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Das neue Verbraucherinformationsgesetz

2. Teil des Artikels aus der Ausgabe 02/2012

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Transparenz ist das, was man gern von anderen fordert. Deshalb hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr ein erweitertes Verbraucherinformationsgesetz (VIG) auf den Weg gebracht, das im September dieses Jahr in Kraft treten soll. Der Verbändereport zeigt, was das neue Gesetz bringt und wen es betrifft.
Ausschluss- und Beschränkungsgründe

Die Gründe, die eine Informationsweitergabe einschränken oder ausschließen, sind durch die Novellierung des Verbraucherschutzgesetzes zulasten der Lebensmittel- und Produkthersteller eingeschränkt worden (neuer § 3 VIG). So können nunmehr auch bei einem laufenden Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren oder bei Ermittlungs- oder Bußgeldverfahren auch nicht sicherheits- oder gesundheitsrelevante Informationen weitergegeben werden, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Wie bisher schon können bei laufenden Verfahren Informationen weitergegeben werden, wenn festgestellte Abweichungen von den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen vorliegen (bisher: Verstöße) oder von den Erzeugnissen Gefahren oder Risiken für die Gesundheit oder Sicherheit von Verbrauchern ausgehen. Kein Informationsanspruch besteht, wenn öffentliche oder private Belange dem Auskunftsbegehren entgegenstehen und Letztere nicht einem überwiegenden Informationsinteresse von Verbrauchern weichen müssen. Nicht alle öffentlichen oder privaten Belange können dem Auskunftsanspruch entgegenstehen, sondern nur die in § 3 VIG-E ausdrücklich genannten (abschließende Aufzählung).

Ausschluss-  oder Beschränkungsgründe wegen entgegenstehender öffentlicher Belange

Die praktisch bedeutsamsten öffentlichen Belange, die einen Auskunftsanspruch beschränken, werden nachstehend dargestellt:

Eine (nur) vorübergehende Auskunftssperre wird durch noch nicht abgeschlossene Verwaltungsverfahren, Gerichtsverfahren, strafrechtliche Ermittlungsverfahren, Disziplinarverfahren oder durch Bußgeldverfahren bewirkt. Nach Abschluss der Verfahren können die beantragten Informationen weitergegeben werden. Nach dem Entwurf des neuen VIG können sie bereits während des laufenden Verfahrens weitergegeben werden, wenn ein überwiegendes Informationsinteresse von Verbrauchern besteht. Bei Verfahren, die vor Strafgerichten anhängig sind, ist für eine Informationsweitergabe die Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts erforderlich, die nur erteilt wird, wenn der Untersuchungszweck nicht gefährdet wird.

Gegen diese geplante Neuregelung bestehen insbesondere wegen der strafprozessualen Vorschriften erhebliche Bedenken, auf die auch der Bundesrat hingewiesen hat.

Ein laufendes Verwaltungs-, Gerichts-, Bußgeld- oder Strafverfahren bewirkt eine Sperre jedoch nur, wenn sich das Auskunftsbegehren nicht auf Abweichungen von Vorschriften des Lebensmittel- und Produktsicherheitsgesetzes oder auf Auskünfte zu Gefahren oder Risiken für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern bezieht. M. a. W.: Bei Gesundheitsgefahren und objektiven Rechtsverstößen besteht ein Recht auf Information auch während laufender Verwaltungsverfahren. Rechtsverstöße fallen nicht unter den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Auch wenn sich die Anfrage nicht auf Abweichungen und gesundheits- und sicherheitsrelevante Umstände bezieht, dürfen während der genannten Verfahren Informationen weitergegeben werden, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.

Da bei Abweichungen und Verstößen gegen das Lebensmittelrecht auch bei laufenden Verwaltungsverfahren Informationen nach dem VIG weitergegeben werden dürfen, stellt sich die Frage, was eigentlich eine „Abweichung“ und ein „Verstoß“ im Sinne des Gesetzes ist. Ob hierzu die Beurteilung durch ein Lebensmitteluntersuchungsamt ausreicht oder ob zusätzlich eine juristische Prüfung durch die Verwaltungsbehörde erfolgen muss, ist strittig.

