Abrechnung mit dem Städtebau- und Energiekonzept der Regierung / vbw und BWHT fordern mehr Kontinuität und staatlichen Einsatz
(Stuttgart) - "Wir begrüßen die Anstrengungen der Bundesregierung um mehr Energieeffizienz im Gebäudebestand", sagten die beiden Präsidenten des vbw Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. und des Baden-Württembergischen Handwerktags anlässlich einer gemeinsamen Pressekonferenz. "Doch dürfen die Hausbesitzer vom Staat nicht mit den ökonomischen Belastungen allein gelassen werden", fügte Gerhard A. Burkhardt, Präsident des vbw, hinzu. Insbesondere rügte er die geplanten Mittelkürzungen bei der Gebäudesanierung und bei der Städtebauförderung.
"Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie das Handwerk machen sich für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands und insbesondere Baden-Württembergs stark. Das gilt für die Städte, das gilt für das Wohnen und Leben, das gilt für den sozialen Zusammenhalt und das gilt für Ausbildungs- und Arbeitsplätze im Land", so Burkhardt. "Sollte die Städtebauförderung tatsächlich halbiert werden, könnten dringende Maßnahmen beim Stadtumbau der Kommunen nicht mehr stattfinden, laufende Projekte zögen sich weiter hin und der Einbruch bei den Investitionen hätte gravierende Folgen vor allen Dingen für die Arbeitsplätze im Handwerk", befürchtet Landeshandwerkspräsident Joachim Möhrle.
Der Bund würde nach der Halbierung der Fördermittel für die Städtebauförderung lediglich noch 25 Millionen Euro zur baden-württembergischen Städtebauförderung beitragen. Burkhardt rechnete vor: "Legt man die Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW zugrunde, das den Anstoßeffekt der Städtebauförderung mit einem Faktor 6,4 bei privaten Investitionen und 8,5 beim öffentlichen und privaten Bauvolumen beziffert, so würden die Kürzungen der Bundesmittel um 25 Millionen Euro den Ausfall von 160 Millionen Euro bei privaten Investitionen beziehungsweise den Ausfall von 212,5 Millionen Euro beim öffentlichen und privaten Bauvolumen bewirken."
Die Städtebauförderung stärke den sozialen Frieden und leiste einen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung. Sie zu kürzen, mache ökonomisch keinen Sinn. Die beabsichtigte Halbierung der Förderung zöge bundesweit eine Mindereinnahme von 1,2 Milliarden Euro allein an Mehrwertsteuer nach sich.
Burkhardt sieht allein in Baden-Württemberg etwa 4.500 Arbeitsplätze bedroht. Die Zahlen sähen noch viel schlimmer aus, hätte die Landesregierung von Baden-Württemberg nicht 118 Millionen Euro Landesfördermittel für die Städtebauförderung in Baden-Württemberg im Jahr 2011 zugesagt. "An dieser Stelle beweist die Landesregierung deutlich mehr Weitsicht als die Bundesregierung", so Burkhardt. Denn neben wegfallenden Arbeitsplätzen gehe es im Grunde immer auch um Ausbildungsplätze und die Zukunft der Branchen. "Wir brauchen starke Betriebe, die ausbilden und für fachkundigen Nachwuchs auf diesen Arbeitsgebieten sorgen können", unterstrich Möhrle.
Burkhardt warnte, dass ein zunehmendes Wohlstandsgefälle innerhalb der Gesellschaft einen steigenden Subventionsbedarf im sozialen Bereich auslöse. Die Städtebauförderung helfe, eine soziale Spaltung zwischen prosperierenden und problematischen Quartieren zu verringern. "Es darf nicht zu einer weiteren Benachteiligung der Benachteiligten kommen!", forderte der vbw-Präsident.
