Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

Auch 2003 keine Erholung der Elektroindustrie / Schwache Investitionstätigkeit und Konsumzurückhaltung lassen Umsätze in diesem Jahr um vier Prozent sinken / 2003 nicht mehr als eine „rote“ Null

(Frankfurt am Main) – Die konjunkturelle Entwicklung in der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie gerät angesichts ausbleibender Investitionen und der Zurückhaltung der Verbraucher erneut unter Druck. Zwar ist dem Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V. zufolge die rasante Talfahrt seit Mitte 2001 im Spätsommer langsam zum Stillstand gekommen, doch sei dies nicht auf eine durchgreifende Erholung zurückzuführen. Vielmehr stehe die aktuelle Situation nur wegen des noch schlechteren Vergleichszeitraumes im Vorjahr in einem etwas besseren Licht. Für das Jahr 2002 erwartet der Verband ein Umsatzminus der Branche von vier Prozent auf 154 Mrd. Euro. „Auch der Ausblick auf das nächste Jahr fällt verhalten aus“, erklärte ZVEI-Hauptgeschäftsführer Gotthard Graß anlässlich eines Pressegesprächs in Frankfurt. „Für 2003 erwarten wir bei den Umsätzen und der Produktion bestenfalls eine ’rote’ Null.“ Aber auch ein weiterer Rückgang im kommenden Jahr sei nicht auszuschließen. Das hat entsprechende Auswirkungen auf die Beschäftigung in der zweitgrößten deutschen Industriebranche. Ende des Jahres könnte die Zahl auf weniger als 840.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sinken, so wenige wie seit 1960 nicht mehr.

Maßgeblich geprägt sei diese Situation in der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie durch das ungünstige gesamtwirtschaftliche Umfeld in Deutschland: Für 2003 rechnet Graß mit einem weiteren Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland. Bei elektrotechnischen Gebrauchsgütern drückten die steigende Arbeitslosigkeit, die wachsende Verunsicherung der Verbraucher und deren Erwartung steigender Abgaben und Steuern das Geschäft. So verlaufe das bisherige Vorweihnachtsgeschäft am unteren Rand der Erwartungen. „Jetzt rächt es sich, dass die strukturellen Probleme nicht wirklich angepackt wurden“, so Graß. „Statt mit der Umsetzung seit langem bekannter Konzepte die wirtschaftliche Blockade aufzulösen, erleben wir eine Phase des hektischen Aktionismus.“

Die Folge seien weitere Kostensteigerungen für die Branche. Dem ZVEI zufolge führen die beschlossene Anhebung des Beitragssatzes und der Bemessungsgrenze für die Rentenversicherung zu einem Kostenschub von rund 250 Mio. Euro pro Jahr allein in der Elektroindustrie. So sei etwa jeder vierte Beschäftigte von der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung betroffen, mit entsprechenden Auswirkungen auf die vom Arbeitgeber zu tragenden Lohnnebenkosten. Rechne man die steigenden Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung hinzu, führe dies zu einem Anstieg der Arbeitskosten um einen weiteren Prozentpunkt. Darüber hinaus schlage das Gesetz zur Fortentwicklung der ökologischen Steuerreform und die dadurch steigenden Energiekosten für die Branche mit rund 100 Mio. Euro zu Buche. „In den ersten 50 Tagen der neuen Legislaturperiode haben wir damit einen Kostenschub von jährlich 500 Mio. Euro für unsere Unternehmen“, bilanzierte Graß, „und ein Ende ist bislang nicht in Sicht.“


Rückgang in fast allen Bereichen
Bis Ende September verzeichnet die Branche einen Umsatzrückgang um sechs Prozent auf 113 Mrd. Euro. Von dieser Entwicklung sind so gut wie alle Segmente der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie betroffen. Lediglich die Medizintechnik entwickelte sich im Vergleich zum Vorjahreszeitraum positiv. Mit zweistelligen Einbußen zeigte die Informations- und Kommunikationstechnik den schlechtesten Verlauf. Bei elektronischen Bauelementen flachten sich die Minusraten zuletzt ab. Die meisten anderen Marktsegmente verzeichneten Umsatz-Rückgänge in der Nähe der Fünf-Prozent-Hürde.