Eine Informationssperre wegen entgegenstehender öffentlicher Belange besteht auch dann, wenn öffentliche Stellen (etwa Untersuchungsämter, Universitäten, Forschungsanstalten) die Informationen im Rahmen einer privatrechtlichen Dienstleistung erhalten haben (§ 3 Nr. 1 d VIG neu). Beispiel: Ein Unternehmen bittet ein öffentliches Labor um Durchführung bestimmter Analysen und schließt hierzu eine Vereinbarung mit dem Amt. Die aufgrund dieses Auftrags gewonnenen Informationen dürfen nicht im Rahmen des Verbraucher-informationsgesetzes weitergegeben werden. Allerdings können die Behörden aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften (z. B. § 40 LFGB oder Art. 19 Abs. 3 EG-Verordnung 178/2002) befugt sein, diese Information an die Öffentlichkeit zu geben. Voraussetzung hierfür wäre dann jedoch eine Gefahrenlage für die Gesundheit von Verbrauchern oder eine erhebliche Täuschungsgefahr für Verbraucher.

Für Labore gilt inzwischen § 44 a LFGB, dem zufolge bei in Deutschland untersuchten unsicheren Lebensmitteln (Art. 14 VO (EG) 178/2002) eine Informationspflicht gegenüber den zuständigen Behörden besteht.

Ausschluss-  oder Beschränkungsgründe wegen entgegenstehender privater Belange

Als entgegenstehende private Belange werden nur anerkannt:

  • Schutz personenbezogener Daten
  • Schutz geistigen Eigentums
  • Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse

Jedoch genießen diese keinen absoluten Schutz, sondern können jederzeit unter Berufung auf überwiegende öffentliche Bekanntgabeinteressen unterlaufen werden. Desgleichen bewirken diese privaten Belange keine Informationssperre bei Abweichungen der Erzeugnisse von einschlägigen Rechtsnormen oder bei gesundheits- oder sicherheitsrelevanten Risiken. Hinsichtlich des Schutzes des geistigen Eigentums (z. B. Urheberrechte, Patente) haben sich gravierende Änderungen ergeben. So darf das geistige Eigentum verletzt werden, wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe dafür sprechen.

Neu ist, dass der Zugang zu Informationen nicht unter Berufung auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden kann, wenn im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass von dem Erzeugnis oder Verbraucherprodukt eine Gefährdung oder ein Risiko für Sicherheit und Gesundheit ausgeht und aufgrund unzureichender wissenschaftlicher Erkenntnisse oder aus sonstigen Gründen die Ungewissheit nicht innerhalb der gebotenen Zeit behoben werden kann (Verdachtsmitteilungen).

Ferner bewirken entgegenstehende private Belange keine Informationssperre, wenn es sich um Erkenntnisse zur Einhaltung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen handelt, die im Rahmen der amtlichen Überwachung gewonnen worden sind.

Der praktisch wichtige Fall ist der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Die Informationssperre wegen „sonstiger wettbewerbsrelevante Umstände, die den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gleichwertig sind“ ist entfallen. Betriebsgeheimnisse beziehen sich in der Regel auf technische Aspekte (Herstellungsverfahren, Gerätekonfiguration, Rezepte, Rohstoffe). Geschäftsgeheimnisse beziehen sich auf die kaufmännische Seite (Kunden, Umsätze, Vertriebsstruktur etc.). Hierbei handelt es sich beispielsweise um Rezepturen, Konstruktions- oder Produktionsunterlagen, Informationen über Fertigungsverfahren oder Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.  Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden durch die Rechtsprechung zu § 17 UWG alle nicht offenkundigen Tatsachen anerkannt, bei denen ein nachvollziehbares und rechtlich anzuerkennendes Interesse des Unternehmens besteht, dass diese Informationen nicht in unbefugte Hände (etwa die eines Wettbewerbes) gelangen. Nach
§ 2 Abs. 2 VIG zählen Verstöße eines Unternehmens gegen lebens- oder futtermittelrechtliche Vorschriften nicht zu den anerkennenswerten Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Behörden dürfen nach dem VIG unter keinen Umständen Informationen weitergeben, die sie aufgrund von Meldepflichten der Unternehmen erhalten haben. Dies gilt auch dann, wenn ein öffentliches Interesse an der Bekanntgabe vorliegt (§ 3 Abs. 2 Buchst. d VIG neu). Solche Meldepflichten bestehen für Lebensmittelunternehmen nach Art. 19
Abs. 3 der EG-Verordnung 178/2002 und nach § 44 LFGB sowie nach § 44 a LFGB für Labore. Auch die irrtümliche Annahme einer Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen bewirkt eine Auskunfts- und Informationssperre.

