Der Einfluss der Aktienbaisse auf den privaten Verbrauch
(Berlin) - Mit der nun seit mehr als zwei Jahren andauernden Baisse an den internationalen Wertpapierbörsen hat sich das Interesse an der Frage, in welcher Weise die Börsenkurse die konjunkturelle Entwicklung beeinflussen, spürbar erhöht. In erster Linie haben die Befürchtungen zugenommen, dass die dramatischen Kursrückgänge den privaten Verbrauch dämpfen und damit der konjunkturelle Aufschwung ins Stocken gerät. Sind diese Überlegungen korrekt, könnten sie damit eine weitere Erklärung für die derzeit schwache Konjunktur liefern.
Hinter der Vermutung steht allerdings die Annahme, dass nicht nur die Höhe des laufenden Einkommens, sondern auch die Höhe des Vermögens einen Einfluss auf die Konsumneigung habe. Auf den ersten Blick spricht einiges dafür, dass ein solcher Zusammenhang tatsächlich besteht, hat sich doch im Verlaufe der neunziger Jahre mit dem Anstieg der Aktienkurse auch die Sparquote deutlich verringert. Man könnte also durchaus argumentieren, dass dies deshalb der Fall war, weil die privaten Haushalte ihre Sparziele nun schneller erreichen konnten und deshalb mehr für den Konsum übrig blieb. Bei massiven Kursrückgängen müsste sich das Verhalten dann umkehren; die privaten Haushalte sparen wieder mehr. Und in der Tat ist die Sparquote im vergangenen Jahr wieder leicht angestiegen.
Obwohl also vordergründig einiges für die Hypothese spricht, der zögerliche Konjunkturaufschwung werde zusätzlich durch den Kursverfall an den internationalen Börsen gebremst, sollte ihr mit Vorsicht begegnet werden. Vermögensbildung ist ein äußerst vielschichtiges Phänomen, über das zudem nur verhältnismäßig wenige Daten verfügbar sind. Solange andere Faktoren für die Veränderung der Sparquote nicht auszuschließen sind, muss der geschilderte Zusammenhang zwischen Sparquote und Vermögen mit Vorsicht interpretiert werden. Dies gilt vor allem dann, wenn der Anteil der Aktien am Gesamtvermögen wie in Deutschland eher gering ist.
Empirische Untersuchungen der OECD haben ergeben, dass der Einfluss des Wertes börsennotierter Aktien auf den privaten Verbrauch zwar in den USA durchaus merklich, in Deutschland jedoch kaum spürbar sein dürfte. So soll ein Rückgang des Aktienindexes um 10 % in den USA den nominalen privaten Verbrauch um 0,6 % senken, in Deutschland jedoch weniger als 0,2 %. Auch nach den starken Kursrückgängen an der deutschen Börse dürfte unter diesen Umständen der negative Impuls auf den privaten Verbrauch allenfalls 0,5 % pro Jahr betragen. Daraus würde sich, da der private Verbrauch etwa 60 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, ein negativer Wachstumsimpuls von 0,2-0,3 % Bruttoinlandsprodukts ergeben. Preisbereinigt wäre der Effekt noch niedriger und läge im Bereich der normalen Schwankungsbreite der Konjunkturprognosen.
Auch wenn man die Vermögensentwicklung der letzten beiden Jahre untersucht, besteht kein Grund zu einer übermäßigen Besorgnis. Tatsache ist, dass sich der Wert der an den internationalen Börsen notierten Aktien seit Ende 1999 erheblich verringert hat. Dennoch wäre es falsch, daraus unmittelbar Rückschlüsse für den Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung zu ziehen. Denn zum einen waren die Börsen in unterschiedlichem Ausmaß von den Kurskorrekturen betroffen und zum anderen bestehen beträchtliche nationale Unterschiede in der Zusammensetzung des Geldvermögens der privaten Haushalte. Insbesondere der Aktie besitzt in Deutschland im Gegensatz zu den USA für das Geldvermögen der privaten Haushalte noch immer eine untergeordnete Bedeutung.
Ende 1999 kurz vor Ende des Börsenbooms belief sich das Geldvermögen der privaten Haushalte in den USA auf 34,85 Billionen $. Mit 9,2 Billionen $ erreichte der direkte Aktienbesitz dabei einen Anteil von mehr als 26 %. Da hierzu noch Aktienbesitz bei Investmentfonds, Lebensversicherungen und Pensionsfonds hinzu zu addieren ist, dürfte der Anteil der Aktien am gesamten Geldvermögen der privaten Haushalte leicht ein Drittel erreichen. In Deutschland war bei einem gesamten Geldvermögen von 3,57 Billionen Euro und einem Aktienvermögen von 461 Mrd Euro, der Anteil am gesamten Geldvermögen weniger als halb so hoch wie in den USA. Da auch der indirekte Aktienbesitz aufgrund fehlender Pensionsfonds in Deutschland erheblich niedriger ist, konnte in der Folge der Kursrückgang auch keine so dramatischen Folgen annehmen wie in den USA.
