Pressemitteilung | Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF)

9 von 10 jungen Menschen verhüten – aber STI-Zahlen steigen weiter

(München) - Sexuelle Gesundheit bleibt eine Herausforderung. Während das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG, ehemals BZgA) zwar eine erfreulich hohe Verhütungsrate unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen meldet (1), zeigen gleichzeitig steigende Fallzahlen sexuell übertragbarer Infektionen (STI) in allen Altersgruppen: Es besteht dringender Handlungsbedarf (2). Wenngleich die steigenden Zahlen auch auf vermehrte Testung und auf durch Zuzug nach Deutschland neu dokumentierte, bereits im Herkunftsland diagnostizierte Fälle zurückzuführen sind. Besonders problematisch ist jedoch die bestehende Diskriminierung und Tabuisierung von STIs wie Gonorrhoe, Syphilis oder HIV – auch jenseits der bekannten Risikogruppen. Der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) und die Deutsche STI-Gesellschaft e.V. (DSTIG) fordern daher eine umfassendere, lebensphasenübergreifende Präventions- und Aufklärungsstrategie – mit besonderem Fokus auf Entstigmatisierung.

Doppelstrategie: Kondome sind mehr als ein Verhütungsmittel

Laut BIÖG sind Kondome das meistgenutzte Verhütungsmittel unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen – noch vor hormonellen Kontrazeptiva. 67 Prozent dieser Altersgruppe geben an, Kondome zu verwenden, was deren Bedeutung als Doppelstrategie (Schutz vor Schwangerschaft und STI) unterstreicht. Dennoch sehen nur 16 Prozent der Befragten den STI-Schutz als Hauptgrund für die Nutzung (3).

„Obwohl vielen jungen Menschen Safer-Sex-Praktiken bekannt sind, zeigt sich in der Anwendung eine Lücke. Das spiegelt sich auch in den weiterhin steigenden Infektionszahlen wider. Insbesondere beim Thema STI fehlt oftmals das Wissen, dass ein Kondom zwar ‚safer‘ ist, aber nicht automatisch ‚safe sex‘ bedeutet“, erklärt Prof. Dr. Norbert Brockmeyer, Präsident der DSTIG.

Steigende STI-Zahlen: Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Zahlen des Robert Koch-Instituts und internationale Studien zeigen eine besorgniserregende Entwicklung: Syphilis-Fälle stiegen in Deutschland zwischen 2021 und 2022 um 23 Prozent. Weltweit nehmen zudem Resistenzen gegen gängige Antibiotika zur Behandlung der Gonorrhoe zu (4).

„Die zunehmende sexuelle Aktivität in nahezu allen Altersgruppen, insbesondere auch bei den über 50-Jährigen – etwa durch Online-Dating – erfordert neue Ansätze in der Prävention. STIs sind längst kein Thema mehr, das nur junge Menschen oder bestimmte Risikogruppen betrifft“, betont Dr. Klaus Doubek, Präsident des BVF.

Prävention: Mehr Aufklärung für alle Generationen

Die demografische Entwicklung und sich verändernde sexuelle Lebensrealitäten fordern eine Anpassung der Präventionsstrategien. Der BVF und die DSTIG setzen sich dafür ein, dass altersgerechte und zielgruppenspezifische Präventionsangebote ausgebaut werden:
• Für junge Menschen: Niedrigschwellige Angebote, wie beispielsweise die M1 Mädchensprechstunde in der Regelversorgung, Aufklärung in der Schule und in digitalen Medien, die auf die Bedeutung von Safer Sex und regelmäßigen STI-Tests hinweisen.
• Für beide Geschlechter: Den Nutzen von Kondomen über die Empfängnisberatung hinaus sowie effektive Screening- und Behandlungsmöglichkeiten für beide Geschlechter – insbesondere wegen unbemerkten Überträgern, etwa symptomlose Partner.
• Für ältere Generationen: Aufklärung in medizinischen Einrichtungen und der breiten Öffentlichkeit, um das Tabuthema Sexualität im Alter zu entstigmatisieren.

„STI-Prävention bedeutet nicht nur Schutz, sondern auch Dialog – und den Abbau gesellschaftlicher Vorurteile. Nur so gelingt frühzeitige Diagnostik und Versorgung“, betont Brockmeyer.

„Für Frauen in allen Lebensphasen ist die frauenärztliche Praxis zentrale Anlaufstelle, wenn eine Infektion vermutet wird oder eine sexualmedizinische Begleitung gewünscht ist. Das Chlamydien-Screening beispielsweise wird bis zum Alter von 25 Jahren einmal im Jahr von den Krankenkassen übernommen. Die Tests sind sinnvoll mit einer ärztlichen Beratung zu verbinden und eine notwendige und zielführende Behandlung kann rasch eingeleitet werden“, ergänzt Doubek.

STI sind vermeidbar – wenn Prävention ganzheitlich gedacht wird

Fazit: STI sind prinzipiell vermeidbar. Die WHO definiert sexuelle Gesundheit als Zustand des vollständigen körperlichen, emotionalen, psychischen und sozialen Wohlbefindens. Vor diesem Hintergrund wird Prävention mehrdimensional verstanden – als primär, sekundär, tertiär sowie verhaltens- und verhältnisbezogen. Details dazu liefert das Epidemiologische Bulletin 26/2025 (5). Im Hinblick auf die tertiäre Betreuung, zeigt sich, dass dies vor allem auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist: Die Studie „positive stimmen 2.0“ von der Deutschen Aidshilfe (DAH) und dem Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) zeigt am Beispiel HIV deutlich: Viele Menschen mit HIV erleben bis heute eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität – insbesondere durch gesellschaftliche Vorurteile und Diskriminierung (6).

Quellen und weitere Informationen:

(1) https://www.bzga.de/presse/pressemitteilungen/2024-11-21-neun-von-zehn-jungen-menschen-in-deutschland-verhueten-zwei-drittel-nutzen-kondome/
(2) https://www.zdfheute.de/panorama/gesundheit-infektionen-sex-zahlen-steigen-100.html
(3) https://www.bzga.de/fileadmin/user_upload/Infoblatt_Studie_Verh%C3%BCtungsverhalten_2024-20241115_FINAL.pdf
(4) https://de.statista.com/themen/9917/sexuell-uebertragbare-krankheiten-sti/#topicOverview
(5) https://www.rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/Epidemiologisches-Bulletin/2025/26_25.pdf?__blob=publicationFile&v=3
(6) https://www.aidshilfe.de/medien/md/menschen-mit-hiv-in-praxis-klinik-und-pflege/fachinformation-fuer-gesundheitsberufe-pflege-lehre-therapie/stigma-und-diskriminierung/

Quelle und Kontaktadresse:
Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF), Arnulfstr. 58, 80335 München, Telefon: 089 244466-0

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