Wie wird ein Informationsantrag gestellt?

Der Antrag ist bei der Behörde mündlich oder schriftlich zu stellen. Er soll den Namen und die Anschrift des Antragstellers enthalten. Er muss bestimmt sein und erkennen lassen, auf welche Information er gerichtet ist. Die Behörde muss nur diejenigen Information herausgeben, die bei ihr bereits vorhanden ist. Sie ist nicht verpflichtet, solche Informationen aufgrund der Anfrage erst zu besorgen. Insoweit ist sie jedoch gehalten, die Anfrage an die zuständige Stelle weiterzuleiten und hiervon den Antragsteller zu unterrichten.

Unternehmen, auf die sich Anfragen beziehen, werden nicht in jedem Fall von der Behörde informiert. Nach § 5 VIG-E ist den Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Verpflichtung entfällt jedoch, wenn es sich um Informationen handelt, die Abweichungen der Erzeugnisse von einschlägigen Rechtsnormen betreffen, oder dem Betroffenen bereits in der Vergangenheit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde (§ 5 Abs. 1 VIG).

Werden Informationen wegen festgestellter Abweichungen von einschlägigen Rechtsnormen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 VIG-E) weitergegeben, haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Umso wichtiger ist daher der einstweilige Rechtsschutz gem. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung, mit dem bei dem zuständigen Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfes beantragt werden kann.

Wie werden die Informationen gewährt?

Die informationspflichtige Behörde kann selbst entscheiden, wie sie die Auskunft erteilt. In § 6 Abs. 1 werden beispielhaft drei Möglichkeiten erwähnt:

  • (Schriftliche) Auskunftserteilung
  • Gewährung von Akteneinsicht
  • Veröffentlichung der Information im Internet
  • Letzteres kann auch erfolgen, ohne dass ein konkreter Antrag gestellt worden ist.
Kosten der Auskunftserteilung

Grundsätzlich sollen kostendeckende Gebühren und Auslagen erhoben werden. Jedoch sind Informationen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VIG neu („Abweichungen”) bis zu einem Verwaltungsaufwand von 1000 €, der Zugang zu anderen Informationen bis zu einem Verwaltungsaufwand von 250 € kostenfrei. Wird dieser Aufwand überschritten, ist zunächst der Antragsteller zu informieren, damit er gegebenenfalls den Antrag zurücknehmen kann. Die Gebühren werden ansonsten für Landesbehörden durch Landesrecht, für Bundesbehörden durch Bundesrecht bestimmt.

Haftet die Behörde für unrichtige Informationen?

Nach § 6 Abs. 2 VIG nicht, weil dort bestimmt ist, dass die Behörde nicht verpflichtet sei, die inhaltliche Richtigkeit der Information – außer bei personenbezogenen Daten – zu überprüfen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Bestimmung ist jedoch sehr umstritten, weil es sich bei der Weitergabe von amtlichen Informationen um erhebliche Eingriffe in Gewerbebetriebe handeln kann. Ein Amtshaftungsanspruch gem. Art. 34 GG, § 839 BGB wird jedenfalls in Fällen nicht verneint werden können, in denen die Behörde fahrlässig falsche oder veraltete Informationen weitergibt und dies zu einem Schaden bei den Betroffenen führt.

