Pressemitteilung | Mehr Demokratie e.V. - Bundesverband

Fachverband fordert Zulassung finanzwirksamer Volksbegehren / Volksbegehrensbericht 2011: Direkte Demokratie wird immer lebendiger

(Berlin) - In den Bundesländern entwickelt sich eine lebendige Praxis der direkten Demokratie. Volksbegehren sind auch von Seiten der Politik zunehmend als wichtige Ergänzung zur parlamentarischen Demokratie akzeptiert. Zu diesem Ergebnis kommt der Verein Mehr Demokratie in seinem Volksbegehrensbericht 2011.

Im vergangenen Jahr wurden bundesweit 18 Volksbegehren gestartet - etwas mehr als im Vorjahr (2010: 13 Volksbegehren und 3 Volkspetitionen) und im Durchschnitt der letzten 15 Jahre (1997-2011: durchschnittlich 15 pro Jahr). Vier Initiativen sammelten Unterschriften für die zweite Stufe. Dreimal kam es zum Volksentscheid: Während der Volksentscheid über die Berliner Wasserversorgung von Bürgern initiiert wurde, war die Abstimmung über die Aufnahme einer Schuldenbremse in der hessische Verfassung zwingend vorgeschrieben und die Abstimmung über den Ausstieg aus dem Bauprojekt Stuttgart 21 wurde von der baden-württembergische Regierung eingeleitet. Insgesamt liefen 2011 33 direktdemokratische Verfahren auf Landesebene (2010: 30). "Die direkte Demokratie in den Bundesländern wird immer lebendiger", sagt Mehr Demokratie-Vorstandssprecher Michael Efler. "Das gilt vor allem für die Länder, in denen Volksbegehren und -entscheide bürgerfreundlich geregelt sind wie Hamburg oder Berlin."

Die Unterschiede zwischen den Bundesländern sind groß: In Hamburg wird jedes halbe Jahr ein Volksbegehren eingeleitet, alle 1,1 Jahre erreicht eine Initiative die zweite Stufe der Unterschriftensammlung und alle 2,7 Jahre findet ein Volksentscheid statt. Im Saarland und Baden-Württemberg dagegen hat noch keine einzige Initiative die erste Stufe überwinden können. "Schuld daran sind kurze Sammelfristen, hohe Unterschriften- oder Abstimmungshürden und Themenausschlüsse", erklärt Efler. "Insgesamt scheitern 65 Prozent aller Verfahren bevor es zum Volksentscheid kommt." Kommt es zur Abstimmung, liegen die Erfolgschancen bei 50 Prozent. Von bisher insgesamt 19 Volksentscheiden waren zehn erfolgreich im Sinne der Initiatoren.

Nach wie vor werden die meisten Volksbegehren von Bündnissen gestartet (2011 in 13 von 18 Fällen). "Die Bedenken, dass die direkte Demokratie einseitig von Parteien instrumentalisiert wird, können wir nicht bestätigen", sagt Ralf-Uwe Beck, ebenfalls Vorstandssprecher von Mehr Demokratie. Tatsächlich seien die immer noch hohen Hürden meist nur im Bündnis überwindbar. Was die Themen angeht, beschäftigt die Bürger vor allem Bildung und Kultur - 2011 machte dieser Bereich 39 Prozent aller Verfahren aus, im langjährigen Durchschnitt 27 Prozent. Auch die Themen Demokratie und Innenpolitik sowie Verkehr spielten 2011 mit jeweils 17 Prozent aller Verfahren eine große Rolle.

Immer mehr Bundesländer reformieren die Volksgesetzgebung. 2011 senkte Hessen zaghaft die Unterschriftenhürde und verlängerte die Sammelfrist. NRW gelang dagegen mit der Einführung der freien Unterschriftensammlung und deutlicher Verlängerung der Eintragungsfrist ein großer Wurf. Der größte Reformbedarf besteht nach Ansicht von Mehr Demokratie darin, auch finanzwirksame Volksbegehren zu ermöglichen. "Der so genannte Finanzvorbehalt, der in vielen Bundesländern gilt, ist ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und wirksames Mittel, sie auf Abstand zu halten. Schließlich sind kaum Gesetzesinitiativen ohne finanzielle Auswirkungen denkbar", erläutert Beck. Dabei zeigen Studien aus der Schweiz, dass in den Kantonen, wo regelmäßig über Großprojekte und deren Finanzierung abgestimmt wird, die öffentlichen Ausgaben und die Schuldenaufnahme niedriger liegen als in den Kantonen ohne Finanzreferenden. "Der Bürger ist der bessere Haushalter", folgert Beck. "Das Finanztabu ist ein alter Zopf. Der gehört endlich abgeschnitten."

Quelle und Kontaktadresse:
Mehr Demokratie e.V., Bundesverband Anne Dänner, Pressesprecherin Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin Telefon: (030) 42082370, Telefax: (030) 42082380

(cl)

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