Verbändereport AUSGABE 5 / 2009

Mitarbeiterprofil Verbandsarbeit

Welche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter braucht ein Verband? – Ein Praxisbericht

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Gleich ob Referentin mit Hochschulabschluss, Sachbearbeiter in einem bestimmten Gebiet, Assistent, Sekretär, Buchhalterin oder Mitarbeiter in der Telefonzentrale – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Verbänden müssen ein spezifisches Anforderungsprofil erfüllen, das sich nicht unwesentlich von den Anforderungen an vergleichbare Aufgaben in Unternehmen oder Verwaltung unterscheidet.

Nehmen wir einmal an: Sie sind Landtagsabgeordneter und möchten zu einem aktuellen Sachthema Hintergründe von einem in diesem Gebiet aktiven Lobby-Verband erfahren. Sie schicken eine Mail an diesen Verband und erhalten gleich am nächsten Tag einen Telefonanruf einer freundlichen und kompetenten Referentin, die Ihnen am Telefon eine kurze Vorabinformation gibt und weitere Unterlagen per E-Mail ankündigt, die dann auch tatsächlich noch am gleichen Tag eintreffen. Außerdem bietet Ihnen die Referentin einen persönlichen Termin mit dem Hauptgeschäftsführer an und fragt ausdrücklich nach, welche weiteren Informationen und welche Unterstützung der Verband Ihnen noch bieten könnte. Zufrieden und gut informiert gehen Sie in die zwei Wochen später stattfindende Sitzung des entsprechenden Arbeitsausschusses und setzen mit den Ihnen nun zur Verfügung stehenden Argumenten tatsächlich einen Gesetzesentwurf Ihrer Partei durch. Da ist die Kommunikation zwischen politischem Interessenvertreter und Lobbyisten gut gelaufen — wunderbar! Aber auch das kommt vor: Ein Mitglied Ihres Verbandes ruft in der Geschäftsstelle an, möchte in einer Rechtsfrage beraten werden und erfährt: „Dafür bin ich nicht zuständig — das macht mein Kollege — ich weiß aber nicht, wann er zu erreichen ist …“ Chance zur Mitgliederbindung verpasst — schade! Auch das kennen Sie: Sie sind Geschäftsführer und möchten mit dem Geschäftsführer-Kollegen eines fachverwandten Verbandes sprechen, wählen die Telefonnummer der Zentrale, und Sie hören: „Der ist nicht da!“ Keine Nachfrage nach Ihrem Anliegen, keine Nachfrage „Worum geht es?“, kein Angebot „Kann er sich bei Ihnen melden, wann würde es Ihnen passen?“ — erst als Sie ausdrücklich Gesprächsbedarf anmelden, sich vorstellen und von sich aus Ihr Anliegen benennen, kommt die Kommunikation in Gang, der Mitarbeiter bietet Ihnen einen Telefontermin an und notiert Ihr Anliegen zur Weitergabe.

Proaktive Kommunikation scheint hier nicht bekannt zu sein und gepflegt zu werden — Ergebnis: ein irritierter Gesprächspartner und ein verwirrter Mitarbeiter — keine gute Voraussetzung für eine erfolgreiche Kontaktpflege!