Haftungsansprüche können sich auch ergeben, wenn die informationspflichtigen Stellen das VIG fehlerhaft auslegen – z. B. indem sie die im VIG vorgesehenen Informationssperren missachten –, da unstreitig eine Amtspflicht zur richtigen Rechtsanwendung besteht.

Zusammenhang von VIG und Verbandsklagen

Die Verbandsklagebefugnisse sind in den letzten Jahren ständig ausgeweitet worden (z. B. Unterlassungsklagengesetz, § 8 Abs. 3 Nr. 3, § 10 UWG). Das VIG liefert diesen Verbänden mögliche Klagegründe frei Haus, sodass auch ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse dieser Verbände an einer umfangreichen Nutzung des VIG besteht.

Zweckmäßiges Verhalten der Unternehmen

Das VIG alter und neuer Fassung stellt neue Anforderungen an das Kommunikationsverhalten der Behörden und Unternehmen. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem VIG lassen sich folgende Empfehlungen zum Verhalten der Unternehmen geben:

Die Unternehmen sollten in Gesprächen mit ihren „Heimat-Ämtern“ (Kreisverwaltungen, Stadtverwaltungen, Untersuchungsämtern) darauf hinwirken, dass sie bei Anfragen, die sich auf das Unternehmen beziehen, informiert werden. Dies ist nach dem VIG nicht nur zulässig, sondern auch sinnvoll.

Da in Zukunft grundsätzlich alles, was sich in den Akten der Vollzugs- und sonstigen Behörden befindet, Dritten zugänglich sein kann, sollte auf eine sachgerechte und vollständige Aktenlage hingewirkt werden. Da man sich stets vergegenwärtigen muss, dass Dritte die Behördenakten „mitlesen“ können, sollte in den Darstellungen der Unternehmen auch die eigene Sichtweise und Bewertung der Unternehmen zu streitigen Sachverhalten argumentativ überzeugend dargelegt werden. Bei Beanstandungen sollte erklärt werden, ob das Problem gelöst wurde und welche Maßnahmen zur Abhilfe durchgeführt worden sind. Dabei sollte stets beachtet werden, dass nicht nur Privatpersonen, sondern auch Organisationen und Wettbewerber Auskunftsberechtigte nach dem VIG sind.

In den Fällen, in denen Informationen zwar nicht weitergegeben werden dürfen, die Behörden gleichwohl zur Weitergabe tendieren, können die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes (Eilanträge an das Verwaltungsgericht) genutzt werden, um irreparable Schäden zu vermeiden. In entsprechenden Fällen sollten Behörden darauf hingewiesen werden, dass es sich bei bestimmten Informationen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt. Entscheidend kommt es hierbei auf die Bewertung durch das Untenehmen, nicht auf die Bewertung durch Außenstehende oder durch Behörden an. Nur in Missbrauchsfällen kann von der Behörde die Eigenschaft als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verneint werden.

Ferner kann es für Unternehmen im Einzelfall nützlich sein, offensiver als bisher bestimmte Informationen an die Behörde weiterzugeben, weil dadurch eine Weitergabesperre an Dritte bewirkt werden kann (vgl. § 3 Abs. 2 d VIG neu). Das gilt immer dann, wenn es nur eine Frage der Zeit wäre, bis die Informationen ohnehin der Behörde bekannt würden.Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, die zuständigen Behörden zu informieren, wenn es sich um Erkenntnisse handelt, die die Sicherheit von Lebensmitteln oder Ausgangsstoffen betreffen (vgl. § 44 LFGB, Art 19 Abs. 3 EG-VO 178/2002, Labore sind bei unsicheren Lebensmitteln oder Rohstoffen gem. § 44a LFGB zu einer Meldung verpflichtet). Auch die irrtümliche Annahme einer Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen bewirkt eine Auskunfts- und Informationssperre.

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