Verbändereport AUSGABE 1 / 2021

Umsatzsteuerpflicht für Vorstandsvergütungen

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Ein neues Urteil des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 14. Mai 2008 XI R 70/07) rückt ins Bewusstsein, dass Zahlungen eines Verbandes an seinen Präsidenten oder sonstige Mitglieder des Vorstandes der Umsatzsteuerpflicht unterliegen können.

Dem Urteil liegt ein Sachverhalt zugrunde, wie er bei vielen Wirtschaftsverbänden, aber auch anderen Verbänden in der Praxis vorkommt. Es ging um die Bezüge des Präsidenten eines Industrieverbandes in Hamburg, dem im Streitjahr 1999 zahlreiche Betriebe angehörten. Nach § 15 der Vereinssatzung war der Präsident nicht einzelvertretungsbefugt, sondern konnte den Verein nur gemeinsam mit einem weiteren Präsidenten oder zusammen mit den Vizepräsidenten nach § 26 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vertreten. Zu den Aufgaben des Vorstandes gehörten insbesondere die Leitung des Verbandes, das Aufstellen der Tagesordnung für Mitgliederversammlungen und die Umsetzung der von der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse. Der Verein unterhielt eine Geschäftsstelle, die von zwei Hauptgeschäftsführern geleitet wurde. Den Hauptgeschäftsführern oblag die Erledigung der laufenden Geschäfte. Sie waren als besondere Vertreter nach § 30 BGB tätig.

Für den Verein arbeitete der Präsident mindestens 40 Stunden in der Woche und etwa 2.000 Stunden jährlich. Er nahm an Beirats- und Aufsichtsratssitzungen sowie an Verbandsveranstaltungen teil, die er auch leitete. Er referierte auf Empfängen, Mitgliederversammlungen, Branchentreffen und Diskussionsveranstaltungen. Weiter vereinbarte er selbstständig Termine mit Repräsentanten der Wirtschaft, Vertretern kooperierender Verbände und Politikern. Die letzte Entscheidung über seine Teilnahme an derartigen Terminen oblag dem Präsidenten. Für ihn bestand keine Präsenzpflicht. Der Umfang seiner Tätigkeit wurde durch den Verein weder zeitlich erfasst noch überwacht. Der Präsident hatte seinen Urlaub von etwa sechs Wochen jährlich nicht mit dem Verein abzusprechen. Er war auch im Urlaub für den Verein erreichbar.

Präsidentenbüro in der Geschäftsstelle

Dem Präsidenten stand in der Geschäftsstelle des Vereins ein Büro zur Verfügung. Darüber hinaus unterhielt er auf eigene Kosten ein selbst eingerichtetes Büro an seinem Wohnort, über das er sich mit der Geschäftsstelle des Vereins und mit der für ihn in der Geschäftsstelle tätigen Sekretärin abstimmte.

Nach der Vereinssatzung waren die Vorstandsmitglieder ehrenamtlich tätig. Auslagen waren ihnen zu erstatten. Nach einer 1996 zwischen dem Präsidenten und dem Verein abgeschlossenen und Mitte 1999 geänderten Vereinbarung stand dem Präsidenten eine Aufwandsentschädigung zu, die sich im ersten Halbjahr 1999 auf monatlich 9.000 DM und im zweiten Halbjahr 1999 auf monatlich 15.000 DM belief. Reisekosten wurden mit einer Tagespauschale von 200 DM unabhängig von der Reisedauer erstattet. Der Verein übernahm weiter die Flugkosten und 80 Prozent der Telefonkosten. Darüber hinaus wurden Reisekosten der den Präsidenten bei Vereinsterminen begleitenden Ehefrau in steuerlich anzuerkennender Höhe ersetzt. Für die Nutzung des privaten PKW im Vereinsinteresse erstattete der Verein aufgrund einer unterstellten Fahrzeugnutzung von 20.000 km pauschal 40.000 DM. Die Dienstfahrten für den Verein beliefen sich im Streitjahr auf circa 16.000 km. Die Zahlungen des Vereins aufgrund dieser Vereinbarung betrugen lt. Gewinnermittlung des Präsidenten im Streitjahr 183.556,48 DM. Seine Tätigkeit wurde nicht als lohnsteuer- oder sozialabgabenpflichtig behandelt.

Der Präsident besaß ein eigenes Unternehmen, für das er Umsatzsteuer-Erklärungen abgab. Die Einnahmen aus seiner Tätigkeit für den Verein erfasste er nicht. Demgegenüber vertrat das Finanzamt im Anschluss an eine Betriebsprüfung die Auffassung, dass der Präsident auch im Rahmen seiner Tätigkeit für den Verein umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe, sodass sich eine Umsatzsteuernachforderung ergab. Erfolglos wehrte sich der Präsident hiergegen mit Einspruch und Klage.