Der Export ging bis Ende September um 2,8 Prozent auf 80 Mrd. Euro zurück, wirkte aber tendenziell stabilisierend. Denn mit Inlandskunden rechneten die Elektrotechnik- und Elektronik-Unternehmen in den ersten neun Monaten 7,3 Prozent weniger ab. Bei den Elektroimporten (minus 8,6 Prozent auf 71,9 Mrd. Euro) legten entgegen dem allgemeinen Trend die mittel- und osteuropäischen Herkunftsländer kräftig zu. Nach einem Plus von 40 Prozent und einem Gesamtvolumen von vier Mrd. Euro hat Tschechien inzwischen eine größere Bedeutung als Frankreich. Ähnlich rasant entwickeln sich die Einfuhren aus Ungarn. Hierzu tragen nach Einschätzung von ZVEI-Hauptgeschäftsführer Graß die Ansiedlung deutscher und internationaler Produktionsstätten in diesen Ländern bei: „Das Thema Verlagerung ist gerade in unserer Branche brandaktuell“.

Dies wirkt sich bereits im Rückgang der Produktion aus, der in den ersten neun Monaten mit minus sieben Prozent noch stärker zu Buche schlägt als beim Umsatz. Auch der laufende Strukturwandel in der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, weg von der Produktion traditioneller Hardware hin zu Software und Services, trage, so Graß, im Trend zu dieser Entwicklung bei.


Nachwuchskräfte trotz Beschäftigungsflaute gesucht
Als Folge des kontinuierlichen Produktionsrückganges nahm die Zahl der Arbeitsplätze in den letzten zwölf Monaten um fast 40.000 auf 845.000 ab. Zum Jahresende drohe mit unter 840.000 der tiefste Beschäftigungsstand seit 40 Jahren. Und auch 2003 werde, so Graß, kein Ende dieser Entwicklung bringen. Dennoch suchen die Unternehmen der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie nach wie vor Absolventen der Studiengänge Elektrotechnik, Informatik, Maschinenbau und Wirtschaftsingenieurwesen. Während einer aktuellen ZVEI-Umfrage zufolge die drei größten beteiligten Unternehmen kurzfristig eher weniger Ingenieure einstellen wollen, plant die Mehrzahl der Betriebe einen weiteren Aufbau. „Von den Hochschulen kommen auch weiterhin deutlich weniger Ingenieure als sie unsere Branche trotz derzeit ungünstiger Konjunkturaussichten braucht“, betonte Graß.


Prognose für das kommende Jahr fällt verhalten aus
Für 2003 zeigte sich der ZVEI-Hauptgeschäftsführer wenig optimistisch. Weder gebe es Indizien für eine Auflösung des Investitionsstaus im Inland, und auch aus dem Ausland seien es nur wenig positive Signale zu vernehmen. Zudem wirke der wieder erstarkte Euro dämpfend. So seien auch die Auftragseingänge weiter rückläufig. Bis Ende September waren es sechs Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Von Inlandskunden gingen neun Prozent weniger Orders ein, bei Auslandskunden fielen die Bestelleingänge um knapp zwei Prozent geringer aus. Auch der leichte Anstieg der Auslandsnachfrage im dritten Quartal um gut drei Prozent gegenüber dem Vorjahr dürfe nicht überbewertet werden. „Vor diesem Hintergrund wird 2003 selbst unter günstigsten Bedingungen nicht mehr als eine ‚rote’ Null drin sein“, prognostizierte Graß. Erneut sprach er sich für eine Revision der Tarifabschlüsse für die Metall- und Elektroindustrie aus, die unter völlig anderen konjunkturellen Erwartungen durch massive Streikdrohungen der IG Metall erzwungen wurden: Sie sehen nach einem Plus von vier Prozent zum 1. Juni 2002 einen weiteren Anstieg der Tariflöhne zum 1. Juni 2003 um 3,1 Prozent vor.

Mittelfristig verspricht sich die Branche insbesondere von der Osterweiterung der Europäischen Union und von einer Auflösung des massiven Investitionsstaus ein stärkeres Wachstum. So gebe es in vielen Feldern technische Lösungen der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, die nur auf ihre Markteinführung warten. Beispiele seien das Digitale Terrestrische Fernsehen, das Digitalradio, die Verkehrstelematik oder die so genannten Smart-Home-Technologien. Die Chance, Europa wieder zu einem der Wachstumszentren der Welt zu entwickeln, dürfe nicht durch fehlenden Mut zum Wandel zunichte gemacht werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V. Stresemannallee 19 60596 Frankfurt Telefon: 069/63020 Telefax: 069/6302317

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