Null-Emissions-Gebäude: Rahmenbedingungen müssen stimmen
Beide Verbände kritisierten die Unzuverlässigkeit der Politik. Erst werden gut laufende und erfolgreiche Förderprogramme wie die Städtebauförderung und die CO2-Gebäudesanierung eingeführt. Immerhin zwei Drittel der Mitgliedsunternehmen im vbw haben in den vergangenen drei Jahren KfW-Fördermittel in der Höhe von 550 Millionen Euro abgerufen. Das ergab eine aktuelle Umfrage. Sie fordern darin eine stärkere Berücksichtigung für die Sanierung im Bestand. Nun sollen die Fördermittel jedoch gekürzt, ja halbiert werden.
Schließlich sattelt die Bundesregierung noch drauf und legt ein Energiekonzept vor, das für den Wohnungsbestand bis zum Jahr 2050 die Maximalforderung der "Null-Emissions-Gebäude" vorsieht. "Nicht realisierbar und utopisch", nannte Burkhardt diese Forderungen. Er kritisiert, dass ein Ministerium nicht weiß, was das andere tut. Anforderungen würden hochgeschraubt, während gleichzeitig die Förderung in den Keller führe. "Das nenne ich unkoordiniert. Jeder zieht mit aller Macht an einem anderen Ende des Seiles. Die Wirtschaft steht dazwischen und muss allen Kräften standhalten. Wie soll das funktionieren?", fragte der vbw-Präsident. Die Förderung sollte einheitlich unter einem Dach stattfinden.
"Ein langfristiges Energiekonzept gibt Planungssicherheit. Das ist gut. Doch dürfen die Ansprüche nicht überzogen sein", so Burkhardt und Möhrle. Die beiden Verbände unterstützen die Forderungen des Umweltministeriums, dass wieder dauerhaft zwei Milliarden Euro pro Jahr für das Gebäudesanierungsprogramm zu Verfügung stehen sollten. "Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können im Prinzip alle von "Null-Emissions-Gebäuden" profitieren. Die Bewohner zahlen weniger Heizenergiekosten, der Wert der Gebäude steigt und die Umwelt wird mit einem geringeren CO2-Ausstoß belastet. "Natürlich müssen Investitionen in "Null-Emissions-Gebäude" im Rahmen der Möglichkeiten dann auch mit den Mietern geteilt werden können", sagte Burkhardt. "Übernimmt der Vermieter die Investitionen für die Modernisierung, sollte er an der Einsparung der Energiekosten partizipieren können", betonte auch Möhrle. Vorstellbar sei zum Beispiel, dass der Vermieter über fünf Jahre hinweg die ursprüngliche Warmmiete erhalte. Erst danach profitiere ausschließlich der Mieter von der Einsparung.
Die Präsidenten der beiden Verbände appellierten an das Land, sich wieder stärker auf die Wohnungspolitik zu konzentrieren. Eine gute Wohnsituation im Land stärke den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Im Jahr 2013 wird sich der Bund aus der Wohnungsbauförderung zurückziehen. Dann liegt die finanzielle Verantwortung ganz allein beim Land. "Die Berufstätigen und Familien, die Senioren und Studenten brauchen guten Mietwohnraum und wünschen ein vielfältiges Wohneigentumsangebot", so Burkhardt. Der Markt könne vieles regeln. Doch falle es gerade jungen Familien, Studenten und auch einigen Senioren in den Ballungsräumen und Hochschulstädten schwer, sich am Markt adäquat zu versorgen. "Wir raten dem Land zu einer genauen Analyse bis hinein in die Stadtteile und zur punktgenauen Förderung in diesen Bereichen" sagte Burkhardt. Die Förderung im Landeswohnraumförderungsprogramm sei heute bereits sehr gering. "Sie darf keinesfalls weiter heruntergefahren werden", so Burkhardt. "Es entstünden sonst weit höhere Folgekosten für das Land", warnte er mit Blick auf eine Zunahme des Wohnraummangels und sozialer Problemquartiere.
Quelle und Kontaktadresse:
Baden-Württembergischer Handwerkstag (BWHT)
Eva Hauser, Referentin, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
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