Verbändereport AUSGABE 4 / 2008

Software für Verbände: Ehe auf Zeit

Drum prüfe, wer sich lange bindet

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Es ist in Verbänden und Organisationen nicht unüblich, für die Mitgliederverwaltung eine selbst programmierte Software einzusetzen. Häufig tauchen Probleme spätestens auf, wenn der Entwickler des Programms dem Verband nicht mehr zur Verfügung steht oder weitergehende Aktualisierungen notwendig werden. Professionelle Verbandssoftware kann hier Abhilfe schaffen: Sie vereinfacht die Arbeitsabläufe von der Mitgliederverwaltung über die Kommunikation mit Gremien bis hin zur Bereitstellung von Hintergrundinformationen. Um diese Vorteile auszuschöpfen, steht am Anfang der Auswahlprozess und die Identifikation des passgenauen Produkts. Hier lauern Fallstricke, zumal der Markt unübersichtlich und komplex ist. Des weiteren stehen den angebotenen Produkten Anforderungen gegenüber, die von Verband zu Verband, von Geschäftsstelle zu Geschäftsstelle differieren und somit im seltensten Fall komplett erfasst werden. Wie die richtige Verbandssoftware gefunden wird und was bei der Auswahl zu beachten ist, stellen wir ausführlich vor.

Das Angebot an Verbandssoftware hat sich verändert. Lag vor einigen Jahren der Schwerpunkt auf dem großen Bereich der Verwaltung, erweitern viele Anbieter ihre Produkte um Funktionen klassischer CRM-Software (CRM — „Customer Relationsship Management“ bzw. Beziehungsmanagement zwischen Mitglied und Verband). Im Idealfall bildet die Verbandssoftware wesentliche Arbeitsprozesse einer Geschäftsstelle ab: Von der Mitgliederverwaltung und dem Beitragsinkasso über die Abonnentenverwaltung der Verbandszeitschrift bis zur Seminar- und Veranstaltungsverwaltung. Gleichzeitig kann Verbandssoftware die Kommunikation mit den Mitgliedern vereinfachen, indem sie beispielsweise Ausschüssen und Gremien nach vordefinierten Kriterien Dokumente zur Verfügung stellt, diese in einem internen Mitgliederbereich ablegt oder auch Teile des Internetauftritts des Verbandes pflegt. Die Möglichkeiten sind vielfältig. Das bedeutet aber auch, dass mit steigender Komplexität des Systems auch die Sorgfalt der Auswahl in den Mittelpunkt rückt. Fehlentscheidungen bedingen einen hohen Korrekturaufwand und sind kostenintensiv.

Der Auswahlprozess einer geeigneten Verbandssoftware gliedert sich in drei Phasen: Die Erfassung des Ist-Zustandes, die Definition des Soll-Zustandes und schließlich die Selektion der richtigen Softwarelösung.

Derzeitige Situation im Verband

Zur Auswahl des geeigneten Anbieters ist zunächst der Ist-Zustand in der Geschäftsstelle zu erfassen: In welche bestehenden Systeme und Arbeitsabläufe soll die Verbandssoftware eingebunden werden? Welche Strukturen des Verbandes sollen überhaupt abgebildet werden? Es wäre mit Kanonen auf Spatzen geschossen, eine Software zu implementieren, deren wesentliche Aufgabe in der detaillierten Ausdifferenzierung von Landes- und Bundesebenen, vielfältigen Gremien und Ausschüssen besteht, wenn eine derartige Tiefe nicht erforderlich ist. Schließlich werden Geschäftsprozesse analysiert, um sicherzustellen, dass das vorhandene Personal den Einsatz als Mittel zur Vereinfachung der bestehenden Arbeitsabläufe erkennt und die Einsatzhürde gering ist. „Heutige Software- und IT-Anwendungen können einem Verband durchaus eine Neupositionierung ermöglichen oder sogar zwingend erforderlich machen!“, weist Anselm Scherl von Verbandplus auf den strukturellen Vorteil des Einsatzes einer Softwarelösung hin. Bereits diese Bestandsaufnahme zeigt erste Anforderungen an die Verbandssoftware auf.