Typische Merkmale von Verbands­arbeit

Dies sind sicherlich nur Beispiele, die nicht unbedingt etwas darüber aussagen, ob ein Verband insgesamt gut aufgestellt ist und erfolgreich arbeitet. Dennoch sind sie auch symptomatisch und weisen auf ein wichtiges Merkmal der Arbeit in Verbänden hin: Verbandsarbeit ist ganz wesentlich „Beziehungsarbeit“ und Kontaktpflege. Die Beispiele aus dem Bereich Service sind auch deshalb besonders aufschlussreich, weil sie kein rein „internes“ Phänomen, sondern auch von außen wahrnehmbar sind — es geht um Kunden-/Mitglieder-Beziehungen, um Lobby-Beziehungen und um Netzwerk-Beziehungen. Dieser Aspekt muss auf jeden Fall im „Mitarbeiterprofil Verbandsarbeit“ berücksichtigt werden. Erforderlich sind Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsinteresse sowie Kontaktfreude als Grundlage jedes Stellenprofils in Verbänden! Der „Lebenszweck“ von Verbänden ist eben — im Gegensatz zu Wirtschaftsunternehmen — nicht das Herstellen von Produkten, sondern die Interessenvertretung, die Lobbyarbeit und die Orientierung an den Interessen der Mitglieder, ist also eher im Bereich der Dienstleistungen angesiedelt und macht daher die Betonung von dienstleistungsfördernden Qualifikationen notwendig. Insofern sind Verbände-Kompetenzen vergleichbar mit den Anforderungen in KMU im Dienstleistungssektor. Sicherlich sind gerade die Dienstleistungen gegenüber den Mitgliedern (der „Nutzen-Aspekt“), die ja in den letzten Jahren zunehmend in den Fokus der Existenzberechtigung von Verbänden überhaupt geraten sind, auch als „Produktpalette“ wahrnehmbar, dennoch steht der Aspekt Dienstleistungsorientierung im Vordergrund. Durch die besondere, intensive Art der „Kundenbeziehungen“, nämlich den Schwerpunkt der Mitgliederbetreuung, -pflege und -bindung, unterscheiden sich Verbände wesentlich von Wirtschaftsunternehmen oder Verwaltungen. Empathie, das Hineinversetzen in Mitglieder und ihre Befindlichkeit, „annehmen“ statt „abwehren“, muss als integraler Bestandteil der Arbeit begriffen werden, nicht als etwas, das man „zusätzlich“ oder „nebenher“ tut. Verbandsgeschäftsstellen begreifen sich zunehmend als „mitdenkender Dienstleister“, also als Dialogpartner im Beziehungsgeflecht des Verbandes.

Dienstleistung in einem besonderen Feld

Zugegeben: Der Begriff „Dienstleistungsmentalität“ mit dem dahinterstehenden Konzept ist ursprünglich aus dem Unternehmensbereich in Verwaltung und Verbändeszene hineingewachsen. Bei Verbänden handelt es sich aber um eine Dienstleistung in einem besonderen Feld: Ein Teil der Leistungen (man denke nur an Rechtsberatung, Mitglieder-Newsletter o. Ä.) erfolgt zwar gegen Gebühren o. Ä. oder steht in einem mehr oder weniger direkten Austauschverhältnis zum Mitgliedsbeitrag (von den sich hier stellenden vereinsrechtlichen Fragen einmal abgesehen), ein anderer Teil wird aber eher indirekt und schwer messbar erbracht (Lobby-Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit). Bei Letzterem ist wiederum auf Mitarbeiter-Seite eine Fähigkeit zur Vermittlung und Darstellung von Erreichtem und Erfolgen erforderlich, mit einem Abstraktionsvermögen, das über den „Verkauf“ von konkreten Leistungen hinausreicht. Darüber hinaus erfordert diese Arbeit eine gute Eigenmotivation und relativ große Frustrationstoleranz angesichts von oft erst mittel- oder langfristig wahrnehmbaren Erfolgen der eigenen Arbeit. Typisch für die Verbandsarbeit ist — im Vergleich mit dem industriellen Umfeld — auch die stärkere Orientierung am „Gutgemeinten“, das heißt an Emotionalität neben einer am Druck der Bilanz orientierten Rationalität.

Der alltägliche Spagat

Zudem wird die Leistung oft unter schwierigen Bedingungen erbracht. Mitarbeiter in Verbänden kennen den alltäglichen Spagat zwischen der bundes- oder landesweit aufgestellten Organisation und der meist nicht allzu großen Geschäftsstelle, zu dem sich als dritter Faktor noch die Gruppe der (oft im ganzen Bundesgebiet ansässigen) ehrenamtlichen Funktionsträger gesellt — von den mittlerweile immer wichtiger werdenden Bezügen nach Brüssel und Europa insgesamt ganz zu schweigen. Es gibt also i. d. R. nicht einen Ort, an dem sich das Verbandsgeschäft abspielt, sondern viele Orte im Beziehungsnetz. Dieser Tatsache muss auch im Anforderungsprofil an Mitarbeiter Rechnung getragen werden. Hinzu kommt die Vielfältigkeit der Ansprüche, die von verschiedenen Gruppen an den Verband und damit die Geschäftsstelle herangetragen werden.

