Familienmedizin - zentraler Baustein in der hausärztlichen Praxis
(Berlin) - Beim diesjährigen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) legt eine der Key Notes einen besonderen Schwerpunkt auf die Familienmedizin. Die Familienmedizin definiert eine der Kernaufgaben der hausärztlichen Praxis, die eng zum biopsychosozialen Modell gehört, nach dem die Allgemeinmedizin arbeitet.
Der 59. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin ist eine gute Gelegenheit, einen der zentralen Bausteine in der hausärztlichen Praxis stärker in den Fokus zu rücken: die Familienmedizin. Hausärztinnen und Hausärzte behandeln und kennen ihre Patientinnen und Patienten in der Regel über viele Jahre – und damit auch das familiäre und soziale Umfeld mit entsprechenden Ressourcen, aber auch möglichen Belastungen. Indem diese Aspekte berücksichtigt werden, können individuelle Gesundheitsdynamiken besser verstanden und die Gesundheit jedes Einzelnen wie auch der Familie insgesamt gefördert werden.
„Die Familie ist das engste soziale Modell, das es gibt.
Dementsprechend ist es in der hausärztlichen Praxis von zentraler Bedeutung, das familiäre Umfeld zu kennen, um Diagnostik und Therapie konsequent am biopsychosozialen Modell ausrichten zu können“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM. „Es ist nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal der Allgemeinmedizin, dass wir in der hausärztlichen Praxis wirklich alle Altersgruppen behandeln. Gleichzeitig werden oft mehrere Familienmitglieder in einer Praxis betreut. Dadurch ergibt sich eine erweiterte Perspektive auf die Wechselwirkungen zwischen Lebensumfeld und Gesundheit oder Krankheit. Die Familienmedizin ist kein Nice-to-Have, sondern ein zentraler Aspekt, um die somatische Behandlung zu verbessern.“
Wahrnehmung für Familienmedizin stärken
Wie sich die Familienmedizin auf die hausärztliche Praxis auswirkt, ist eines der Key Note-Themen beim DEGAM-Jahreskongress, der vom 1. bis 3. Oktober 2025 zusammen mit dem Institut für Allgemeinmedizin und Familienmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt wird. Gehalten wird die Key Note „Das geht! Gelebte Familienmedizin in der hausärztlichen Praxis“ von Prof. Dr. Stefan Wilm und Dr. Vera Kalitzkus. In der Key Note werden wissenschaftliche Erkenntnisse und verschiedene Praxisbeispiele vorgestellt.
„Wir wollen die Wahrnehmung dafür stärken, dass wir in unseren Praxen Tag für Tag Familienmedizin machen und dazu – auch international – viel geforscht wird“, erläutert Prof. Stefan Wilm, der sich als Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Uniklinik Düsseldorf seit Jahrzehnten mit der Thematik befasst und seit über 25 Jahren in der hausärztlichen Praxis tätig ist, betont: „Es gibt viele praxistaugliche Instrumente für die Familienmedizin, die gut erlernt werden können. Vor allem geht es aber darum, eine innere Haltung zu entfalten: Nämlich den Menschen in seiner Gesamtheit zu sehen und einen Blick dafür zu entwickeln, wie stark sich das soziale Umfeld – also insbesondere die Familie – auf Gesundheit und Krankheit auswirkt. Wie man diese innere Haltung ausbauen kann, zeigen wir ebenfalls in unserer Key Note.“
Familienmedizin als Bereicherung im Praxisalltag
Seine Kollegin Dr. Vera Kalitzkus, als Medizinethnologin ebenfalls eine langjährige Expertin für die Familienmedizin, ergänzt: „Außerdem wollen wir gerade den jungen Kolleginnen und Kollegen Mut machen, die Familienmedizin als Bereicherung ihrer täglichen Arbeit zu verstehen. Wir wollen etwaigen Sorgen, dass diese Art der Medizin im heutigen System zeitlich nicht zu stemmen sei, etwas entgegensetzen: Dazu zeigen wir praxistaugliche Kniffe und Ansätze, die gut strukturiert den Praxisalltag erleichtern – zum Beispiel Instrumente für eine erweiterte Anamnese, für Paargespräche, Familienkonferenzen oder Hausbesuche.“
Und noch eine Botschaft ist den beiden Referierenden wichtig:
Familiäre Probleme müssen nicht – und können in der Regel auch nicht – in der hausärztlichen Praxis gelöst werden, sondern können durchaus delegiert werden: an die Sozialarbeit, an die Jugendhilfe, an therapeutische Angebote. Das Wichtigste ist zunächst, mögliche familiäre Belastungen wahrzunehmen und in Diagnostik, Therapie und Gespräch zu berücksichtigen.
Quelle und Kontaktadresse:
DEGAM - Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin e.V., Natascha Hövener, Pressesprecher(in), Schumannstr. 9, 10117 Berlin, Telefon: 030 20 966 98 00