Unternehmerische Initiative entfaltet

Das Finanzgericht war der Auffassung, dass der Präsident gegenüber dem Verein umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe. Der Präsident sei selbstständig tätig gewesen, da er unternehmerische Initiative entfaltet und unternehmerisches Risiko getragen habe. Der Kläger habe über Zeit, Ort und Umfang seiner Tätigkeit nach eigenem Ermessen entscheiden können. Für ihn habe weder eine Präsenzpflicht noch eine Mindestarbeitsverpflichtung bestanden. Das Unternehmerrisiko ergebe sich daraus, dass der Präsident eigenes Kapital eingesetzt habe. Er habe die Kosten der für ihn beim Verein angestellten Sekretärin zur Hälfte getragen. Die Höhe der von ihm zu tragenden Aufwendungen habe auch nicht unerheblich geschwankt.

Es komme nicht darauf an, ob der Präsident als Organ des Vereins tätig geworden sei. Es handele sich auch nicht um eine ehrenamtliche Tätigkeit, die nach § 4 Nr. 26 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) umsatzsteuerfrei sei. Die Annahme einer ehrenamtlichen Tätigkeit scheide sowohl nach Art als auch nach dem Umfang der vom Präsidenten hier ausgeübten Tätigkeit aus. Es liege eine hauptberufliche Tätigkeit vor, bei der auch die Höhe der Vergütung gegen die Ausübung eines Ehrenamtes spreche.

Hiergegen hat der Präsident eingewendet, er sei ausschließlich in einer Organfunktion zur kompetenzmäßigen Wahrnehmung der Vereinsaufgaben tätig geworden. Es habe keine gesonderte schuldrechtliche Tätigkeitsvereinbarung bestanden. Die zwischen ihm und dem Verein geschlossene Vereinbarung habe nur die Erstattung von Kosten und Auslagen vorgesehen. Es komme nicht darauf an, wie Geschäftsführungsaufgaben bei einer GmbH umsatzsteuerrechtlich zu würdigen seien, da Vereine anders als eine GmbH keine gewerblichen Zwecke verfolgten. Aufgabe des Vereinsvorstands sei die Erreichung der satzungsmäßigen Vereinszwecke, nicht eine Gewinnerzielung. Die Satzung des Vereins sehe ausdrücklich eine ehrenamtliche Tätigkeit vor.

Schließlich seien seine Leistungen zumindest nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG steuerfrei. Entgegen der Gesamtabwägung des Finanzgerichts sei der Umfang der durch ihn ausgeübten Tätigkeit kein Indiz für eine hauptberufliche Tätigkeit, da insoweit auch Größe und Bedeutung des Vereins zu berücksichtigen seien. Er sei in herausgehobener Position tätig gewesen. Nur seine persönlichen Vermögensverhältnisse hätten es ihm ermöglicht, auf ein angemessenes Gehalt für seine Tätigkeit zu verzichten. Mit dieser Auffassung konnte er sich vor dem BFH nicht durchsetzen.

Die Entscheidung des BFH: Selbstständige Unternehmertätigkeit des Präsidenten im Rahmen seiner Verbandsfunktionen

Der BFH ist der Auffassung, dass der Präsident im Rahmen seiner Verbandsfunktionen selbstständig im Sinne des Umsatzsteuerrechts tätig war. Dies begründet der BFH wie folgt:

„Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG handeln natürliche Personen nicht selbstständig, wenn sie in einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BFH das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. Dementsprechend sind die für und gegen die Selbstständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, gegeneinander abzuwägen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 29. Juni 2000 V R 28/99, BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597). Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung kommt es für die Beurteilung der Selbstständigkeit von Geschäftsführungsorganen nicht darauf an, ob die natürliche Person berechtigt ist, Zeit, Umfang und Ort der Tätigkeit nach eigenem Ermessen zu bestimmen (BFH-Urteil in BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730). Entscheidend ist vielmehr die inhaltliche Weisungsgebunden- oder Weisungsfreiheit.

So sind zum Beispiel die Mitglieder des Aufsichtsrats einer AG selbstständig tätig, da sie keinen Weisungen unterliegen (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Urteile vom 27. Juli 1972 V R 136/71, BFHE 106, 389, BStBl II 1972, 810; vom 2. Oktober 1986 V R 68/78, BFHE 147, 544, BStBl II 1987, 42; vom 9. Oktober 1996 XI R 47/96, BFHE 182, 384, BStBl II 1997, 255). Ebenso handeln die Mitglieder des Beirats einer KG (Senatsurteil vom 24. August 1994 XI R 74/93, BFHE 176, 75, BStBl II 1995, 150) sowie Mitglieder einer an Weisungen nicht gebundenen Kommission (BFH-Urteil in BFHE 191, 468, BStBl II 2000, 597) selbstständig.