Kommunikation ist zwar innerhalb der Geschäftsstelle selbst direkt, also persönlich, möglich, aber zu einem guten Teil auch „entpersönlicht“: Sie findet über weite Strecken per Telefon, schriftlich (per Brief, Fax, E-Mail) und nur sporadisch auch direkt statt (bei Sitzungen, Veranstaltungen etc.). Das erhöht sowohl den Bedarf an (eindeutigen, nachvollziehbaren) Absprachen und Beschlüssen als auch die Notwendigkeit zu deren Dokumentation als wesentlicher Voraussetzung für Informationsfluss und transparente innerverbandliche Informationspolitik. Dies gilt sowohl für die Kommunikation zwischen Geschäftsstelle und Mitgliedern als auch zwischen den (ehrenamtlichen) Funktionsträgern untereinander sowie zwischen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Entscheidend für ein Mitarbeiterprofil Verbandsarbeit ist in diesem Zusammenhang auch eine Prozessorientierung statt reiner Ergebnisorientierung. Mitarbeiter sollten in der Lage sein, über das eigene Feld hinauszusehen und den Gesamtprozess im Blick zu haben; das bedeutet auch, dass sie den Informationsfluss beachten und Verantwortung übernehmen, das heißt eigenständig klären, wer jeweils „zuständig“ oder verantwortlich ist. Klare Regeln zur Dokumentation und ein Wissensmanagement sind im Übrigen auch deshalb wichtig, weil Verbände wie kaum eine andere Organisation den Faktor Fluktuation berücksichtigen müssen: Durch die fehlende langfristige (vertragliche) Bindung im ehrenamtlichen Bereich ist ein nachhaltiges Informationsmanagement erforderlich, das die Weitergabe von (Führungs-)Wissen gerade bei Wechseln von Vorständen oder Nachfolge von Geschäftsführern garantiert.

Gefragt ist also die Fähigkeit, sich indirekter Kommunikationsmedien angemessen zu bedienen und sie situativ einsetzen zu können, das heißt zum einen Telefon- und Internetkompetenz als solche, zum anderen auch, je nach Situation zwischen den verschiedenen Kommunikationsformen auszuwählen (ein strittiges Thema ist eher am Telefon als durch einen E-Mail-Verkehr zu lösen, der stärkere Eskalationstendenzen hat). Letzteres verweist auf die große Bedeutung von sozialer Kompetenz als Profilanforderung in einem weitgehend „virtuellen“ Verbandsleben. Ergänzend spielt natürlich die Fähigkeit zu stringenter Arbeit und systematischer Arbeitsweise eine große Rolle, mit der sich das vielfältige Beziehungsnetz mit seinen zahlreichen Themen organisieren und priorisieren lässt. Zunehmend rücken auch die modernen Kommunikationsformen wie Telefonkonferenz oder Webkonferenz in den Vordergrund, die Kompetenzen zu Moderation oder Mediation erfordern, wobei diese Kompetenzen andere Schwerpunkte als in der traditionellen Sitzungsleitung setzen müssen.

„Weiche“ Kompetenzen und „harte“ Faktoren

Fasst man vorläufig zusammen, so zeigt sich, dass die typische Interessen- und Problemlage von Verbänden sehr viele sogenannte weiche Kompetenzen erfordert, als Gegenpol zu den harten Faktoren wie Ergebnisorientierung, Zeit- oder Projektmanagement. Sicherlich sind auf jeden Fall gute Fach- und Sachkenntnisse als unerlässliche Basis und Grundvoraussetzung gefragt; auf diese und auf die Gewichtung zwischen harten und weichen Kompetenzen wird im Folgenden anhand der konkreten Anforderungen an Verbandsmitarbeiter einzugehen sein. Es bleibt festzuhalten, dass Verbände spezifische Soft Skills brauchen, deren Pflege und Aneignung immer Teil einer guten Personalentwicklung sein sollen. In der Folge sind Verbände auch in den Bereichen, in denen sie Schulungen, Weiterbildung und Beratung zur Mitarbeiterqualifikation oder Personalsuche in Anspruch nehmen, gut beraten, vom externen Anbieter oder Berater eine Qualifikation und Erfahrung mit verbandstypischen Merkmalen zu verlangen, auf die Unternehmensberatungen aus dem eher wirtschaftlich orientierten Bereich oft weniger in der Lage sind einzugehen.