Die Kursverluste an den Aktienmärkten verminderten den Buchwert der Aktien im Geldvermögen der privaten Haushalte in Deutschland bis Ende 2001 um 124 Mrd Euro. Das gesamte Geldvermögen stieg trotz dieser Bewertungskorrekturen noch leicht auf 3,65 Billionen Euro an. Der Aktienanteil reduzierte sich auf 9,2 %. Ganz anders dagegen in den USA. Bis zum Jahresende 2001 war der Wert der Aktien in den Depots der privaten Haushalte um 3,3 Billionen $ gesunken. Durch den Kursrückgang im Verlauf diesen Jahres dürfte eine weitere halbe Billion an Buchverlusten hinzu gekommen sein. Unterstellt man den gegenwärtigen Wechselkurs zwischen Euro und Dollar, so heißt dies, dass innerhalb von zwei Jahren in den USA ein Vermögen in der Höhe des gesamten deutschen Geldvermögens vernichtet worden ist. Dies hatte auch für die amerikanischen Haushalte gravierende Folgen. Ihr Geldvermögen sank um reichlich 10 %.
Vergleicht man die Entwicklung der Marktkapitalisierung der amerikanischen Börsen NASDAQ und NYSE mit der der deutschen Börse, so wird aufgrund der parallelen Wertentwicklung deutlich, dass allein der höhere Aktienanteil in den USA für die ungünstigere Entwicklung des Geldvermögens in den USA verantwortlich war. Damit ist allerdings noch nicht sicher, dass in den USA eine Beeinträchtigung des privaten Verbrauchs eintritt. Denn das Geldvermögen ist schließlich nur ein Teil des Gesamtvermögens der privaten Haushalte. Es wird ergänzt durch das Immobilienvermögen, welchem in den USA eine große Bedeutung zukommt. Da sich die Immobilienpreise in den zurückliegenden Jahren in den USA positiv entwickelt haben, der Wert der Immobilien also gestiegen ist, dürften die Vermögensverluste insgesamt deutlich niedriger ausgefallen sein, als es die Entwicklung des Geldvermögens suggeriert.
Hinzu kommen noch zwei weitere Aspekte, die in gleichem Maße auch für Deutschland Gültigkeit besitzen. Die Statistik bewertet die Aktien in den Depots der privaten Haushalte stets an einem Stichtag, in der Regel zum Jahresende. Die Wertentwicklung der Aktien im Zeitablauf sind immer nur Buchgewinne und -verluste. Ob und welche tatsächlich realisierten Gewinne oder Verluste sich dahinter verbergen, läßt sich nicht ermitteln. Erst wenn die privaten Haushalte erwarten, dass es langfristig nicht zu einer Erholung der Aktienkurse kommt, werden auch die Buchverluste einen Einfluss auf das Konsumverhalten haben. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn in den USA und in Deutschland eine mit Japan vergleichbare Entwicklung zu befürchten wäre. Dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Vermögen ungleich verteilt sind und dass insbesondere der wohlhabendere Teil der Bevölkerung über Aktienbesitz verfügt. Diese Bevölkerungskreise werden aber ihr Konsumverhalten durch die erlittenen Kursverluste vermutlich kaum spürbar verringern.
Alles in allem kann der Einfluss der durch die Aktienbaisse erlittenen Vermögensverluste auf die aktuelle Wirtschaftsentwicklung als eher vernachlässigbar eingestuft werden. Dennoch ist die Entwicklung an den internationalen Börsen für die gegenwärtige Wirtschaftsentwicklung nicht ohne Bedeutung. Börsen gelten seit jeher als exzellenter Stimmungsindikator. Und diese Aufgabe erfüllen sie auch derzeit. Die großen Unternehmenszusammenbrüche in den USA haben zusammen mit den damit einher gegangen Bilanzmanipulationen und geschönten Unternehmensanalysen zu einer großen Verunsicherung der Investoren geführt. Informationen sind der Rohstoff eines globalen nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen agierenden Weltwirtschaftssystems. Wenn die von den Unternehmen veröffentlichten Daten aber nicht mehr der Wirklichkeit entsprechen also nicht mehr vertrauenswürdig sind, verlieren sie ihren Informationsgehalt und die Marktwirtschaft schließlich ihre Basis.
Die wahre Gefahr für die Weltkonjunktur beruht also in der gegenwärtigen Verunsicherung, inwieweit Unternehmensinformationen vertrauenswürdig sind. Solange hier Zweifel bestehen, werden sich Investoren nicht nur an den Börsen zurückhalten
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB)
Burgstr. 28
10178 Berlin
Telefon: 030/16630
Telefax: 030/16631399
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