Die Verantwortlichkeiten festlegen

Um den komplexen Auswahlprozess auf der Entscheidungsebene möglichst schlank zu halten, sind klare Verantwortlichkeiten zu bestimmen und die Beteiligten schon in dieser Phase einzubinden. Sinnvollerweise sollte sich die Beteiligung nicht nur an der Budgethoheit festmachen, sondern auch den Einsatz berücksichtigen. Zumal regelmäßige Konsultationen der betroffenen Mitarbeiter schon zu Beginn der Einführung das Akzeptanzniveau erhöhen. Spätestens in dieser Phase werden notwendige Schwerpunkte der Verbandssoftware (Mitgliederverwaltung, Kontaktmanagement (CRM), FiBu, Anbindung Webseite, Warenwirtschaft, Dokumentenmanagement, etc.) identifiziert und Ausschlusskriterien formuliert. Je transparenter dieser Vorgang desto besser: Oftmals sind Anforderungen an eine Softwarelösung gewissermaßen „versteckt“ - wer regelmäßig von unterwegs auf die Mitgliederdaten und Terminkalender zugreifen möchte oder beispielsweise eine möglichst nahtlose Anbindung mobiler Arbeitsplätze (Laptop, Palm) nutzen möchte, ist nicht immer auch Hauptansprechpartner für die Pflege der Mitgliederdaten in der Geschäftsstelle. „Gerade hier trennt sich sehr schnell die Spreu vom Weizen, da die klassische Verbandssoftware in diesem Bereich oftmals Schwächen offenbart. Dabei wird diese Anforderung für kleine und mittlere Wirtschaftsverbände immer wichtiger“, gibt Anselm Scherl zu bedenken. „Denn auch die Verbandswelt wird mobiler und die Erwartungen an kurzfristige Reaktionszeiten werden immer höher. Umso wichtiger ist es, hier auf eine gute Software-Unterstützung im Mitglieder-Beziehungsmanagement zurückgreifen zu können.“

Pflichtenheft und Anbietervorauswahl

Die gewonnen Informationen fließen in ein so genannten Pflichtenheft, welches transparent die Anforderungen an die Verbandssoftware dar-, sowie die technischen Möglichkeiten und Gegebenheiten der Geschäftsstelle vorstellt. Vom Aufbau eines Pflichtenheftes hängt nicht unwesentlich die genaue Beschreibung der Pflichten für den Softwareanbieter ab. Übersichtlichkeit und klare Strukturierung erhöhen die Vergleichbarkeit der Ergebnisse: „Es ist auf jeden Fall notwendig, bereits bei der Erstellung des Pflichtenhefts an die spätere Auswertung der Angebote zu denken. Schon die Formulierung der Fragen sollte den späteren Vergleich ermöglichen“, verdeutlicht Rechtsanwalt Heiko Klages von der 2K-verbandsberatung. Nach Niederlegung der Anforderungen, der bestehenden IT-Infrastruktur und Abstimmung mit den beteiligten Mitarbeitern wird das Pflichtenheft an vorab grob selektierte Anbieter versendet. Es hat sich als insgesamt sinnvoll erwiesen, nicht wesentlich mehr als ein Dutzend verschiedene Anbieter um Abgabe eines Kurzangebotes zu bitten. Gerade die Ausschlusskriterien geben einen Anhaltspunkt, anhand dessen die meisten Anbieter bereits aussortiert werden können.