Konkrete Anforderungen an Mitarbeiter in Verbänden

Geschäftsführern, die sich mit den Voraussetzungen, Qualifikationsanforderungen und Qualitätsansprüchen an Mitarbeiter in Verbänden beschäftigen, stellen sich viele Fragen: Welche Qualifikationen müssen Mitarbeiter in Verbandsgeschäftsstellen unabdingbar mitbringen? Welche Zusatzqualifikationen müssen sie erwerben? Und wofür braucht es eine eigene Schulung, was kann „Training on the Job“ sein? Die Antworten auf diese Fragen werden sicherlich je nach Branche des Verbandes und nach Position des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin verschieden ausfallen. Für einen Verband, der Handwerksbetriebe organisiert, wird bei Mitarbeitern, speziell auf Referenten- oder Abteilungsleiter-Ebene, sicherlich auf jeden Fall Branchen-Sachverstand nötig sein; für Geschäftsführer und Führungskräfte sind wieder besondere Qualifikationen Voraussetzung. Dennoch lassen sich über Branchen und Hierarchien hinweg bestimmte Eigenschaften identifizieren, die für die Arbeit in Verbänden besonders nützlich sind. Ein erster Versuch einer Beschreibung wurde hier mit den wesentlichen „weichen“ Kompetenzen gemacht.

Bricht man diese allgemeinen Anforderungen weiter herunter, lassen sich durchaus einzelne Kompetenzen identifizieren, die das Mitarbeiterprofil ausmachen. Der Versuch einer Listung und Priorisierung — auf der Basis von Aussagen von Geschäftsführern — zeigt folgendes Ergebnis (siehe Tabelle „Priorität der Kompetenzen“ auf Seite 9).

Führung durch Dienstleistung

Zu betonen ist, dass das Selbstverständnis und das Rollenverständnis der Geschäftsführung großen Einfluss auf die an die Mitarbeiter formulierten Anforderungen haben. Gerade in kleineren und mittleren Geschäftsstellen, die in der Verbandswelt die Regel sind (ein Durchschnitt von fünf Mitarbeitern!), sind die Arbeitsbeziehungen zwischen Geschäftsführern und Mitarbeitern notwendigerweise eng und vielfältig, deshalb hat das Modell, die Art und Weise der Geschäftsführung, Vorbildcharakter auch für die Ausgestaltung des Arbeitsplatzes für die Mitarbeiter. Geschäftsführer können, und das geschieht nach Aussage vieler Geschäftsführer auch sehr gezielt und reflektiert, durch das eigene gelebte Vorbild und durch den bewussten Einsatz von mitarbeiterorientierten Managementmethoden aktiv ein verbandsgeeignetes Mitarbeiterprofil befördern. Das Stichwort „Führung durch Dienstleistung“ gilt gleichermaßen für die Geschäftsführung wie für die Geschäftsstelle insgesamt.

