Pressemitteilung | ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft

Gemeinsame Presseerklärung ver.di und GBR zu Karstadt

(Berlin) - Gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter sind im Aufsichtsrat der KarstadtQuelle AG wesentliche Teile eines Sanierungskonzeptes durchgesetzt worden, das zigtausend von Arbeitsplätzen gefährdet und vor allem im Warenhausbereich dem verbleibenden Teil eine solide Zukunft nicht erkennen lässt.

Für den Versandbereich konnten zwar in den Aufsichtsräten Quelle und Neckermann tragfähige Zukunftsperspektiven vorgelegt werden, die die ArbeitnehmervertreterInnen mittragen. Aber auch hier ist ein erheblicher Personalabbau u.a. durch betriebsbedingte Kündigungen geplant, der mehr als 1000 Beschäftigten die Arbeitsplätze nehmen soll und weitere mehr als 1000 ArbeitnehmerInnen sollen ausgegliedert werden. Betroffen sind besonders die Bereiche Call Center, Profectis und vielfältige Teile des Vertriebs und der Verwaltung. Die Arbeitnehmervertreter fordern deshalb, dass statt betriebsbedingter Kündigungen sozialverträgliche Maßnahmen verhandelt werden und dem Versandhandel für die geplante Neuausrichtung nicht nur Sachmittel, sondern auch das notwendige Personal zur Verfügung gestellt werden. „Wenn die Marken Quelle und Neckermann auch durch Neuausrichtung wieder Umsatzanteile gewinnen sollen, wenn die Internationalisierung, der Spezialversand und neue Vertriebsformen wie e-commerce gestärkt werden sollen, dann erfordert das qualifiziertes und engagiertes Personal. Diese Neuausrichtung kann nicht mit Kahlschlagpolitik beim Personal begleitet werden“, fordern die beiden GBR-Vorsitzenden Quelle, Peter Kalow, und Neckermann, Franz Lajosbanyai.

Zusätzliche Maßnahmen wie Ausgliederung und Verkäufe von wesentlichen Betrieben/Betriebsteilen stehen darüber hinaus im Raum. Die Arbeitnehmervertreter kündigen hier ihren Widerstand an, wenn dabei nicht die Arbeitsplätze und die Tarife gesichert werden.

Für den Warenhausbereich sind gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter schon jetzt dramatische Einschnitte beschlossen worden bzw. angekündigt:

- Es wurde angekündigt, dass die Logistik-Betriebe zum 1. Januar 2005 komplett verkauft werden sollen. Betroffen sind die Lagerstandorte u. a. in Unna, Essen-Vogelheim und Brieselang mit insgesamt rund 2.500 Beschäftigten. Es ist zu befürchten, dass sie nach dem schlechteren Logistik-Tarifvertrag bezahlt werden sollen.
- Die 130 Restaurants in den Warenhäusern mit rund 2.250 Mitarbeiter/innen sollen konzernintern ausgegliedert werden. Hier ist die Anwendung des gegenüber dem Einzelhandel schlechteren Gastronomie-Tarifvertrages geplant.
- Die jetzige Karstadt Warenhaus AG mit 188 Waren- und 25 Sporthäusern wird zerschlagen. 77 kleinere Häuser mit weniger als 8.000 Quadratmeter Fläche sollen verselbstständigt und dann, auch abschnittsweise verkauft werden. Auch 10 größere Filialen und vier Sporthäuser mit mehr als 2500 Beschäftigten sollen verkauft oder sogar geschlossen werden.
- Für den „Rest“ von 89 Filialen und 21 Sporthäusern, hat der Vorstand einen drastischen Personalabbau angekündigt. Mehr als 4000 Arbeitsplätze sind hier bedroht. Ein Sanierungskonzept, das den Namen wert wäre, und mit einer Vorwärtsstrategie verbunden ist, wurde nicht vorgelegt.

Insgesamt wären damit von den rd. 45.000 heutigen ArbeitnehmerInnen in der Karstadt Warenhaus AG allein, mehr als 20.000 Beschäftigte vom Personalabbau, Ausgliederungen mit Tarifflucht oder Verkauf betroffen.

