Pressemitteilung | Bundesverband Deutscher Wurst- & Schinkenproduzenten e.V. (BVWS)

Fleischwirtschaft bleibt optimistisch

(Bonn) - In der deutschen Fleischwirtschaft setzt sich der tiefgreifende Strukturwandel fort. Im zurückliegenden Jahr haben sich vor allem im Schlachtsektor durch Übernahmen sowie durch Wachstum von sich heraus große Unternehmenseinheiten gebildet, um ihre Leistungsfähigkeit im rasant wachsenden Markt für das vorverpackte Fleischangebot der discountierenden Handelsunternehmen zu stärken. So hat sich der Absatz von SB-verpacktem Fleisch innerhalb von nur fünf Jahren zwischen 2000 und 2005 von 23 Prozent auf 43 Prozent nahezu verdoppelt. Bereits 40 Prozent des Hackfleisches werden heute durch Discounter verkauft. Der Einstieg namhafter Discounter in das Segment Frischfleisch ist noch nicht abgeschlossen, so dass die stürmische Entwicklung auch in den nächsten Jahren weiter anhalten wird.

Eine vergleichbare Marktverschiebung haben die Unternehmen der deutschen Fleischwarenindustrie bereits weitgehend hinter sich. Hier beträgt der Marktanteil der Discounter bereits 48 Prozent bei Würstchen, 35 Prozent bei Leberwurst und 54 Prozent bei rohem Schinken. Vorverpackte Wurstwaren konnten im zurückliegenden Jahr in der Menge um 2 Prozent zulegen, während die lose an der Bedienungstheke angebotenen Erzeugnisse um 6,9 Prozent weniger gefragt waren.

Der zunehmend hohe Marktanteil der Discounter und der damit verbundene preisaggressive Wettbewerb, der dem deutschen Verbraucher im internationalen Vergleich das niedrigste Preisniveau bei Lebensmitteln beschert, hat bei den Unternehmen der Fleischwirtschaft die Ertragslage im zurückliegenden Jahr belastet. So konnten die Abgabepreise nicht im notwendigen Rahmen den erheblichen Kostensteigerungen insbesondere in den Bereichen Energie und Verpackungsmaterial sowie auch beim Schlachtvieh Schritt halten.

Die Fleischwirtschaft war in den vergangenen zwölf Monaten zudem mit einer Reihe von unvorhersehbaren äußeren Einflüssen konfrontiert, die z.T. zu erheblichen Marktturbulenzen geführt haben.
Der Rindfleischimport wurde im Herbst durch MKS-Ausbrüche in Brasilien überrascht, die zu einer teilweisen Importsperre der EU führten, die nach wie vor besteht. Erschwerend hinzu kam Mitte März das argentinische Exportverbot für Rindfleisch, das inzwischen auch auf die Lieferungen von sog. Hilton beef – Rindfleisch von besonderer Qualität – ausgeweitet wurde. Die Importhäuser haben hierdurch hohe Umsatzeinbußen zu verzeichnen und vor allem die Versorgung von Steakhäusern, Restaurants und des Marktsegments für hohe Qualitäten und Edelteile vom Rind ist schwierig geworden.
Ein neuer Fall von Dioxinkontamination in belgischen und holländischen Futtermitteln hatte im Januar kurzfristig zu nervösen Marktreaktionen im Schweinefleischsektor geführt. Glücklicherweise konnte das Geschehen schnell eingegrenzt und beseitigt werden.
Das Auftreten der Schweinepest im März in Nordrhein-Westfalen hat dagegen zu stärkeren Marktausschlägen geführt. Insbesondere die überzogenen Beschränkungen für die gesamte Schweinefleischerzeugung in Nordrhein-Westfalen wirken sich noch immer nachteilig auf die Produktion aus.

Ungeachtet der schwierigen Ertragssituation konnte die Fleischwirtschaft mit der Nachfrage der Verbraucher im zurückliegenden Jahr zufrieden sein. Auch die öffentlichen Diskussionen über das kriminelle Handeln Einzelner mit nicht verkehrsfähiger Ware gegen Ende 2005 haben das Vertrauen der Verbraucher in die hohe Qualität des Angebotes an Fleisch und Fleischerzeugnissen nicht nachhaltig beeinflusst. Die Verbände der Fleischwirtschaft haben mit Bundesminister Seehofer, einzelnen Bundesländern und dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Maßnahmen eingeleitet, um mögliche strukturelle Schwachstellen insbesondere im Bereich der staatlichen Überwachung durch die Bundesländer zu schließen. Zudem konnte die von den Verbänden der Fleischwirtschaft initiierte Gesellschaft QS - Qualität + Sicherheit ihre Akzeptanz insbesondere in der Landwirtschaft weiter erfolgreich steigern und hat sich auch im internationalen Vergleich zu einem der größten Qualitätssicherungssysteme entwickelt.