Ähnlich einem klassischen Bewerbungsverfahren zur Besetzung offener Stellen treffen die Verantwortlichen anhand formaler Kriterien aus den Rückmeldungen eine Auswahl von etwa fünf Anbietern. Deren Angebote erfüllen sowohl formale Anforderungen (Erfüllung Grundanforderungen, Abdeckung weiterer Anforderungen, Anpassungsaufwand, erste Kostenschätzung) wie auch inhaltlich die Eckdaten des Pflichtenheftes. Dieser engere Anbieterkreis wird schließlich um die Abgabe eines detaillierten (kaufmännischen) Angebotes gebeten. Unter Umständen liegt ein aktualisiertes Pflichtenheft vor, welches Basis des Angebotes ist. Gerade in dieser Phase ist ein konformes Pflichtenheft unerlässlich — gegliedert nach klaren Kriterien erfasst es beides: Den Ist- und den Soll-Zustand. Die Brücke zwischen Weg und Ziel schlägt im Idealfall genau ein Angebot der Software-Anbieter. Heiko Klages: „Auch sollten in dieser Phase Meilensteine der Umsetzung im Pflichtenheft abgelegt werden. Das Pflichtenheft selbst wird Vertragsbestandteil, damit sowohl Verband wie auch Anbieter wissen, voran sie sind.“

Anbieterauswahl

Neben der Erfüllung der im Pflichtenheft niedergelegten Anforderungen sind vor allem die Kosten der Einführung und Folgekosten zu berücksichtigen. Typischerweise setzen sich die Gesamtkosten zu etwa 40 Prozent aus Lizenzkosten, 30 Prozent für Anpassung sowie Implementierung und weiteren 30 Prozent für Schulungsaufwand zusammen. In diesem Zusammenhang ist auch die Langfristigkeit der zur Auswahl stehenden Produkte zu berücksichtigen (sind Updates verfügbar, kosten diese extra) sowie das Lizenzmodell zu hinterfragen (ASP-Modell: Miete der Software inklusive ständiger Aktualisierung -oftmals bei online Anwendungen verfügbar). Schließlich ist der Support und Wartungsaufwand abzuschätzen. Eine derartig komplexe Software, dass selbst minimale Aktualisierung lediglich durch einen geschulten Techniker vorgenommen werden können, dürfte wenig praxistauglich und erheblich teurer in der Unterhaltung sein.

Die nebenstehende Auswahlliste (detailliert als Download verfügbar, siehe unten) stellt ein Raster vor, welches eine detaillierte Bewertung der in der engeren Auswahl stehenden Anbieter ermöglicht. Anhand einer Punkteskala erfasst die Checkliste Vor- und Nachteile, den Erfüllungsgrad der Anforderungen sowie schließlich „Meta-Informationen“ zum Anbieter. Gerade auch die in der Regel langfristige Bindung an das Produkt und dessen Anbieter erfordern ein gutes Verhältnis von Anbieter und Verband: Die Zukunftsfähigkeit der Software und des Anbieters einzuschätzen, verlangt nicht nur die Konsultation von Referenzen, sondern auch den Besuch des Anbieters vor Ort und ein Gespräch mit den jeweiligen Verantwortlichen.

Erfolgsfaktor: Die Bedienung

Wenn sowohl formal wie auch inhaltlich alle Steine aus dem Weg geräumt sind, bietet sich die Installation einer Testversion an. Was der Systemstabilität dient (passt die Software technisch in die bestehende IT-Infrastruktur des Verbandes), fördert auch einen weiteren Vorteil zu Tage: Den Praxistest. Inwieweit ist die Softwarelösung durch Mitarbeiter in der Geschäftsstelle bedienbar? „Dieser Punkt sollte auf keinen Fall unterschätzt werden, da eine unübersichtliche Gestaltung der Masken und unlogische Bedienerführung einem die Freude am Produkt nehmen können. Für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern und den Einsparerfolg ist das eine extrem wichtige Eigenschaft.“ fasst Anselm Scherl die Möglichkeit zusammen.

Fazit

Professionelle Software, die auf die speziellen Bedürfnisse von Verbänden zugeschnitten ist, gibt es am Markt zahlreich. Die Auswahl der passenden, den Anforderungen des jeweiligen Verbandes entsprechenden, Lösung bedarf einer sorgfältigen Vorbereitung und Planung. Der beschriebene systematische Entscheidungsprozess kann die „Brautschau“ nach der richtigen Lösung vereinfachen und helfen, schwer korrigierbare Fehlentscheidung zu vermeiden. (TR)

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