Diese Maßnahmen sind nicht nur für die Arbeitnehmervertreter ein unzumutbarer Einschnitt, durch die Arbeitsplätze bzw. Einkommen nachhaltig gefährdet werden. Sie sehen durch diese offensichtlich auch von den Banken aufgezwungene Kahlschlagpolitik die Zukunft des Warenhauses Karstadt eher gefährdet als stabilisiert. „Wer meint, er könne Karstadt eine Sanierung der Warenhäuser mit dem Zollstock aufzwingen, zeigt, dass er das Geschäft nicht versteht: Eine Ausgliederung und Abgabe der 77 kleineren Häuser ist schon deshalb unsinnig, weil hier sich ähnlich wie bei den großen Häusern ertragsstarke und ertragsschwächere Häuser mischen. Für die Weiterentwicklung dieser Häuser liegen gute Konzepte vor, die in den letzten Jahren nur nicht umgesetzt werden konnten, weil das Unternehmen alle Ansätze mit permanenten Umstrukturierungs- und Kostensparprogrammen wieder zunichte gemacht hat. Deshalb werden der GBR und ver.di mit allen Mitteln darum kämpfen, dass die kleineren Warenhäuser und auch die 10 sog. Problemfilialen und Sporthäuser im Konzern verbleiben und endlich eine Chance bekommen.

Für die 89 Häuser, die verbleiben sollen, werden ver.di und der GBR gegen die geplante Kahlschlagpolitik bei dem Personal ankämpfen. Die permanenten Kostensparprogramme sowohl bei Personal als auch bei Investitionen haben deren Attraktivität gefährdet und deshalb den Umsatzrückgang eher noch beschleunigt. „Wer die Umsätze und die Erträge wieder stabilisieren will, muss seine Sortimentspolitik verbessern, endlich wieder investieren und die Standorte attraktiver machen“ – so der GBR-Vorsitzende der Karstadt Warenhaus AG, Wolfgang Pokriefke.

Der zusätzlich beabsichtigte Verkauf von Sinn/Leffers, Wehmeyer etc. wird von den ArbeitnehmervertreternInnen mitgetragen, sofern dort, wie geplant die Arbeitsplätze und Tarifbindung gesichert werden.

Der Karstadt-Vorstand und die Vorstände Quelle und Neckermann fordern zusätzlich zu diesen einschneidenen Verschlechterungen von den ArbeitnehmerInnen noch weiter gehende „Opfer“, z.B. Arbeitszeitverlängerung und Verzicht auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. ver.di-Vorstandsmitglied Franziska Wiethold: „Wie sollen wir über einen Beschäftigungspakt verhandeln, wenn betriebsbedingte Kündigungen vorab durchgezogen und zig Betriebe ohne Arbeitsplatzsicherheit verkauft werden sollen? Wieso sollen wir zeitlich befristete tarifliche Zugeständnisse machen, wenn das Unternehmen gegen tausende von Beschäftigten Tarifdumping durchsetzen will?“

Die Arbeitnehmervertreter beim Karstadt Warenhaus werden am 04.10.04 in einer gemeinsamen Konferenz des Gesamtbetriebsrates und der Karstadt-Tarifkommissionsmitglieder aus allen regionalen ver.di- Flächentarifkommissionen darüber beraten, wie sie ihre Ziele – Sicherung der Beschäftigungsverhältnisse, der Betriebe und der Tarifstandards – trotzdem gemeinsam auch mit tarifpolitischen Zielen durchsetzen. Eines steht aber jetzt schon fest: Wer tausende von Arbeitsplätzen zur Disposition stellt, kann nicht erwarten, dass die Arbeitnehmervertreter ohne Beschäftigungssicherung, ohne Tarifbindung an den Einzelhandel und ohne ein tragfähiges Zukunftskonzept noch weitere Opfer erbringen werden.

Quelle und Kontaktadresse:
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. Potsdamer Platz 10, 10785 Berlin Telefon: 030/69560, Telefax: 030/69563956

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