AvD: EU-Beschluss kein Freibrief für Führerscheintourismus / Aufbau eines EU-Informationsnetzes und eine Harmonisierung ist nötig
(Frankfurt am Main) - Der Automobilclub von Deutschland (AvD) befürchtet, dass der Beschluss EuGH vom 6. April 2006 zur gegenseitigen Anerkennung von Führerscheinen in der EU als positives Signal für den Führerscheintourismus falsch verstanden wird.
Im vorliegenden Fall wurde ein Deutscher wegen Rauschgift-Delikten in den 90er Jahren rechtskräftig verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen und eine 18-monatige Sperrfrist für den Neuerwerb verhängt. Aus beruflichen Gründen verlegte er seinen Wohnsitz nach Österreich und erwarb dort knapp fünf Jahre nach dem Entzug der Fahrerlaubnis und nach Absolvierung einer medizinischen und einer psychologischen Untersuchung zur Fahreignung eine neue Fahrerlaubnis, deren Anerkennung ihm nach seinem Umzug nach Deutschland im Juli 2003 verweigert wurde.
Der EuGH stellte fest, dass einer nach Entzug und Ablauf der Sperrfrist unter Beachtung des Wohnsitzprinzips im EU-Ausland erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland die Anerkennung nicht verwehrt werden darf, auch wenn im Ausland keine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) im deutschen Sinne abgelegt wurde. Die Umschreibung einer ausländischen Fahrerlaubnis in eine deutsche darf nicht unter Hinweis auf Umstände verwehrt werden, die bereits vor dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis bestanden haben. Lediglich neue Umstände können, wie bei jedem anderen Fahrerlaubnisinhaber, eine erneute Fahreignungsprüfung - auch nach deutschem Recht - begründen.
Damit wird die derzeit in Deutschland gängige von vielen Obergerichten unterstützte Praxis gekippt, eine MPU in den Fällen "nachträglich" anzuordnen, in denen der Betroffene beim Führerscheinneuerwerb in Deutschland eine MPU hätte machen müssen.
Obwohl der AvD den Grundsatz der allgemeinen gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen innerhalb der EU grundsätzlich befürwortet, sieht er jedoch gleichzeitig die Gefahr, dass die EuGH-Entscheidung neues Wasser auf die Mühlen der Befürworter des Führerscheintourismus ist.
Der AvD fordert deshalb die EU-Mitgliedsstaaten auf, jeden Antrag auf Wiedererwerb der Fahrerlaubnis sorgfältig und im Sinne der EU-Richtlinie zu prüfen. Besondere Beachtung müssen dabei neben dem Wohnsitzprinzip (2. Führerscheinrichtlinie Artikel 7 Absatz 1 B: "Die Ausstellung des Führerscheins hängt außerdem ab vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student - während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten - im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats.") vor allem Informationen der Fahrerlaubnisbehörden des Heimatlandes finden. Der Aufbau und die Nutzung eines Informationsnetzes, wie sie der Entwurf der 3. Führerscheinrichtlinie vorsieht, sind dabei zwingend notwendig.
Langfristig kann das Problem des Führerscheintourismus jedoch nur durch eine Harmonisierung der Regeln des Führerscheinerwerbs - insbesondere im Hinblick auf Prüfung und Feststellung der Fahreignung - in den Griff bekommen werden.
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