Dies entspricht auch der Beurteilung nach Gemeinschaftsrecht. So können nach dem zu Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG ergangenen EuGH-Urteil vom 18. Oktober 2007 Rs. C-355/06 – van der Steen – (BFH/NV 2008, Beilage 1, 48, Randnr. 21 ff.) auch Geschäftsführungsleistungen selbstständig erbracht werden.

Im Streitfall ergibt sich die Selbstständigkeit der durch den Kläger gegenüber dem Verein ausgeübten Tätigkeit bereits daraus, dass er seine Tätigkeit als Mitglied und Präsident des Vereinsvorstands weitgehend weisungsfrei ausübte. Ob und in welchem Umfang der Kläger darüber hinaus ein Unternehmerrisiko zu tragen hatte, spielt daher keine Rolle. Ebenso wie bei einem Aufsichtsratsmitglied kommt es in diesem Fall für die Begründung der Unternehmereigenschaft entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht auf den Einsatz eigenen Kapitals oder eine schwankende Höhe der Einnahmen oder Ausgaben an. Gegen die Selbstständigkeit der durch den Kläger ausgeübten Tätigkeit spricht auch nicht das EuGH-Urteil in BFH/NV 2008, Beilage 1, 48 (van der Steen). Denn die in diesem Verfahren angenommene Unselbstständigkeit der Geschäftsführungstätigkeit beruhte maßgeblich darauf, dass für den Geschäftsführer – anders als im Streitfall – Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten worden waren (EuGH-Urteil in BFH/NV 2008, Beilage 1, 48, Randnr. 22).“

Der Präsident erbrachte gegenüber dem Verband auch umsatzsteuerbare Leistungen

Nach der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des BFH liegt eine entgeltliche Leistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar ist und gemäß Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegt, dann vor, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 5. Dezember 2007 V R 60/05, BFH/NV 2008, 1072, m.w.N. zur Rechtsprechung von EuGH und BFH).

Der BFH sieht nunmehr entgeltliche Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen auch dann als steuerbar an, wenn es sich bei dem Leistenden um ein Organ des Leistungsempfängers handelt.

Der BFH hat nämlich seine frühere Rechtsprechung, nach der das Handeln als Organ einer Personengesellschaft nicht Gegenstand eines entgeltlichen Leistungsaustausches sein konnte (sog. Organwalter-Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622), bereits im Jahr 2002 durch Urteil vom 6. Juni 2002 V R 43/01 (BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36) aufgegeben. Hierzu der BFH weiter:

„Die Aufgabe der Organwalter-Rechtsprechung ist über die in dem BFH-Urteil in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 bereits entschiedene Fallgestaltung bei Personengesellschaften hinaus im Hinblick auf die Rechtsformneutralität der Umsatzsteuer (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. September 2007 V R 16/06, nicht veröffentlicht) allgemein zu beachten. So steht nach dem BFH-Urteil vom 10. März 2005 V R 29/03 (BFHE 209, 162, BStBl II 2005, 730) die Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers der Steuerbarkeit der durch den Geschäftsführer gegenüber der GmbH erbrachten Leistungen nicht entgegen. Diesem Urteil kommt gegenüber dem BFH-Urteil in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 insoweit eine eigenständige Bedeutung zu, als der BFH die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsführungsleistungen bei Kapitalgesellschaften zuvor nicht auf die Eigenschaft des GmbH-Geschäftsführers als Organ der GmbH, sondern auf dessen Unselbstständigkeit gestützt hatte.

Aufgrund der Rechtsprechungsänderung zu den Organleistungen kann sich die Revision nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil in BFHE 137, 197, BStBl II 1983, 156 zur Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung berufen. Denn dieses Urteil stützt sich in seiner Begründung ausschließlich auf das BFH-Urteil in BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622. Nachdem der BFH diese Rechtsprechung in seinem Urteil in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 ausdrücklich aufgegeben hat, erstreckt sich diese Änderung der Rechtsprechung auch auf die Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung. Darüber hinaus erfasst die Rechtsprechungsänderung in BFHE 199, 49, BStBl II 2003, 36 auch die weitere BFH-Rechtsprechung, soweit sich aus dieser die Nichtsteuerbarkeit von Organleis-tungen ergab. Dies gilt insbesondere für die Leistungen des Vereinvorstands (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 262).“

Keine Umsatzsteuerbefreiung für entgeltliche Vorstandstätigkeit

Der BFH hielt die Tätigkeit des Präsidenten auch nicht für umsatzsteuerbefreit nach der einschlägigen Vorschrift des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG.

