung: Die Mediation ist nicht nur ein Verfahren zum professionellen Konfliktmanagement, sie fördert gleichzeitig eine Haltungsänderung im Umgang mit Meinungsverschiedenheiten. Die Konfliktlösungskompetenz der Beteiligten wird durch die Teilnahme an einer Mediation gestärkt, sodass häufig zukünftige Schwierigkeiten ohne Hilfe eines Mediators gelöst werden können. Die Eigenverantwortlichkeit jedes Teammitglieds wird gesteigert. Bei Streitigkeiten, die andernfalls vor Gericht entschieden werden müssten, überwiegen die Vorteile der Mediation noch deutlicher.
Verfahrensdauer: Selbst bei einfacheren Verfahren muss für einen ersten Termin vor dem Gericht meist mit drei oder mehr Monaten Wartezeit gerechnet werden. Eine Mediation lässt sich üblicherweise innerhalb von 14 Tagen anbahnen. Auch die Dauer der Mediation ist im Vergleich zum Gerichtsverfahren kürzer. Je nach Komplexität und Eskalation eines Konflikts sind viele Streitigkeiten nach spätestens sechs Sitzungen zur gegenseitigen Zufriedenheit gelöst.
Vertraulichkeit der Entscheidung: Gerichte entscheiden öffentlich. Klagt der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber oder streiten Firmen miteinander über die Verantwortlichkeit für Fehler im Rahmen eines Bauprojekts, so werden diese Konflikte vor Gericht in aller Öffentlichkeit verhandelt. Haben die Beteiligten ein Interesse an der Vertraulichkeit des Verfahrens, so lässt sich dieses im Rahmen der Mediation gut verwirklichen, da diese außerhalb der Öffentlichkeit durchgeführt wird.
Die internationale Wirtschaft hat längst den Wert außergerichtlicher Vermittlung durch Mediation erkannt: So berichtete Richard Wolf, Vice President der Cendant Corporation, zu der Franchise-Marken wie Ramada-Hotels oder Avis-Autovermietung gehören, dass sein Unternehmen 95 Prozent der Vertragsstreitigkeiten über Mediation abwickeln lässt.
Ausbildung der Mediatoren professionalisiert
Parallel zu dieser Entwicklung ist auch die Ausbildung der Mediatoren professionalisiert worden. Seit 1999 bietet die FernUniversität Hagen ein zweisemestriges Studium Mediation an, welches seit 2004 optional mit einem 3. Semester zu einem Master ausgebaut werden kann. Das interdisziplinäre Studium ist eine Maßnahme der akademischen Weiterbildung und richtet sich insbesondere an Verantwortliche in Wirtschaft oder Verwaltung, deren Arbeit Leitungs- oder Teamverantwortung beinhaltet (siehe Kasten).
Weitere Infos
www.fernuni-hagen.de/OERV/mediation
www.zeugma.de
Auslobung Mediationsstipendium 2008
In diesem Zusammenhang sei auf das Stipendium hingewiesen, welches vom Contarini Institut der FernUniversität Hagen in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Mediation in diesem Jahr zum zweiten Mal ausgelobt wird.
Förderungswürdig sind Projekte, die geeignet sind, eine breite Öffentlichkeit über den Gedanken der Mediation aufzuklären. Das Stipendium umfasst die Kosten des zweisemestrigen Fernstudiums der Mediation an der FernUniversität. Über die eingegangenen Bewerbungen entscheidet eine Jury, in der unter anderem I. H. Dr. Gabriele Inaara Begum Aga Khan, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sowie FDP-Partei- und Fraktionschef Dr. Guido Westerwelle vertreten sind. Der Bewerbungsschluss für das Stipendium 2008 ist am 30. Mai 2008.
Die genauen Bedingungen der Ausschreibung sowie Informationen zu dem Studienangebot Mediation sind online verfügbar unter
www.fernuni-hagen.de/mediation/index.html oder können per E-Mail (contarini@fernuni-hagen.de) angefordert werden.