Pressemitteilung | Eurojuris Deutschland e.V.

EuGH urteilt über Schrottimmobilien – Banken tragen Gesamtrisiko bei fehlender Widerrufsbelehrung

(München) - Die mit Spannung erwarteten Urteile des EuGH zu den sog. Schrottimmobilien haben eindeutig die Rechte der Anleger gestärkt und die anlegerfeindliche Rechtsprechung des XI. BGH-Senats in ihre „europarechtlichen Schranken“ verwiesen. Haben die Banken bei in Haustürsituationen zustande gekommenen Kreditverträge – wie in den meisten Fällen – keine Widerrufsbelehrung erteilt, so tragen sie das Gesamtrisiko der Kapitalanlage. Anleger dürfen aus den Versäumnissen der Banken keine negativen finanziellen Folgen erleiden.

Den Urteilen des EuGH gingen zwei Vorlagen deutscher Gerichte (LG Bochum, OLG Bremen) voraus, die die anlegerunfreundliche Anwendung von Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes sowie des Verbraucherkreditgesetzes (mittlerweile ins BGB integriert) auf Europarechtskonformität geprüft wissen wollten. Im Falle des Widerrufs eines Kreditvertrags ist nach bisheriger Rechtsprechung die Darlehensvaluta sofort zurückzuzahlen. Der Anleger kann seiner Pflicht zur Rückgewähr auch nicht durch Übereignung der Immobilie nachkommen. Da er das Darlehen jedoch mangels eigenen Kapitals bzw. mangels möglicher Anschlussfinanzierung aufgrund mangelnder Werthaltigkeit von Immobilie und Grundpfandrecht nicht zurückzahlen kann, geht das Widerrufsrecht praktisch ins Leere, da der Anleger schlechter als bei einem wirksamen Kreditvertrag steht.

Hierzu hat der EuGH in einem ersten Schritt festgestellt, dass an dieser Auslegung bzw. an solchen nationalen Regelungen – ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vorausgesetzt – keine europarechtlichen Bedenken bestehen. Die Verbraucherschutz-Richtlinie 85/577/EWG vom 20.12.1985 stehe dem nicht entgegen. Neben der Frage der Rückabwicklung wurde auch über das Vorliegen eines Haustürgeschäfts entschieden. Entgegen der bisherigen nationalen Rechtsprechung kommt es jedoch nicht darauf an, ob der Bank die Haustürsituation bekannt war oder nicht.

Weitaus praxisrelevanter und für die zahlreichen betroffenen Anleger viel wichtiger ist jedoch die zweite Feststellung des EuGH. Bei unterlassener Belehrung über die Widerrufsrechte der Anleger bei Haustürgeschäften sind die Banken hingegen verpflichtet, die mit den „Kapitalanlagen verbundenen Risiken“, mithin das Gesamtrisiko zu tragen. Wären die Anleger ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden und hätten sie sich infolgedessen zu einem Widerruf entschlossen, so hätten sie auch die Immobilie nicht erworben. Der Anleger hätte bei ordnungsgemäßer Belehrung „vermeiden können, sich diesen Risiken auszusetzen“.

Wie und in welchem Umfang die Risiken von den Banken getragen werden müssen, hat der EuGH jedoch offen gelassen. Nach Ansicht des EuGH ist es „Sache der nationalen Gerichte“, „geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers“ zu treffen.

Nach den Feststellungen des EuGH und unter Anwendung der nationalen Schadensregeln erscheint es nicht ausgeschlossen, dass für den Fall der unterlassenen Widerrufsbelehrung nun doch eine „Rückabwicklung“ des Kredit- und Immobilienkaufvertrags zu erfolgen hat. Hätte der Anleger vor Abschluss des Kaufvertrags den Kreditvertrag widerrufen, so hätte er den Kaufvertrag gar nicht abgeschlossen. Folglich ist das eingegangene Risiko – Abschluss eines Immobilienkaufvertrags – von der Bank zu tragen, d.h. die Bank muss die Immobilie (= das Risiko) übernehmen. Gleichzeitig kann der Anleger die geleisteten Darlehenszinsen von der Bank zurückfordern, da er diese bei erfolgtem Widerruf nicht geleistet hätte.

Aufgrund der unklaren Formulierung des EuGH und der offen gelassenen Schadensregulierung ist jedoch zu erwarten, dass sich Banken vehement gegen eine solch weite Auslegung der Urteile verteidigen werden und den „schwarzen Peter“ an den Gesetzgeber weiterreichen wollen. Sollte diese Auffassung vom XI. Zivilsenat des BGH bestätigt werden, so könnten sich Schadensersatzansprüche gegen die Bundesrepublik richten, da die Verbraucherschutz-Richtlinie nach dem jetzigen Urteil nicht fehlerfrei umgesetzt wurde.
(Autor: Dr. Jochen Weck, Rössner Rechtsanwälte)

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(mm)

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