Pressemitteilung | Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK)

Ausbildungsplatz-Strafsteuer belastet das Klima

(Siegen) - Die geplante Ausbildungsplatz-Abgabe hat mit wirtschaftspolitischem Augenmaß nicht das Geringste zu tun. Sachargumente spielen bei dem Vorhaben offenbar keine Rolle mehr. So bewertet die Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) die Pläne der rot-grünen Bundesregierung, eine Ausbildungsabgabe einzuführen.

IHK-Präsident Franz Becker: "An dem Vorhaben wird deutlich, dass die Regierung in der Wirtschaftspolitik nach wie vor auf zentralstaatliche Lenkung und nicht auf freiwillige Lösungen setzt. Es ist bedauerlich, dass sich sowohl Bundesminister Wolfgang Clement als auch die Spitzen der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit ihren Sachargumenten gegen die Umlage nicht durchsetzen konnten." Es sei ein grundlegender Irrtum zu glauben, der Staat könne den Unternehmen ein gewisses Maß an Lehrstellen per Gesetz oder Verordnung vorschreiben. Die Abgabe werde sich an der Lohn- und Gehaltsumme oder der Mitarbeiterzahl orientieren. Sie wirke daher wie eine Lohnsummensteuer. Im Ergebnis würden die schon viel zu hohen Lohnnebenkosten in Deutschland weiter ansteigen. Die Beschäftigung in den Unternehmen werde weiteren Schaden nehmen, der Bedarf an qualifizierten Kräften mittelfristig sinken. Daraus folge, dass sich die Ausbildungsneigung der Unternehmen automatisch weiter verringere. Im Ergebnis würden sich zahlreiche Unternehmen aus der Ausbildung freikaufen. Die Bundesregierung hebe die betriebliche Ausbildung auf die gleiche Stufe wie die Schwerbehinderten-Abgabe. Insbesondere der Mittelstand werde die Kosten zu tragen haben. Allein der Aufwand zur Feststellung der individuell für jeden Betrieb zu berechnenden Ausbildungsquoten würde einen Großteil des Abgaben-Aufkommens direkt verschlingen.

Ein verhängnisvoller Fehler besteht nach Auffassung der IHK-Vollversammlungsmitglieder auch darin, dass nach der Einführung der Abgabe die Ausbildungsmöglichkeiten einseitig an den Interessen der Jugendlichen orientiert werden. Bisher seien Ausbildungs- und Beschäftigungsmarkt eng miteinander verzahnt, so dass Jugendliche auch Stellen annähmen, die nicht ihren Erstwünschen entsprechen. Dies werde durch die Einführung der Abgabe grundsätzlich umgekehrt. Die Jugendlichen würden bei ihren Berufswünschen nicht realistischer, weil sie nach dem jeweiligen Stichtag im Herbst eines jeden Jahres ohnehin vom Staat eine Lehrstelle ihrer Wahl zugewiesen bekommen. Hinzu käme, dass die bisher über Bedarf ausbildenden Unternehmen erwartungsgemäß ihre Ausbildungskapazitäten bis zur festgelegten Ausbildungsquote zurückfahren würden. Appelle an Unternehmen, über Bedarf auszubilden, seien vor diesem Hintergrund zukünftig überflüssig. "Die insbesondere von den IHKs in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich betriebene Lehrstellenwerbung wird grundsätzlich in Frage gestellt", so IHK-Präsident Becker.

Die mittelständisch strukturierte Unternehmenslandschaft in Siegen-Wittgenstein und Olpe habe keinerlei Verständnis für eine Regierung, die sonntags die Senkung der Lohnnebenkosten predige und montags das Gegenteil verkünde. Allein im IHK-Bezirk Siegen seien im Jahr 2003 trotz aller gegenteiliger Befürchtungen rund 4 Prozent mehr Lehrverträge abgeschlossen worden als im vergangenen Jahr. Die Wirtschaft habe in den letzten neun Jahren ihre Ausbildungsleistung um knapp 40 Prozent gesteigert. Wer diese Anstrengungen verkenne, der handele nicht auf der Basis von Sachargumenten, sondern betrachte die vorgesehene Abgabe offensichtlich ausschließlich als Kompensation für die "Grausamkeiten" der Agenda 2010.

Quelle und Kontaktadresse:
Industrie- und Handelskammer Siegen (IHK) Koblenzer Str. 121, 57072 Siegen Telefon: 0271/3302317, Telefax: 0271/330244384

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