EZB sollte Spielraum für Zinssenkung nutzen / Senkung um 50 Basispunkte kann Wachstumskräfte mobilisieren
(Berlin) - Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte ihren Spielraum für eine Zinssenkung nutzen, so der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in seinem jüngsten Konjunkturbericht. Die Inflationssausichten hätten sich verbessert, gleichzeitig sei der konjunkturelle Aufschwung in Europa ins Stocken geraten. Angemessen sei eine Zinssenkung um 50 Basispunkte. Die Konjunkturindikatoren für den Euroraum deuteten darauf hin, dass sich das Wachstumstempo in der zweiten Jahreshälfte spürbar verlangsamt habe. Voraussichtlich werde die Wirtschaftsleistung im Euroraum im Jahr 2002 um nur einen drei Viertel Prozentpunkt gegenüber dem Vorjahresniveau steigen. Auch wenn der Aufschwung im kommenden Jahr in Fahrt kommen sollte, werde das Potenzialwachstum von 2 bis 2,5 Prozent frühestens zum Ende des Jahres 2003 erreicht. Allerdings sei es nach Auffassung des BVR zweifelhaft, ob die Konjunktur in Deutschland in den nächsten Monaten tatsächlich wieder anziehen wird. Aufschwungtendenzen in anderen Staaten des Euroraums dürften durch die Verschlechterung der Wirtschaftslage in Deutschland überkompensiert werden. Die Vorlaufindikatoren für Deutschland deuteten darauf hin, dass das Wachstum Anfang nächsten Jahres zum Stillstand komme, wenn nicht sogar zurückgehen werde. Ein zusätzlicher geldpolitischer Impuls durch die Europäische Zentralbank könne die Wachstumskräfte im Euroraum unterstützen und dadurch das Risiko eines Wachstumsstillstands vermindern helfen.
Die verbesserten Inflationsaussichten eröffnen den Spielraum für eine geldpolitische Lockerung, so der BVR. Für das erste Halbjahr 2003 sei damit zu rechnen, dass die Inflation unter die 2-Prozentmarke sinken werde. Günstig auf die Stabilität der Verbraucherpreise wirkten dabei die schwache Konjunktur, die in der ersten Hälfte dieses Jahres erfolgte Aufwertung des Euro sowie stabile und niedrige Inflationserwartungen im Euroraum. Der Anstieg der Verbraucherpreisinflation im Oktober sei kein Argument gegen eine Zinssenkung. Werde die Verbraucherpreisinflation ohne Energie, die so genannte Kernrate der Inflation, betrachtet, so zeige sich der von der Konjunkturschwäche ausgehende rückläufige Inflationsdruck. Dieses stärker auf die inneren Kräfte einer Volkswirtschaft abzielende Inflationsmaß sei im Verlauf des Jahres 2002 um fast einen Prozentpunkt zurückgegangen.
Wenig Beachtung sollte die EZB momentan der Geldmengenentwicklung schenken. Zwar spräche die Geldmengenentwicklung auf den ersten Blick gegen eine Zinssenkung. Seit fast eineinhalb Jahren werde aber der EZB-Referenzwert für das Geldmengenwachstum kontinuierlich und gravierend überschritten. Die reale Geldlücke, ein Maß für die vorhandene Überschussliquidität, betrage inzwischen 3,3 Prozent des vorhandenen Bestands der Geldmenge M3. Zurzeit stelle die hohe Überschussliquidität jedoch kein Inflationsrisiko dar, so der BVR. Überwiegend handele es sich um Mittel, die aufgrund der Schwäche der Aktienmärkte und der hohen Unsicherheit an den Finanzmärkten in Anlageformen investiert worden seien, die Bestandteil des Geldmengenaggregats M3 sind. Erst bei einer spürbaren Belebung der Wirtschaftstätigkeit im Euroraum und einer Verbesserung der Lage an den Finanzmärkten könnten von der Geldmenge M3 wieder klare Signale für den geldpolitischen Kurs abgeleitet werden.
Die vollständige Studie ist im Internet unter www.bvr.de / Publikationen / Studien / Volkswirtschaft special abrufbar.
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