Pressemitteilung | Arbeitgeberverband Gesamtmetall e.V.

Ausbildung bei M+E: Wo die tatsächlichen Probleme liegen

(Köln) - Ausbildung und Lehrstellen sind viel zu wichtig, um sie nur zum Medienthema für Schreckensmeldungen über fehlende Ausbildungsplätze zu machen, wie dies als politisches Ritual häufig abgespult wird. Tatsächlich ist die Angebots-Nachfrage-Bilanz jedes Jahr in etwa ausgeglichen. Die tatsächlichen Herausforderungen liegen woanders, zum Beispiel bei den Ausbildungschancen für lernschwächere Bewerber, etwa 10 bis 15 Prozent der Jungendlichen eines Altersjahrgangs.


Ausbildungsplätze: Regelmäßige Schreckensprognosen

Die regelmäßigen Katastrophenprognosen basieren stets auf den Zahlen und Statistiken der Arbeitsämter. Diese Statistiken sind aber nur begrenzt aussagekräftig, da jeweils nur ein Teil der Jugendlichen und Firmen die Arbeitsämter bei ihrer Suche einschalten. Im Berufsbildungsbericht der Bundesregierung von 1999 heißt es hierzu unmissverständlich:

"Lässt sich aus der Entwicklung bei den gemeldeten Ausbildungsstellen und gemeldeten Bewerbern schließen, wie viele Ausbildungsangebote und Nachfrage es Ende September insgesamt geben wird ?

Nein. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass die gemeldeten Ausbildungsstellen und gemeldeten Bewerber den Ausbildungsmarkt, gemessen am Gesamtangebot und an der Gesamtnachfrage, zwar in der Regel zu mehr als 90 % (Einschaltgrad), aber dennoch nicht vollständig abbilden und daher ein Rückschluss auf die absoluten Zahlen des Gesamtangebotes an Ausbildungsplätzen und der Gesamtnachfrage nicht möglich ist.

Das Jahr 1998 bietet hierfür ein Beispiel: Während der Berufsberatung bei den alten Ländern bis Ende September 2.600 Ausbildungsstellen weniger als im Vorjahr gemeldet wurden, war das – gesetzlich definierte – Gesamtangebot an Ausbildungsplätzen dennoch um 19.400 und die Zahl der neuen Ausbildungsverträge um 21.700 gestiegen."

So ist denn auch die Jahr für Jahr angekündigte Katastrophe ausgeblieben. Die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist zwischen 1994 und 1999 von 568.000 auf 631.000 (Stichtag Ende September) mehr oder weniger kontinuierlich gestiegen. Die Angebots-Nachfrage-Situation zeigt eine in etwa ausgeglichene Bilanz, so dass auf jeden Ausbildungsplatz-Bewerber auch ein Lehrstellenangebot entfällt. Natürlich kommt es regional – und insbesondere in strukturschwachen Gebieten – zu Engpässen, und für jeden einzelnen Jugendlichen, der individuell keinen Ausbildungsplatz findet, ist dies ohne Frage eine sehr schwierige persönliche Situation. Insgesamt jedoch sind Angebot und Nachfrage regelmäßig ausgeglichen.


Die spezielle Lage in der M+E-Industrie

Die (notwendigerweise unvollständigen) Zahlen der Arbeitsämter zeigen zu Ende September 1999 für die industriellen M+E-Berufe etwa 41.4000 gemeldete Stellen und ca. 32.000 gemeldete Bewerber. Da dies lediglich eine nur begrenzt aussagekräftige Momentaufnahme ist, lohnt der Blick auf die Anzahl der jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge:

Hier ist für die industriellen M+E-Berufe zwischen 1994 und 1999 ein Anstieg um 46 % zu verzeichnen. Dieser Anstieg wiegt umso schwerer, wenn man bedenkt, dass im gleichen Zeitraum die Zahl der insgesamt Beschäftigen in der M+E-Industrie gesunken ist.

Zum vergleichsweise sehr guten Ergebnis bei den industriellen M+E-Berufen tragen insbesondere die neu geschaffenen IT-Berufe bei. Aber auch andere neu geordnete industrielle M+E-Berufe konnten die Bilanz verbessern:

- Die IT-Systemelektroniker (2.818) und die Fachinformatiker (6.165) kamen in 1999 zusammen auf fast 9.000 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge.
- Für eine Berufsausbildung zum Mechatroniker entschieden sich 3.612 junge Leute.
- Beim Fertigungsmechaniker wurden 1.142 neue Verträge gezählt.
- Elektroanlagen-Monteure und Mikrotechnologen kamen zusammen auf 523 neue Verträge.

