Gewerkschaften: Kaum noch die Stimme der Arbeitnehmer
(Köln) - Noch nie seit der Wiedervereinigung war ein so geringer Teil der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. Eine Randgruppe bilden die Arbeitnehmervertreter bereits unter den Angestellten. Doch auch bei der klassischen Klientel, den Arbeitern, haben die Gewerkschaften an Anziehungskraft eingebüßt. In den aktuellen Diskussionen, wie der Standort D grundüberholt werden könne, sehen sich die Gewerkschaften gerne als Stimme der Arbeitnehmer. Das trifft aber nur noch bedingt zu:
Im Jahr 2001 kamen in Deutschland nur 29 Gewerkschaftsmitglieder auf 100 abhängig Beschäftigte zehn Jahre zuvor lag diese Quote noch bei gut 40 Prozent. Damit ist der so genannte Organisationsgrad auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung gefallen. In den Werkhallen und Büros stehen die Chancen, einen Gewerkschafter zu treffen, sogar noch schlechter. Denn in der Rechnung enthalten sind auch Arbeitslose, Rentner, Schüler und Studenten also Mitglieder, die nicht Morgen für Morgen zur Arbeit fahren und sich auch keinem Streik anschließen.
Lässt man die nicht berufstätigen Gewerkschafter das sind gut ein Drittel aller Organisierten außen vor, dann zeigt sich, dass nur rund jeder fünfte Beschäftigte einen Mitgliedsausweis in der Tasche hat. Der Brutto-Organisationsgrad zeigt, dass vor allem die Büros der Privatwirtschaft zusehends gewerkschaftliches Niemandsland werden: Im Jahr 2001 war nur gut jeder sechste Angestellte organisiert Tendenz fallend.
Der geringe Stellenwert von ver.di, IG Metall und Co. liegt sicherlich auch an deren Problemen, junge flexible Fachkräfte etwa in der IT-Branche für die Mammut-Organisationen zu begeistern. Doch selbst die Arbeiter, eigentlich die traditionelle Zielgruppe, zeigten ihren Vertretungen die kalte Schulter. Für rund 3 Prozent von ihnen war in Sachen Gewerkschaftsmitgliedschaft im Jahr 2001 Schicht im Schacht. Dennoch stieg der Organisationsgrad an, weil die Zahl der Arbeiter noch stärker sank als die der Gewerkschafter unter ihnen.
Einzig verbliebenes, blühendes Gewerkschafts-Terrain sind die öffentlichen Verwaltungen. Fast 66 Prozent der Beamten halten dem Deutschen Beamtenbund (DBB) und anderen Vereinigungen weiterhin die Stange. Trotz der vorzeigbaren Teil-Bilanz spielt der DBB für den Organisationsgrad in Deutschland eine untergeordnete Rolle. Die Beamtenvertreter sprechen nur für knapp 4 Prozent der abhängig Beschäftigten. Die DGB-Gewerkschaften repräsentieren immerhin beinahe jeden vierten Arbeitnehmer. Allerdings hat DGB-Chef Michael Sommer eine regional unterschiedlich schlagkräftige Phalanx im Rücken:
-Die Hochburgen sind Bremen und das Saarland, wo der DGB rund 44 bzw. 42 Prozent der Arbeitnehmer in seiner Mitgliederkartei führt. Nur in diesen beiden Bundesländern organisieren Arbeitnehmerkammern ausgestattet mit einer Zwangsmitgliedschaft Weiterbildungsmaßnahmen, Rechtsberatung und sogar Ausflüge zu Kulturveranstaltungen. Dabei dürfen die Gewerkschaften für sich werben und Aufnahmeanträge verteilen, was dem Organisationsgrad augenscheinlich Flügel verleiht.
- Wie sehr die gesetzlichen Ausnahme-Regelungen an Weser und Saar in der Statistik zu Buche schlagen, zeigt das Ergebnis im drittplatzierten Hamburg. An der Alster kann der DGB seinen Forderungen nur mit einem Organisationsgrad von 32 Prozent Nachdruck verleihen. Auf den Plätzen dahinter folgen Nordrhein-Westfalen (28 Prozent) Niedersachsen (27 Prozent), Sachsen-Anhalt und Sachsen (beide 26 Prozent).
-Schlusslicht ist der mit knapp 1 Million Mitgliedern drittgrößte Bezirk Bayern. Dort überzeugt der DGB nur 18 Prozent der Arbeitnehmer von sich.
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