Henke: "Aushöhlung der Koalitionsfreiheit entschieden entgegentreten" / BDA-DGB-Initiative richtet sich gegen Grundrechte aller Arbeitnehmer
(Berlin) - "Das Dogma der Tarifeinheit ist tot. Jeder Versuch, es wiederzubeleben, muss scheitern", erklärte gestern (6. September 2010) Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes. Die ohnehin schon schwierige Personalsituation der Krankenhäuser würde sich weiter verschärfen, wenn die Ärzte sich wieder unter die Fremdherrschaft eines Einheitstarifvertrages begeben müssten und ihnen faktisch das Recht, unabhängig und eigenständig Tarifverhandlungen mit den Arbeitgebern zu führen, verwehrt würde. "Erst kürzlich gab es neue Hinweise auf einen zunehmenden internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte. In solchen Zeiten wäre es auch volkswirtschaftlich höchst widersinnig, die in Deutschland ausgebildeten Ärzte aus dem Land zu treiben. Genau das aber wäre die Konsequenz eines staatlich sanktionierten Rollback zu zentralistischen Einheitstarifverträgen", sagte Henke anlässlich des heute (7. September 2010) stattfindenden Kolloquiums "Tarifeinheit und Koalitionsfreiheit" des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Am 7. Juli 2010 hat das Bundesarbeitsgericht durch ein Aufsehen erregendes, von Marburger Bund-Mitgliedern erstrittenes Urteil eindeutig bestätigt, dass der Grundsatz der Tarifeinheit mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nicht vereinbar ist. In einem aktuellen Positionspapier mit dem Titel "Rettet die Koalitionsfreiheit - Für gewerkschaftliche Pluralität und Tarifautonomie" wendet sich der Marburger Bund deshalb gegen den Versuch der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), die neue, verfassungskonforme Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Abkehr vom Grundsatz der Tarifeinheit ("Ein Betrieb - ein Tarifvertrag") rückgängig zu machen.
"Die Gemeinschaftsinitiative der Arbeitgeber und der Einheitsgewerkschafter richtet sich gegen Grund- und Freiheitsrechte aller Arbeitnehmer in diesem Land", kritisierte Henke. Die von BDA und DGB geforderte gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes der Tarifeinheit sei ein unzulässiger Eingriff in die kollektive Koalitionsfreiheit der verdrängten Gewerkschaft und in die individuelle Koalitionsfreiheit der Mitglieder dieser Gewerkschaft. "Wir rufen alle Arbeitnehmer auf, der Aushöhlung der Koalitionsfreiheit entschieden entgegenzutreten", sagte der MB-Vorsitzende.
"Es geht BDA und DGB um die Wiederherstellung eines bilateralen Monopols, das dem Gedanken des Pluralismus Hohn spricht und z.B. alle berufsspezifischen Gewerkschaften existenziell bedroht. Durch die von Arbeitgebern und DGB geforderte Unterordnung unter die Tarifverträge von Mehrheitsgewerkschaften sollen Spezialistengewerkschaften praktisch jede Chance verlieren, Tarifverträge abzuschließen, die auch tatsächlich angewandt werden können."
Henke kritisierte auch die Unterstützung der BDA-DGB-Initiative durch die rheinland-pfälzische Landesregierung: "Der Gewerkschaftspluralismus ist Ausdruck freier Selbstbestimmung. Wer dagegen Einheitstarifverträgen das Wort redet, um eine angebliche `Zersplitterung des Tarifvertragssystems´ und `Spaltung der Belegschaften´ zu verhindern, wie es in dem Bundesratsantrag des Landes Rheinland-Pfalz heißt, verschweigt der Öffentlichkeit die wahren Motive seines Handelns. In Wirklichkeit geht es um die Festigung eines Machtkartells, das dem Freiheitsgedanken unserer Verfassung eklatant widerspricht."
Das Positionspapier des Marburger Bundes finden Sie im Anhang zu dieser Mail und auf der Internetseite des Marburger Bundes sowie unter www.rettet-die-koalitionsfreiheit.de.
Quelle und Kontaktadresse:
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