Friedenspreis 2007 an Saul Friedländer
(Frankfurt am Main) - Der israelische Historiker Saul Friedländer ist gestern (14. Oktober 2007) mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand vor rund 1000 geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche statt, unter ihnen Bundespräsident Horst Köhler. Wolfgang Frühwald, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, hielt die Laudatio.
"Ich bin mir darüber im Klaren, dass mir der Preis zu einem erheblichen Teil wegen der Thematik meiner Arbeit zuerkannt worden ist; und darum nehme ich in großer Demut eine Ehrung an, deren Bedeutung weit über jede individuelle Leistung hinausreicht. Zugleich ist diese Geschichte für mich persönlich keine Abstraktion. Das erklärt vielleicht meine gemischten Gefühle in diesem Augenblick", sagte Saul Friedländer zu Beginn seiner Dankesrede, in deren Zentrum unveröffentlichte Briefe seiner Familie aus dem Jahr 1942 standen. "Die Stimmen der Menschen bewegen uns unabhängig von aller rationalen Argumentation", so Friedländer über die persönlichen Schreiben seiner Eltern, "da sie den Glauben an die Existenz einer menschlichen Solidarität stets von neuem einer Zerreißprobe aussetzen und in Frage stellen." 60 Jahre seien vergangen, seit diese und zahllose ähnliche Stimmen zu vernehmen waren. "Und doch berühren sie uns, mag auch lange Zeit verstrichen sein, mit einer ungewöhnlichen Stärke und Unmittelbarkeit, die weit über die Grenzen der jüdischen Gemeinschaft hinaus fortwirkt und die große Teile und mehrere Generationen der abendländischen Gesellschaft bewegt hat."
Wolfgang Frühwald hob in seiner Laudatio Friedländers Darstellung über das "Dritte Reich und die Juden 1933 bis 1945" hervor: "Saul Friedländer hat sich vor Emotionalisierung gehütet. Er lässt die historischen Dokumente, den Brief, das Tagebuch, die Verordnung, das Protokoll, ungeschminkt sprechen, weil er der Faszination misstraut, den die, von den Nationalsozialisten zelebrierte, ästhetische Formierung der Todeslust auf die Zeitgenossen ausübte und ´im Widerschein´ auf die Nachgeborenen noch immer ausübt." Friedländer sei es damit gelungen, die tyrannisch-bürokratische Ordnung und die Verzweiflung derer, die ihr unterworfen waren, zu vereinen. "Zugleich hat er das Schweigen der aus dem Dunkel der Vergangenheit auftauchenden Menge der Zuschauer, ohne die öffentliche Gewalt niemals geschieht, als einen handelnden Faktor in der Geschichte belegt", so Frühwald. "Wer dies - wie die stereotype Formel lautet - nicht mehr hören kann, der hat es noch nie wirklich gehört; wer sich gar wohl fühlt im wachsenden Lager derer, welche die Tatsächlichkeit dieses Verbrechens gegen Rang und Würde des Menschseins leugnen, stimuliert die Lust auf Wiederholung", betonte Frühwald.
"Wenn Frieden ein Zustand ist, den wir den Brüchen und Spannungen, den Verdrängungen und Ausgrenzungen und ihren zerstörerischen, Tod bringenden Folgen abringen müssen, dann ist nicht das Vergessen und die Verdrängung der Weg zum Frieden, sondern das erinnernde Wissen", sagte Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, in seiner Begrüßung. "Bücher, die solche Einsicht erschließen und dadurch Versöhnung über die Brüche hinweg möglich machen, sind die kostbare Ware eines Berufsstandes, der sich dem Buch verpflichtet weiß", so Honnefelder im Hinblick auf Friedländers Werk. "In ihnen wird deutlich, dass die Ware Buch das kulturelle Gut ist, ohne dessen Präsenz wir hinter den erreichten Stand unseres kulturellen Selbstverständnisses zurückfallen."
Seit 1950 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels während der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Preisträger waren unter anderem Albert Schweitzer, Theodor Heuss, Astrid Lindgren, Siegfried Lenz, Václav Havel, Susan Sontag, Orhan Pamuk und im vergangenen Jahr Wolf Lepenies. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.
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