Insgesamt stieg der Fleischverzehr 2005 im Vergleich zum Vorjahr leicht von 60,7 auf 61,1 kg pro Kopf an. Rind- und Kalbfleisch legte von 8,7 auf 8,8 kg zu, der Schweinefleischverzehr stieg von 39,3 auf 39,5 kg. Auch der Verzehr von Geflügelfleisch zeigte – zumindest im Jahresdurchschnitt – mit 10,8 kg (2004: 10,6 kg) leicht nach oben. Andere Fleischarten wie Lamm oder Wild spielen in der deutschen Küche eine untergeordnete Rolle.

In Deutschland erzeugten die Unternehmen der Fleischwirtschaft im vergangenen Jahr 6,13 Mio t Fleisch (ohne Geflügel) und damit 1,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Schweinefleisch lag mit 4,5 Mio. t und einem weiteren Wachstum von 4,4 Prozent an der Spitze. In Folge der Agrarreform musste die Erzeugung von Rindfleisch drastisch um 7,7 Prozent auf 1,17 Mio. t eingeschränkt werden, da die Schlachttiere fehlten. Zur inländischen Marktversorgung und zum Qualitätsausgleich haben die Unternehmen der Fleischwirtschaft insgesamt 1,63 Mio t Rotfleisch importiert und 2,07 Mio t exportiert. Insbesondere bei Schweinefleisch konnten die Unternehmen Marktanteile im Ausland gewinnen, die Ausfuhrmenge konnte um 20,5 Prozent gesteigert werden.

Bedingt durch die rückläufige Bedeutung der Bedienungstheke verringerte sich die Jahresproduktion der Unternehmen der Fleischwarenindustrie leicht um -1,6 Prozent, insgesamt wurden 1.428.825 t (2004: 1.452.635 t) Wurstwaren hergestellt. Ein deutliches Minus wiesen mit -7,5 Prozent die traditionellen Kochwürste wie Blutwurst, Leberwurst oder Rotwurst auf, die allerdings mit 174.417 t ohnehin das kleinste Segment darstellen. Rohwürste gingen nur leicht um -0,4 Prozent auf 415.330 t (2004: 417.030 t) zurück, Brühwürste um -0,9 Prozent auf 835.075 t (2004: 847.032 t).

Angesichts des scharfen Wettbewerbs auf dem Inlandsmarkt und der hohen Leistungsfähigkeit der Unternehmen spielen die Auslandsmärkte für die Fleischwirtschaft eine immer größere Bedeutung. Bereits über 4 Milliarden Euro werden außerhalb der Europäischen Gemeinschaft umgesetzt. Im laufenden Jahr könnte Deutschland bei Schweinefleisch zum ersten Mal zum Nettoexporteur werden. Hier bieten nicht nur die neuen Beitrittsländer der EU und die weiteren Staaten Osteuropas, sondern zunehmend auch asiatische Märkte eine Rolle. Gebremst wird das Exportwachstum vor allem durch fehlende zwischenstaatliche Veterinärvereinbarungen. Die Bundesregierung ist hier gefordert insbesondere mit China, Japan und Süd Korea solche Vereinbarungen zu verhandeln.

Zusätzlich wirken sich nationale Besonderheiten belastend im europäischen Wettbewerb aus, wie beispielsweise die hohen Gebühren für die Fleischbeschau und Abfallentsorgung das niedrige BSE-Testalter, das Verfütterungsverbot für tierische Fette oder künftig die Schweinehaltungsverordnung. Angesichts des freien Handels mit Fleisch und Fleischerzeugnissen innerhalb Europas entfalten einzelne nationale Vorschriften in der Praxis keine Wirkung und führen lediglich zu Verzerrungen im Wettbewerb.

Vor dem Hintergrund der günstigen Konjunkturaussichten und der wachsenden Erfolge im Export blickt die deutsche Fleischwirtschaft insgesamt optimistisch in die Zukunft. So ist nicht zu erwarten, dass sich die Anzahl der derzeit insgesamt rund 120.000 Arbeitsplätze in den laufenden Monaten gefährdet ist. Im Gegenteil: im gewerblichen Bereich werden von vielen Unternehmen zunehmend qualifizierte Arbeitskräfte gesucht. Spürbare Standortverlagerungen in andere Regionen der Europäischen Gemeinschaft sind innerhalb der deutschen Fleischwirtschaft auch nach der Osterweiterung nicht zu erkennen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband der Deutschen Fleischwarenindustrie e.V. Pressestelle Schedestr. 11, 53113 Bonn Telefon: (0228) 267250, Telefax: (0228) 2672555

(bl)

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