Inflationsprognosen in den Mittelpunkt der EZB-Strategie stellen
(Berlin) - Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) empfiehlt der Europäischen Zentralbank (EZB) in seinem jüngsten Konjunkturbericht, Inflationsprognosen in den Mittelpunkt der geldpolitischen Strategie zu stellen.
Inflationsprognosen verdichteten die Vielzahl von Informationen, die zurzeit bei der breit fundierten Beurteilung der Preisaussichten als zweiter Säule der EZB-Strategie analysiert werden. Gleichzeitig dienten sie als Anker für die Inflationserwartungen der Wirtschaft. Die Analyse der Geldmengenentwicklung im Rahmen der ersten Strategiesäule solle dennoch auch in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Sie müsse sich aber auf die längerfristigen Inflationsrisiken konzentrieren, da monetäre Variablen kurz- bis mittelfristig nur eine geringe Vorhersagekraft bei der Einschätzung der Inflationsrisiken besitzen.
Aus Sicht des BVR können die Inflationsprognosen in der EZB-Strategie durch eine Reihe von Maßnahmen aufgewertet werden. Der gestiegenen Bedeutung der Inflationsprognosen entsprechend sei ein vierteljährlicher Veröffentlichungsrhythmus statt des bisher halbjährigen zu empfehlen. Dadurch würden die Prognosen auch in der Öffentlichkeit eine herausragende Rolle einnehmen. Die den Prognosen zugrunde liegenden Annahmen sollten im Rahmen einer umfassenden Dokumentation stärker als bisher transparent gemacht werden.
Um den hohen Erwartungen der Öffentlichkeit an die Aktualität der Prognosen bestmöglich gerecht zu werden, seien alle Möglichkeiten zu nutzen, die den bislang sehr zeitaufwendigen Prozess der Prognoseerstellung straffen. Die Veröffentlichung der Prognosen in Form einer Punktschätzung mit Fehlerbereichen für die einzelnen Variablen - anstelle in der bisherigen Intervallform - würde den Vergleich mit Prognosen anderer Institutionen erleichtern. Eine Darstellung der Prognosen, die an die so genannten Fächerdiagramme der Bank of England an-knüpft, hätte den Vorteil, dass sowohl die zeitliche Entwicklung der Inflationsrate von Quartal zu Quartal aufgezeigt, als auch das Ausmaß der Vorhersageunsicherheit zum Ausdruck gebracht werde.
Operationelle Geldpolitik an Ausschuss delegieren
Eine Aufwertung der Inflationsprognosen sollte sich auch auf die Entscheidungsstruktur in der EZB auswirken. Es müsse sichergestellt werden, dass die Einschätzung der künftigen Konjunktur und Inflationsentwicklung von den geldpolitischen Entscheidungsträgern geteilt werde. Dies erfordere eine direkte Beteiligung des geldpolitischen Entscheidungsgremiums an der Erstellung der Prognosen. Bislang werden Inflationsprognosen ausschließlich von Stabsmitgliedern und Mitarbeitern der nationalen Notenbanken erstellt.
Um schnelle und effiziente Entscheidungsabläufe zu gewährleisten, sollte der EZB-Rat die operationelle Geldpolitik, also Entscheidungen über die Höhe der Leitzinsen und den Einsatz der geldpolitischen Instrumente, an einen geldpolitischen Ausschuss delegieren. Eine Zusammensetzung dieses Ausschusses zum einen aus den sechs Mitgliedern des Direktoriums und zum anderen aus sechs weiteren Mitgliedern aus dem Kreis der Notenbankchefs wäre hier sinnvoll. Dadurch würde die Größe des Gremiums begrenzt und föderalen Gesichtspunkten Rechnung getragen. Die Zuständigkeiten des EZB-Rats blieben in allen Bereichen, außer der operationellen Geldpolitik, unverändert. Die Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses sollten von den EZB-Ratsmitgliedern gewählt werden. Das geldpolitische Entscheidungsgremium würde dadurch den Status eines Unterausschusses des EZB-Rats einnehmen. Seine Einrichtung sollte daher auch ohne eine Änderung der EZB-Statuten möglich sein, sofern die Staats- und Regierungschefs eine solche Reform einstimmig unterstützen.
Geldmenge als Indikator für längerfristige Inflationsrisiken
Die monetäre Analyse sollte künftig der Beschreibung längerfristiger Inflationsrisiken dienen. Damit würden Irritationen in der Öffentlichkeit vermieden, die auftreten, wenn beide Strategiesäulen unterschiedliche zinspolitische Reaktionen darlegen. In den kommenden Jahren sei die Rolle der Geldmenge in der geldpolitischen Strategie allerdings erneut zu überprüfen. Die monetäre Entwicklung der vergangenen Jahre habe die Frage aufgeworfen, ob die in der Vergangenheit bestehende Stabilität der Geldnachfrage immer noch im hinreichenden Ausmaß gegeben sei. Seit Sommer 2001 liege der gleitende 3-Monatsdurchschnitt der M3-Jahreswachstumsrate um etwa 2,5 Prozent oberhalb des EZB-Referenzwertes, ohne dass nachfrageseitig Zeichen eines entsprechenden Inflationsdrucks aufgetaucht wären.
Inflationsziel in Höhe von 1,5 Prozent festlegen
Bei ihrer Definition der Preisstabilität solle die EZB zu einem Punktziel für die Inflationsrate in Höhe von 1,5 Prozent übergehen - umgeben von einem symmetrischen Schwankungsbereich in Höhe von 1 Prozentpunkt. Dies entspräche zum einen ihrer bisherigen Vorgehensweise, wie sie beispielsweise bei der Berechnung des Referenzwertes für das Geldmengenwachstum angewendet wird. Offiziell definiert die EZB Preisstabilität bislang als einen mittelfristigen Anstieg des harmonisierten Verbraucherpreisindex zwischen 0 und 2 Prozent.
Forderungen an die EZB, ein höheres Inflationsziel - beispielsweise in Höhe von 2,5 Prozent - vorzugeben, führten allerdings zu weit. Zwar kann eine zu geringe Inflations-rate aufgrund nach unten starrer Nominallöhne die Anpassungsfähigkeit der Arbeitsmärkte in Folge strukturellen Wandels sowie externer Schocks beeinträchtigen. Ein In-flationsziel von 1,5 Prozent sei jedoch vollkommen ausreichend, um die nötige Flexibilität sicherzustellen.
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