Fördermaßnahmen

Damit ist bereits eine sehr wichtige Komponente für die Ausbildung eines guten Mitarbeiterprofils identifiziert: die persönliche und intensive Einarbeitung/Betreuung am Arbeitsplatz durch den/-die Geschäftsführer/-in selbst, durch andere Führungskräfte oder auch Kollegen. Mancher Geschäftsführer wird dies vielleicht als eher lästige Pflicht sehen, die sich erzwungenermaßen aus einer knapp besetzten Geschäftsstelle ergibt, die positive Wirkung eines solchen „Mentoren“-Verhältnisses mit seiner wertschätzenden Haltung ist aber nicht zu unterschätzen und macht sich durch die folgende größere Selbstständigkeit und Arbeitsmotivation in jedem Fall bezahlt. Zu empfehlen ist hier ein Einarbeitungs-/Betreuungsprogramm mit eingebauter Kontrollfunktion, die für beide Seiten den Fortschritt in Richtung auf ein gutes Mitarbeiterprofil messbar macht. Ein solches „Training on the Job“ wird durch weitere Fördermaßnahmen ergänzt: durch Inhouse-Schulungen mit Praxisanteil am Arbeitsplatz, aber auch durch spezifische externe Weiterbildungen zur Arbeit in Verbänden, die einerseits fachliches Wissen vermitteln, andererseits aber auch auf die „weichen“ Kompetenzen in besonderer Weise eingehen sollten. Das Angebot an fachlichen Themen ist auf dem Weiterbildungsmarkt für Verbände relativ gut etabliert; zu wünschen wäre das auch für ein Angebot „Mitarbeiterprofil Verbandsarbeit“ mit den hier aufgezeigten nicht fachgebundenen Kompetenzen: Zwar stellt sich hier auch die Kostenfrage, Geschäftsführer sind — auch gegenüber ihren Vorständen — immer wieder einmal im Rechtfertigungsdruck; gerade Geschäftsführer sind aber eigentlich offen für das Thema, weil sie — anders als die nicht unmittelbar betroffenen Ehrenamtlichen — im Alltag des Verbandsgeschäfts sehr deutlich die negativen Auswirkungen von mangelnder verbandstypischer Qualifikation spüren. Die Kosten-Nutzen-Frage sollte sich deshalb mit dem Argument beantworten, dass weiche Faktoren im Kompetenzsektor durchaus zum Arbeitserfolg beitragen, Reibungsverluste minimieren, den Boden für effektive fachliche Arbeit bereiten und damit Kosten sparen helfen. Für mittlere und größere Verbände bietet sich die Inhouse-Schulung an, bei der auch ein Multiplikatoren-System etabliert werden kann: Zu Beginn ggf. unter Zuhilfenahme externer Unterstützung, werden interne Experten (aus dem haupt- und ehrenamtlichen Bereich) mit ihrem Spezialwissen eingebunden und für die Spezifika des jeweiligen Mitarbeiterprofils sensibilisiert; in der Folge dann „verselbstständigt“ sich das System zunehmend, die Multiplikatoren übernehmen selbst Verantwortung und generieren wiederum neue Multiplikatoren. Der positive Nebeneffekt ist ein „Beteiligungssystem“, das die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung und ein Wirgefühl stärkt.

Mitarbeiterprofil als Desiderat — Wunsch oder Wirklichkeit

Befragt man langjährige Geschäftsführer, so berichten sie, dass bei der Suche nach Mitarbeitern oft die Frage des Renommees von Verbänden eine Rolle spielt(e). In der Vergangenheit war es zum Teil deshalb schwierig, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, weil die Einstellung „wer in der Wirtschaft nichts wird, geht zum Verband“ durchaus verbreitet war. Das hat sich zwar im Laufe der vergangenen Jahre verändert, ein klares Mitarbeiterprofil ist dieser Veränderung aber sicherlich weiter zuträglich. Denn Geschäftsführer berichten übereinstimmend, dass es nicht immer einfach ist, passendes und gutes Personal für Verbände zu finden. Einen Ausbildungsberuf „Mitarbeiter in Verbänden“ gibt es zumindest in Deutschland ebenso wenig wie ein grundständiges Studium „Verbandsmanagement“ oder einen entsprechenden qualifizierten Abschluss. Personalverantwortliche und Personalentwickler in Verbänden müssen sich also mit eigenen Stellenbeschreibungen und Funktionsprofilen „behelfen“ und Weiterbildungsmaßnahmen in Anspruch nehmen. Das eröffnet einerseits die Chance, ein auf den jeweiligen Verband zugeschnittenes „Funktionsdesign“ zu entwerfen, das dann parallel zur Entwicklung des Verbandes mitwachsen kann. Dennoch wäre ein klares, unterscheidbares Profil der Arbeitsanforderungen für die Mitarbeit in Verbänden sinnvoll und erstrebenswert. Stellenprofile auf der Basis von verbandstypischen Mitarbeiterprofilen sind aus Sicht von Geschäftsführern auf jeden Fall sinnvoll, die meisten halten sie auch für unbedingt notwendig. Sie liefern Kriterien für die Auswahl und die Qualifizierung von Mitarbeitern für die Arbeit in Verbänden. Das heißt, sie sind sowohl wichtig für die Weiterqualifizierung von Mitarbeitern im Rahmen von Personalentwicklung als auch für die Suche nach neuen Mitarbeiterinnen (und zwar sowohl bei externen Ausschreibungen als auch internen Bewerbungsverfahren oder den in der Verbändeszene beliebten persönlichen Kontakten). Auf jeden Fall erhöhen sie die „Trefferquote“ bei Neueinstellungen. Dies gilt auch und gerade für die vielen kleinen und mittelgroßen Geschäftsstellen, die in der Verbändewelt die Regel sind. Zwar begegnet man oft dem Argument „wir sind ein kleiner Verband, das ist doch übertriebener Bürokratismus“, aber gerade hier können weniger geeignete Mitarbeiter das Gesamtergebnis erheblich beeinträchtigen und stellen so ein erhebliches Risiko dar. Jedes Profil sollte aus drei Komponenten bestehen:

  1. den Kompetenzen und Anforderungen, die sich aus den Charakteristika der Verbandsarbeit allgemein ergeben (dem „Mitarbeiterprofil Verbandsarbeit“)
  2. den fachlichen Anforderungen für die jeweilige Funktion/Position
  3. den spezifischen harten und weichen Anforderungen für die jeweilige Funktion/Position (z. B. in der Buchhaltung: einerseits Verständnis für, andererseits klare Forderungen an ehrenamtliche Funktionäre, die es mit der Spesenabrechnung nicht allzu genau nehmen)

Stellenbeschreibungen und Profile für die einzelnen Mitarbeiter und Funktionen sollten auf jeden Fall in einen guten, übersichtlichen Geschäftsverteilungsplan integriert sein, der die einzelnen Stellenbeschreibungen vernetzt! Oder andersherum: Stellenplan und Geschäftsverteilungsplan sind die Basis für ausdifferenzierte Stellenprofile für Mitarbeiter auf allen Ebenen. Das gilt auch für das Binnenverhältnis zwischen ehrenamtlichen und hauptamtlichen Führungen, um hier Reibungsverluste und Missverständnisse zu vermeiden. Entscheidend sind dabei klare Schnittstellen in einem nicht durch vertikale Hierarchien, sondern horizontale Aufgabenabgrenzungen geprägten Organigramm. Beide — Geschäftsverteilungsplan und Stellenplan — erwachsen wiederum aus dem bewussten Umgang mit der (offiziellen und inoffiziellen) Struktur des Verbandes. Offizielle Struktur heißt: Rückbezug auf die „harten“ Regelungen in Satzung und Geschäftsordnung, die in klare Aufgaben-Definitionen münden. Die inoffizielle Struktur berücksichtigt verschiedene „weiche“ Faktoren wie Erfahrung, Rang, Lebensalter, Geschichte von Interessengruppen u. Ä. m. Probleme wie fehlende Mitglieder-Zufriedenheit hängen häufig mit unklaren Strukturen oder verwirrender Aufgabenverteilung zusammen. So wird die simple telefonische Anfrage eines Anrufers in der Telefonzentrale nach der E-Mail-Adresse des nicht anwesenden Geschäftsführers zum Problem, wenn die Mitarbeiterin in der Zentrale die Anweisung hat, „ich darf keine Adressen herausgeben“, und an die zuständige Sekretärin weitervermittelt, die aber gerade in der Mittagspause ist und ihre Vertreterin beauftragt hat: „Bitten Sie alle Anrufer, in einer Stunde noch einmal anzurufen.“ Hier zeigt sich ein typisches Dilemma der Verbände: Einerseits ist eine klare Abgrenzung der Stellenprofile untereinander wichtig, Doppelzuständigkeiten sind möglichst zu vermeiden, da unklare Regelungen von Zuständigkeiten zu Verwirrung, Reibungsverlusten und ggf. dazu führen, dass Aufgaben vielleicht überhaupt nicht erledigt werden und in einer Endlosschleife von Weiterverweisen und unnötigen Rückkopplungen hängen bleiben. Andererseits sind Doppelzuständigkeiten gerade in kleinen Geschäftsstellen notwendig, um wenigstens ansatzweise eine Vertretungsregelung etablieren zu können und sicherzustellen, dass die Kommunikation nach außen und die Erledigung der Geschäfte auch bei Abwesenheit oder Ausfall von einzelnen Mitarbeitern gewährleistet bleibt. Deshalb gilt: Eine klare Struktur generiert klare Mitarbeiterprofile. So mancher Verband hat sich deshalb zunächst Klarheit über strukturelle und strategische Fragen verschafft, bevor es an die konkrete Ausformulierung von Stellenprofilen und damit verbundene Zielvereinbarungen ging.

