Pressemitteilung | Vereinigung Cockpit e.V.

Fliegerische Strahlenbelastung bedeutet hohes gesundheitliches Risiko

(Neu-Isenburg) - Anlässlich der Vorstellung des diesjährigen Strahlenschutzberichtes teilt die Vereinigung Cockpit mit: Die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in der Novelle zur Strahlenschutzverordnung (StrSchVO) vorgesehenen Strahlenschutzregelungen für das fliegende Personal werden der hohen gesundheitlichen Gefährdung der Flieger durch die Höhenstrahlung in keiner Weise gerecht.


Strahlenschutz "zweiter Klasse" beabsichtigt

Es ist ein Strahlenschutz zweiter Klasse für den Bereich der erhöhten natürlichen Strahlenbelastung (Teil 3 der neuen StrSchVO) beabsichtigt, der aufgrund von fehlenden, rechtlich erzwingbaren Minimierungsregelungen die gegenwärtige, unakzeptable Belastungssituation lediglich festschreibt und nicht verbessert. Zwar sollen das Cockpit- und Flugbegleitpersonal in Zukunft zu den beruflich strahlenbelasteten Personen zählen - doch von (kostenträchtigen) Maßnahmen zur Dosis- und Risikoreduzierung sollen die Fluggesellschaften verschont bleiben. Außer der Ermittlung der Dosis und der Verteilung von Informationsmaterial will man bis zu einer Jahresdosis von 6mSv nichts unternehmen. Aufgrund des vorgesehenen mangelhaften Minimierungsgebotes werden weitergehende Maßnahmen voraussichtlich auch nicht erzwingbar sein.


Fliegendes Personal ist höchstbelastete Gruppe

Mit einer durchschnittlichen Strahlenexposition von 3 - 6mSv/Jahr zählt das Fliegende Personal unbestritten zu den höchstbelasteten "Strahlenarbeitern" überhaupt (die durchschnittliche Exposition bei bodengebundenen strahlenbelasteten Berufen liegt in der BRD bei nur 1,3mSv/Jahr!). 3 - 6 mSv/Jahr entsprechen der Dosis von 150 - 300 Röntgenaufnahmen des Brustkorbes. Während eines Berufslebens von 35 Jahren kann ein Pilot mit dem Äquivalent von ca. 5000 - 10.000 Röntgenaufnahmen belastet werden.

Zusätzlich besteht die - zwar seltene aber nicht auszuschließende - Gefahr von extrem hohen Strahlungsdosen durch solare Eruptionen (Solar Flares), bei denen u.U. innerhalb weniger Stunden das zulässige Jahreslimit erreicht bzw. überschritten werden kann.


Hohes gesundheitliches Risiko

Dementsprechend hoch ist das berufliche Risiko, aufgrund dieser Strahlenbelastung an Krebs zu erkranken oder zu sterben: Mit 0,4 - 1% (berechnet mit den 20 Jahre alten und dringend überholungsbedürftigen Risikofaktoren der Internationale Strahlenschutzkommission ICRP) liegt das Krebstodesrisiko, berechnet auf 35 Jahre, etwa vier- bis 10mal höher als das berufliche Unfalltodesrisiko in der allgemeinen Industrie der BRD mit 0,1% (1998)! Legt man die neueren Risikoabschätzungen von RERF 96 zugrunde (Radiation Effects Research Foundation), wäre das Risiko noch ca. fünfmal höher!

Im Bereich der Geschäftsfliegerei (Lear Jet u.a.), die noch bis zu 3000m höher fliegen als Verkehrsflugzeuge, ist die Strahlenbelastung und damit das Risiko entsprechend höher. In 15km Höhe erhalten alle Insassen in jeweils zwei Stunden etwa die Dosis einer Röntgenaufnahme!

Hinzu kommen besondere Risikofaktoren in der Fliegerei, die von der Standardmethode der Risikoermittlung nach ICRP nicht abgedeckt werden: - Die kosmische Höhenstrahlung besteht zu ca. 50-70% hochenergetischen Neutronen und Protonen mit sehr hoher biologischer Schadwirkung. Es gibt starke wissenschaftliche Zweifel, ob die von der ICRP angenommenen Wichtungsfaktoren diese Schadwirkung korrekt wiedergeben oder ob sie die Gefahr nicht erheblich unterschätzen. Das fliegende Personal ist die einzige Berufsgruppe, die einer derartigen Strahlung ausgesetzt ist:

- Das fliegende Personal ist erheblich jünger - und damit strahlungssensitiver - als andere strahlenbelastete Berufsgruppen

- Das fliegende Personal besteht zu über 50% aus jungen Frauen im gebärfähigen Alter, die besonders gefährdet sind. In anderen "Strahlenberufen" arbeiten nur ca. 2% Frauen.

- Im Gegensatz zu allen anderen Bereichen, in denen Arbeitnehmer strahlenbelastet sind, wird die Strahlenbelastung in der Fliegerei durch größere Flughöhen neuer Flugzeugtypen und längere Flugzeiten in Zukunft weiter ansteigen.


Besorgniserregende epidemiologische Befunde

Erste Ergebnisse von Teilstudien einer europaweiten epidemiologischen Untersuchung des fliegenden Personals sind besorgniserregend: Eine um das doppelte erhöhte Brustkrebsrate bei Stewardessen, bis zu 15fach Erhöhung der Hautkrebsrate, signifikante Erhöhungen von Gehirntumoren, Prostata- und Dickdarmkrebs etc. sollten die Alarmglocken klingeln lassen.

Dabei ist dies wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs: Aufgrund der sehr langen Latenzzeiten der meisten Krebsarten (bis zu 45 Jahre) ist zu erwarten, daß die meisten Krebsfälle aufgrund der beruflichen Strahlenbelastung erst in den kommenden Jahren sichtbar werden. (Die Fliegerei mit Düsenverkehrsflugzeugen gibt es erst seit 40 Jahren).


Forderungen der Vereinigung Cockpit e.V.

Da es im Hinblick auf die Schadwirkung völlig unerheblich ist, ob die Strahlung aus natürlichen oder aus künstlichen Quellen kommt, ist eine unterschiedliche Ausgestaltung der Strahlenschutzregelungen nicht gerechtfertigt.

Die Vereinigung Cockpit e.V. fordert den Verordnungsgeber auf, den Betriebsvertretungen und ggfls. ihren Gewerkschaften die rechtlichen Mittel zu verschaffen, einen ähnlich wirksamen Strahlenschutz wie für bodengebundene strahlenbelastete Arbeitsplätze auch in der Fliegerei durchzusetzen. Dazu ist das Minimierungsgebot im Teil 3 der neuen StrSchVO so auszugestalten, dass es auch durchsetzbar ist und den Strahlenschutz nicht lediglich dem Belieben der jeweiligen Arbeitgeber überlässt.

Die Vereinigung Cockpit e.V. sieht in den geplanten Formulierungen zur neuen StrSchVO eine krasse Ungleichbehandlung des sehr hoch beruflich strahlenbelasteten Fliegenden Personals, die nicht hinzunehmen ist. Zur Abklärung der rechtlichen Möglichkeiten hat ein renommiertes Anwaltsbüro im Auftrag der VC eine Rechtsexpertise erstellt. Die Einleitung entsprechender rechtlicher Schritte hängt von dem Ergebnis der weiteren Beratungen zur neuen StrSchVO ab.

Quelle und Kontaktadresse:
Vereinigung Cockpit e.V. Frankfurter Str. 233 63263 Neu Isenburg Telefon: 06102/3700 Telefax: 06102/370298

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