Die Zahl der insgesamt in der M+E-Industrie jährlich abgeschlossenen Ausbildungsverträge könnte noch deutlich höher sein, aber selbst in der Zeit des Schülerberges gelingt es nicht allen Betrieben, für alle angebotenen Ausbildungsplätze geeignete Bewerber zu finden - und dies gilt zum Teil selbst in so genannten strukturschwachen Gebieten. Bestimmte Berufe, die (zu Unrecht) als wenig attraktiv gelten, wie z.B. Konstruktionsmechaniker oder Zerspanungsmechaniker, sind davon besonders betroffen. Es gibt keine genauen Statistiken über die Zahl der nicht besetzbaren Ausbildungsplätze bei der Metall- und Elektro-Industrie. Erfahrungswerte aus einzelnen Regionen und Firmen lassen aber die Einschätzung zu, dass mindestens 5 Prozent aller Plätze unbesetzt bleiben. Dies ist immerhin eine Größenordnung von jährlich etwa 3.000 Ausbildungsverträgen.

Ein weiteres Ärgernis für die ausbildenden Firmen besteht darin, dass ein Teil der bereits abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse zum Ausbildungsbeginn gar nicht angetreten wird. Eine Nachbesetzung ist in aller Regel nicht möglich, weil der Markt dann keine geeigneten Bewerber mehr hergibt. Die Größenordnung dieser nicht angetretenen Ausbildungsverhältnisse dürfte (geschätzt) bei 2 Prozent und damit jährlich bei gut 1.000 Verträgen liegen.


Die tatsächlichen Herausforderungen: Lernschwächere Bewerber

Bis etwa 2006 ist – zumindest in den westlichen Bundesländern – mit einem demografisch bedingten weiteren Anstieg der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen zu rechnen. Die potenziellen Anbieter von Ausbildungsplätzen sind deshalb gehalten, ihre Ausbildungsanstrengungen weiter fort zu setzen und, soweit möglich, zu erhöhen. Insbesondere Bereiche, die in den letzten fünf Jahren nicht zur Erhöhung des Angebotes beigetragen haben, wie z.B. das Handwerk (alle Berufe im Durchschnitt). die freien Berufe oder auch der Öffentliche Dienst, sind hier besonders gefordert.

Neben diesen Anstrengungen durch die Ausbilder sind aber auch strukturelle Reformen bei der Ausbildung dringend notwendig. Insbesondere die Schaffung von Ausbildungsberufen für lernschwächere Bewerber ist dringender denn je: Es darf nicht länger hingenommen werden, dass für die etwa 10 bis 15 Prozent der Jugendlichen eines Altersjahrgangs, die allgemein als "lernschwächer" gelten, keine oder kaum adäquate Ausbildungsberufe zur Verfügung stehen.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Jeder Jugendliche soll nach seinen Möglichkeiten gefördert werden, und die diesbezüglichen Maßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit zur Förderung der Berufsreife sind zu unterstützen. Aber trotz intensiver Förderung lassen sich manche Begabungen und Fähigkeiten nicht erzwingen. Faktisch wird für einen Teil der Jugendlichen die Berufsausbildung in einem anspruchsvollen Ausbildungsberuf verschlossen bleiben. Wenn diesen Jugendlichen keine Ausbildungsangebote mit vergleichsweise verringertem Anspruch geboten werden können, haben diese Jugendlichen gar keine Chance. Dies ist ein verschleudertes Mitarbeiterpotenzial für die Unternehmen - aber vor allem verweigert man den Jugendlichen die Chance, sich über die Arbeit in ihrem Gebiet zu beweisen.

Die Gewerkschaften, die sich bislang der Schaffung solcher Berufe widersetzen, bleiben aufgefordert, ihre Position im Interesse der betroffenen Jugendlichen und im Interesse der Gesamtgesellschaft neu zu überdenken.


Alle Beteiligten sind gefordert

- Die Betriebe müssen bereits heute bedenken, dass ab 2005 / 2006 die Bewerberdecke dünner wird und es (noch) schwieriger sein wird, genügend Nachwuchs zu rekrutieren. Deshalb wird dann der am besten dastehen, der bereits heute alle seine Ausbildungsmöglichkeiten nutzt. Dies deutlich zu machen, ist auch Aufgabe von Arbeitgeberverbänden.

- Den Jugendlichen, die ihren "Traumberuf" regional nicht angeboten bekommen, ist die Prüfung überregionaler Angebote und / oder die Aufnahme einer Berufsausbildung in einem Beruf der zweiten oder dritten Wahl nahe zu legen.

- Die Gewerkschaften sind aufgefordert, ihre grundsätzlich ablehnende Haltung gegen die Schaffung von Berufen für lernschwächere Jugendliche zu überprüfen, damit zumindest für einen Teil dieser Jugendlichen eine realisierbare Ausbildungsperspektive besteht.

Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband der metallindustriellen Arbeitgeberverbände e.V. (Gesamtmetall) Volksgartenstr. 54 a, 50677 Köln Telefon: 0221/33990 Telefax: 0221/3399233

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