Bundesweit sind rund 50 Prozent der Zivildienstplätze vakant
(Frankfurt) - In Pflegeeinrichtungen, Ambulanten sozialen Diensten und bei der Individuellen Betreuung schwerstbehinderter Menschen können immer mehr Zivildienstplätze nicht besetzt werden. "Der Dienst am Menschen muss unbedingt attraktiver gestaltet werden", betont Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des PARITÄTISCHEN Gesamtverbandes. Er legte am 04. August in Frankfurt am Main einen Diskussionsentwurf für eine Reform des Zivildienstes vor. Dieser beinhaltet ein Maßnahmenpaket, das unter anderem eine Solderhöhung für Zivis im Dienst am Menschen vorsieht. In anderen Bereichen solle die Zahl der Zivildienstleistenden drastisch reduziert werden.
Von den fast 27.000 Zivildienstplätzen bei Mitgliedsorganisationen des PARITÄTISCHEN Wohlfahrtsverbandes sind derzeit nur 10.489 besetzt - nicht einmal 40 Prozent. Ähnlich sieht es bei der Gesamtzahl aller Zivildienstplätze in Deutschland aus: Von 189.283 Plätzen waren im Juli laut Bundesamt für den Zivildienst nur 93.361 (49 Prozent) belegt. Da es wegen des Jahrgangswechsels Überlappungen gibt, waren im Juli rund 97.000 Zivis auf diesen Stellen tätig.
Besonders hart ist von der negativen Entwicklung der Bereich "Dienst am Menschen" betroffen: Von den dort zur Verfügung stehenden 141.153 Zivildienstplätzen sind nur 46,7 Prozent (65.922) belegt. Deutlich besser sind mit 57 Prozent noch Plätze im handwerklichen und Verwaltungsbereich besetzt, wenngleich auch hier die Zahlen in den Keller gegangen sind. Von den 48.130 Plätzen außerhalb des Dienstes am Menschen waren im Juli 27.439 belegt.
Angesichts dieser Tendenzen hält der PARITÄTISCHE eine Neuorganisation und Fortentwicklung des Zivildienstes für unabdingbar. Der Dachverband von rund 10.000 Einrichtungen und Initiativen im Bereich Gesundheitspflege, Behindertenhilfe und Selbsthilfe erarbeitete dazu ein Diskussionspapier. "Es soll ein erster Baustein für ein umfassendes Konzept zur Reform des Zivildienstes sein", erläuterte Hauptgeschäftsführer Schneider. Nötig sei zudem die Weiterntwicklung freiwilliger sozialer Dienste und die Aufstockung regulären hauptamtlichen Personals.
Da sich im Zuge der Wehrstrukturreform eine weitere Verkürzung des Zivildienstes auf zehn Monate abzeichne, werde es für die Einsatzstellen immer schwieriger, Zivildienstleistende einzuplanen. "Schon jetzt klaffen im Sommer riesige Löcher in den Einsatzplänen", sagte Schneider.
Die aktuell bereits auf 124.000 gedeckelte Jahresdurchschnittszahl der Zivildienstleistenden solle vom Jahr 2002 an weiter auf 110.000 gesenkt werden. Dies werde massive Auswirkungen vor allem auf den Dienst am Menschen haben. Die Praxiserfahrung zeige, dass dieser Dienst, der häufig mit Sieben-Tage-Woche sowie Früh- und Spätdienst verbunden ist, von immer weniger Zivildienstleistenden gewählt werde. Als attraktiver gelten Hausmeister-, Fahrer- und Gärtner- oder Verwaltungsstellen.
So geht der PARITÄTISCHE davon aus, dass ab dem Jahr 2002 nur noch 52 Prozent der Zivildienstplätze im Dienst am Menschen belegt werden, in den anderen Bereichen jedoch 77 Prozent. Schneider: "Schon jetzt klagen zahlreiche Träger in der Alten- und Behindertenhilfe sowie der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung, ambulanten Pflege und im Mobilen sozialen Dienst darüber, dass sie ihre Zivildienststellen nicht mehr besetzen können. Diese Situation wird sich noch wesentlich verschärfen, wenn wir nicht deutlich entgegen steuern."
Dazu stellt der PARITÄTISCHE folgendes Maßnahmenpaket zur Diskussion:
Der Einsatz von Zivildienstleistenden außerhalb des Dienstes am Menschen sollte drastisch eingeschränkt werden;
Der Dienst am Menschen soll für Zivildienstleistende attraktiver gestaltet werden. So kann der Sold auf 17.50 Mark täglich erhöht werden, während Zivildienstleistende in anderen Bereichen nur 14.50 Mark erhalten sollen; der Zivildienst am Menschen soll zudem freiwillig um zwei Monate verlängert werden können. Während dieser Zeit sollen die Männer ein Taschengeld von 35 Mark täglich sowie ein um 500 Mark höheres Entlassungsgeld erhalten;
Die Wahl des Einsatzortes durch Zivildienstleistende sollte nur für folgende Tätigkeitsbereiche gelten: Pflegehilfe und Betreuungsdienste, Rettungswesen, Mobile Soziale Hilfsdienste, Individuelle Schwerstbehindertenbetreuung von Erwachsenen und von Kindern in integrativen Einrichtungen;
Als Alternative zum Zivildienst können anerkannte Kriegsdienstverweigerer einen Dienst im sozialen Bereich, Umwelt-, Natur- oder Denkmalschutz leisten, der mindestens zwei Monate länger dauert als der Zivildienst. Sie erhalten bis zum 10. Monat täglich 17,50 Mark, danach 35 Mark Taschengeld.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e.V. -
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