Pressemitteilung | Trägerverein des Deutschen Presserats e.V.

Berichterstattung über Attentat auf Außenministerin gerügt: Kombination von Foto und Schlagzeile unangemessen sensationell

(Bonn) - Auf seiner letzten Sitzung in diesem Jahr hat der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats vier öffentliche Rügen ausgesprochen. Der BERLINER KURIER wurde öffentlich gerügt, da er in der Berichterstattung zum Tod der schwedischen Außenministerin Anna Lindh ein Foto der Politikerin veröffentlicht hatte, das sie schwer verletzt auf der Bahre eines Krankenwagens zeigt. Dazu hatte die Zeitung die Überschrift gestellt: „Hier stirbt Anna Lindh“. Der Beschwerdeausschuss wertete die Darstellung als schweren Verstoß gegen den Pressekodex (Ziffern 1 und 11) und rügte die Zeitung. Das Foto zeigt die schwerverletzte Frau Lindh zwei Tage vor der Veröffentlichung der Zeitung. Bereits am Tag vor der Veröffentlichung war das Opfer tot. Mit dem Beitrag wird jedoch der sterbende Mensch in den Mittelpunkt gerückt und mit einer Überschrift verknüpft, die zum Zeitpunkt der Fotoaufnahme unzutreffend war. Die Zeitungsveröffentlichung wirkt wie eine rückwirkende Voraussage der Zeitung und erhält damit einen unangemessen sensationellen Charakter.

Die Ziffer 11 sagt:
„Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.“

Ziffer 1 erläutert:
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“

Ausdrücklich betonte der Beschwerdeausschuss, dass die Veröffentlichung allein des Fotos der verletzten Politikerin nicht gegen den Kodex verstoßen hätte. Es sei durch das öffentliche Interesse gedeckt und ein Dokument der Zeitgeschichte. Einen – in diesem Fall vermeintlich – sterbenden Menschen zu zeigen, wie es die Überschrift suggeriert, sei mit der Aufgabe der Presse jedoch nicht vereinbar. Gerügt wurde die Veröffentlichung ausschließlich wegen der Kombination von Foto und unzutreffendem Text.

Zwei weitere Zeitungen wurden wegen einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten gerügt. So hatte die LEINE-ZEITUNG über eine Vergewaltigung berichtet und dabei mit einer Vielzahl von Detailangaben das Opfer für einen größeren Personenkreis erkennbar gemacht. Außerdem veröffentlichte sie mit der Wiedergabe einer Zeugenaussage Details der Vergewaltigung. Nach Meinung des Beschwerdeausschusses hat die Zeitung damit grob gegen Ziffer 8 des Pressekodex verstoßen. Diese sagt aus:

„Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden. [...]“

Eine öffentliche Rüge aufgrund einer Verletzung der Ziffer 8 erhielt auch die BILD-Zeitung. Sie hatte über den Tod eines jugendlichen Zuschauers bei einem illegalen Autorennen in Nürnberg berichtet und dazu ein Foto gestellt, das den Toten in identifizierbarer Weise zeigt. Dazu setzte die Redaktion den Vornamen, den abgekürzter Nachnamen und das Alter des Opfers. Nach Auffassung des Ausschusses hätte die Zeitung ohne weiteres berichten dürfen, wenn sie das Foto anonymisiert hätte. Ein überwiegendes öffentliches Interesse, etwas über die Identität des Opfers zu erfahren, erkannte der Ausschuss nicht.

Wegen einer Vermischung von redaktionellem Teil und Werbung wurde die Programmbeilage BWZ (Bunte Wochen Zeitung) gerügt. Sie hatte unter der Rubrik „Gesundheitstipps“ unverblümt Werbung für Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel gemacht. Während die Redaktion die Beiträge als „Leserservice“ für legitim hielt, sah der Presserat Schleichwerbung für die jeweils genannten Produkte.

In der Ziffer 7 Pressekodex wird Schleichwerbung wie folgt definiert:

„Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeug-nisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht. [...]“

Insgesamt hat der Beschwerdeausschuss auf seiner Sitzung 27 Beschwerden behandelt. Außer den vier Rügen sprach er neun Missbilligungen und zwei Hinweise aus. Neun Beschwerden erachtete er als unbegründet, eine war nicht aufklärbar.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Presserat Gerhard-von-Are-Str. 8, 53111 Bonn Telefon: 0228/985720, Telefax: 0228/9857299

NEWS TEILEN: