Handwerk: Diskussion um Ausbildungsvergütung hilft nicht weiter
(Stuttgart) - Die Sicherung des Nachwuchses bleibt die zentrale Aufgabe im Handwerk. Unsere Betriebe nehmen alle Kraft zusammen, um die traditionelle Ausbildungsbereitschaft des Handwerks zu erhalten, erklärte der Präsident des Baden-Württembergischen Handwerkstages (BWHT), Joachim Möhrle. Die aktuelle Diskussion um eine Mindestausbildungsvergütung sei dabei eher kontraproduktiv und lenke von den wirklichen Problemen ab.
Sicher sei es für die überwiegend kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks in Baden-Württemberg in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation schwierig, zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen, sagte der Landeshandwerkspräsident weiter. Er sei aber durchaus optimistisch, dass das Handwerk im laufenden Jahr eine leichte Steigerung erreichen könne. In den Vorjahren habe es in den Monaten Mai bis Juli stets negative Ausbildungszahlen gegeben, bis Ende Juli 2005 dagegen seien seit Jahresbeginn insgesamt mehr als 10.000 neu abgeschlossene Lehrverträge und damit genau so viel wie im Vergleichsmonat des Vorjahres - bei den Handwerkskammern eingegangen. Eine endgültige Einschätzung sei allerdings frühestens Ende September möglich.
Diese Entwicklung erklärte Möhrle zum einen mit den Anstrengungen des Handwerks im Zuge des Ausbildungspaktes, zum anderen mit der vom Land Baden-Württemberg geförderten groß angelegten Nachwuchskampagne der acht baden-württembergischen Handwerkskammern. Natürlich hätten wir uns ein noch besseres Ergebnis gewünscht, meinte Möhrle. Denn nach wie vor gebe es auf der anderen Seite tausende freier Lehrstellen im Handwerk, weil es an geeigneten Bewerbern oder generell an Interessenten mangle. So suchten zum Beispiel die Bauunternehmen in Baden-Württemberg händeringend noch Lehrlinge für das kommende Ausbildungsjahr. Laut Bundesagentur für Arbeit waren in Baden-Württemberg im Monat Juli noch 902 freie Lehrstellen für das Baugewerbe gemeldet. Gleichzeitig konnten von den 6.396 seit letztem Oktober registrierten Bewerbern 2.289 Interessenten bislang noch nicht vermittelt werden.
Gute Schüler für einen Handwerksberuf zu interessieren werde aber nicht einfacher, indem man die Ausbildungsvergütung zurückschraube, sagte Möhrle. Diese Frage stelle sich aus seiner Sicht ohnehin nicht ernsthaft: Die Höhe der Lehrlingsgehälter fällt unter die Tarifautonomie und ist damit vertraglich geregelt. Wer nicht an Tarife gebunden sei, könne schon heute die Vergütung selbst festsetzen, dürfe allerdings einen bestimmtem Prozentsatz der tariflichen Festlegung nicht unterschreiten. Hinzu komme, dass die Bandbreite der aktuellen Lehrlingsgehälter in den drei Ausbildungsjahren im Handwerk in Baden-Württemberg sehr groß sei. Die Vergütungen reichten beispielsweise von rund 550 bis über 1.000 Euro im Baugewerbe und von knapp über 300 Euro bis 500 Euro im Holz- und Kunststoffverarbeitenden Handwerk.
Die finanziellen Spielräume der Betriebe seien eng, aber die Höhe der Ausbildungsvergütung spiele bei der Ausbildungsleistung keineswegs die zentrale Rolle, so Möhrle weiter. Wichtiger sei das Engagement und der Leistungswille des Lehrlings. Für gute Lehrlinge werde die Ausbildungsvergütung gern geleistet. Denn das Handwerk brauche bestens ausgebildete Fachkräfte. Es müsse deshalb in Ausbildung investieren. Eine qualitativ gute Ausbildung könnten aber in der Regel nur Betriebe ab einer bestimmten Mindestgröße leisten: Und da hat uns die Novellierung der Handwerksordnung einen Strich durch die Rechnung gemacht. Denn der Gründerboom nach der Aufhebung der Meisterpflicht für eine Reihe von Handwerksberufen stütze sich überwiegend auf den Bereich der kleinen und allerkleinsten Betriebe. Auf lange Sicht rechnet Möhrle deshalb damit, dass die großen Potenziale im Handwerk nicht genutzt werden können.
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Baden-Württembergischer Handwerkstag (BWHT)
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