Hierzu der BFH: „Die Entscheidung des FG, dass die Leistungen des Klägers nicht nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG als ehrenamtliche Tätigkeit, die nur durch Auslagenersatz und angemessene Entschädigung für Zeitversäumnis vergütet wird, steuerfrei sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören die Tätigkeiten, die in einem Gesetz ausdrücklich als solche genannt werden, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet werden oder die dem materiellen Begriffsinhalt der Ehrenamtlichkeit entsprechen (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1987 X R 7/82, BFHE 152, 182, BStBl II 1988, 384 und vom 4. Mai 1994 XI R 86/92, BFHE 174, 573, BStBl II 1994, 773). Nach dem materiellen Begriffsinhalt kommt es insbesondere auf das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung an (Senatsurteil in BFHE 174, 573, BStBl II 1994, 773).“

Danach sei der Präsident im Streitfall nicht ehrenamtlich tätig gewesen. Seine Tätigkeit werde weder in einem Gesetz als ehrenamtlich bezeichnet noch entspreche es dem allgemeinen Sprachgebrauch, eine dem Umfang nach hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit als ehrenamtlich zu bezeichnen. Im Hinblick auf den Umfang der Tätigkeit und die Höhe der durch den Verein gezahlten Vergütung sei von einem eigennützigen Erwerbsstreben auszugehen, sodass die Tätigkeit des Präsidenten auch nicht dem materiellen Begriffsinhalt der Ehrenamtlichkeit entspreche.

Ob der Präsident im Rahmen einer anderen Tätigkeit eine weit höhere Vergütung hätte erzielen können, sei unerheblich. Das Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens entfalle nicht dadurch, dass für die Ausübung anderer Tätigkeiten möglicherweise höhere Vergütungen zu erzielen gewesen wären. Schließlich spreche auch die im Urlaubsfall unverändert fortgezahlte Aufwandsentschädigung gegen das Vorliegen einer Entschädigung für Zeitversäumnis.

Urteilsanmerkung

Dieses Urteil dürfte in Verbandskreisen für einige Aufregung sorgen, weil so gut wie niemand bisher daran dachte, dass die an Vorstände gezahlten Vergütungen grundsätzlich der Umsatzsteuer unterliegen. Die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 26 UStG befreit nur gewisse Zahlungen, die jemand in Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit erhält: Befreit ist nach Buchstabe b der Vorschrift „die ehrenamtliche Tätigkeit, wenn … das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht“. Gefordert wird also eine ehrenamtliche Tätigkeit, die sicherlich nicht gegeben ist, wenn es sich bei der Vorstandstätigkeit – wie im Streitfall – um einen immerhin nicht ganz schlecht bezahlten Fulltime-Job handelt. Betroffen von der Steuerpflicht ist zunächst nur das Vorstandsmitglied. Mittelbar werden sich aber auch Auswirkungen auf den Verband ergeben, wenn das Vorstandsmitglied letztlich nur um 19 Prozent Umsatzsteuer gekürzte Bezüge erhält.

Deutlich wird in diesem Zusammenhang, welche Unklarheiten sich mit dem Begriff der Ehrenamtlichkeit verknüpfen. In Verbandskreisen wird üblicherweise vom Präsidentenamt als „Ehrenamt“ gesprochen, ohne dass hierbei die Vergütungsfrage überhaupt eine Rolle spielt. Diese weite Auffassung vom „Ehrenamt“ ist für die Umsatzsteuer nach dem jetzigen BFH-Urteil nicht ausschlaggebend. Auch sind Diskrepanzen zwischen dem umsatzsteuerlichen und dem vereinsrechtlichen Ehrenamtsbegriff unübersehbar: Nach der BGH-Rechtsprechung verbietet Ehrenamtlichkeit die Zahlung einer Vergütung (auch in Form des Ersatzes von Verdienstausfall). § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG hält jedoch die Zahlung einer „Entschädigung für Zeitversäumnis“ bei der Ausübung eines Ehrenamts für möglich.

Eine solche Entschädigung dürfte jedoch zivilrechtlich als – ehrenamtsunverträgliche – Zahlung einer Vergütung anzusehen sein. Umsatzsteuerlich wird in manchen Fällen jedoch die sogenannte Kleinunternehmer-Regelung (§ 19 UStG) helfen, die steuerlichen Klippen zu umschiffen: Beträgt der jährliche Gesamtumsatz des Vorstandsmitglieds nicht mehr als 17.500 Euro, wird keine Umsatzsteuer erhoben. (WE)

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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