Klare Strategie + klare Ziele + klare Struktur = bessere, klare Profile

Allerdings bleiben die Erarbeitung von Stellenprofilen und erst recht die Formulierung eines Mitarbeiterprofils Verbandsarbeit in der alltäglichen Arbeitsrealität von Verbänden oft auf der Strecke. Viele Geschäftsführer halten sie zwar für sinnvoll, sehen sich in der Umsetzung aber eher in der Einsicht „eigentlich sollte man …“ stecken bleiben. Letztlich haben dann oft die „harten“ Themen wie z. B. Tarifauseinandersetzungen oder Ausschussarbeit (scheinbar?) Vorrang. Auch so mancher gute Vorsatz, reguläre Mitarbeitergespräche zu führen, wird nicht realisiert. Es reicht auch nicht, in Analogie zur Unternehmenswelt die Notwendigkeit von Personalentwicklung zu behaupten und einzufordern. Personalentwicklung wird von Verbandsmanagern zwar allgemein als richtig und wichtig erkannt, es mangelt jedoch an Aussagen zu den Besonderheiten der Verbändewelt. Hier wäre zweierlei notwendig: Überzeugungsarbeit seitens der Geschäftsführung in Richtung ehrenamtlicher Vorstand bezüglich der Priorität des Themas als Grundsatzentscheidung und gemeinsames Anliegen von haupt- und ehrenamtlicher Führung und dazu die (Weiter-)Entwicklung eines spezifischen Mitarbeiterprofils Verbandsarbeit, das als Blaupause für Verbände dienen kann. Nicht jeder Verband sollte hier das Rad neu erfinden müssen. Der vorliegende Artikel möchte hierzu einen Ansatz bieten. Weitere Forschungsarbeit nebst Fortbildungsangeboten zum Thema ist sinnvoll und wünschenswert. Darüber hinaus und parallel verdient ein Mitarbeiterprofil für den ehrenamtlichen Bereich mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit. Daran anschließend wären die Profile der hauptamtlichen sauber von denen der ehrenamtlichen Mitarbeiter zu differenzieren. Die aktuelle Entwicklung der Verbandsarbeit scheint deutlich darauf hinzuweisen, dass durch verbandstypisch qualifiziertes hauptamtliches Personal eine stärkere Delegation der regulären Arbeit in die hauptamtliche Zuständigkeit möglich wird und sich die ehrenamtlichen Führungskräfte und Funktionsträger wieder stärker auf den ihnen eigenen Bereich der richtungsweisenden Arbeit konzentrieren können, der ihnen durch ihre besondere Branchen- und Fachkenntnis obliegen sollte. Diese zukunftsweisende Entwicklung kann durch systematische Weiterbildungsangebote und ggf. durch (externe) Beratung gestärkt werden und sollte Führungsanliegen sein.

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Autor/in

Sabina Fleitmann

ist Organisationsberaterin und -entwicklerin für Verbände und NPO, u. a. mit den Schwerpunkten strategische Weiterentwicklung, Strukturreform, Personalentwicklung, Haupt- und Ehrenamt, Interessenvertretung und Lobbying.

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