Kaufkraftargument: Wacklig wie ein Kartenhaus
(Köln) - Nach den Vorstellungen der Gewerkschaften sorgen hohe Lohnzuwächse für mehr Konsum und Beschäftigung. Doch letztlich kommt nur ein geringer Teil einer Lohnerhöhung in den inländischen Geschäften an. Im vergangenen Jahr gingen sogar trotz hoher Tarifabschlüsse sowohl der private Verbrauch als auch die Investitionen sowie die Zahl der Arbeitsplätze zurück.
Auch in den jüngsten Tarifverhandlungen präsentierten einige Gewerkschaften das so genannte Kaufkraftargument als Allzweckwaffe gegen die Beschäftigungsmisere. Danach sollen kräftige Lohnsteigerungen die allgemeine Kaufkraft stärken. Dies würde den Konsum beleben, was quer durch die Wirtschaft zu mehr Investitionen und Jobs führe und so den privaten Verbrauch weiter ankurbele ein perfektes Perpetuum mobile.
Die angebliche Wundermaschine erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als funktionsuntüchtig:
- Mageres Konsumplus. Von der Brutto-Lohnerhöhung eines Durchschnittsverdieners landet nur ein kleiner Teil in den heimischen Geschäften: Von einer monatlichen Einkommensanhebung eines verheirateten Alleinverdieners um brutto 100 Euro fließen 2003 im Schnitt lediglich 34,30 Euro in den inländischen Konsum bei einem Single sind es sogar nur 26,70 Euro. Ein großes Stück des zusätzlichen Lohnkuchens kassiert der Fiskus in Form von Steuern und Sozialabgaben. Vom verbleibenden Nettolohn legen die Bürger einiges auf die hohe Kante, machen Urlaubsreisen ins Ausland oder kaufen importierte Waren.
- Höhere Kostenlast für Unternehmen. Die schwache Konsumspritze kommt die Betriebe teuer. Denn sie müssen nicht nur den zusätzlichen Bruttolohn schultern, sondern auch noch ihren Anteil zur Sozialversicherung drauflegen: Insgesamt summieren sich die Extra-Arbeitskosten auf über 121 Euro. Auch gesamtwirtschaftlich ist die Kaufkrafttheorie so stabil wie ein Kartenhaus. Selbst wenn einzelne Mitarbeiter von der Gehaltszugabe profitieren, können die höheren Belastungen die Unternehmen zu Rationalisierungen und Produktionsverlagerungen an kostengünstigere Standorte zwingen. Dann gehen hierzulande Jobs verloren, sodass die Summe aller Löhne und damit auch die gesamte Kaufkraft schrumpft.
Vor allem aber sollten die Erfahrungen des Jahres 2002 die Verfechter des Kaufkraftarguments verstummen lassen. So stiegen die Arbeitseinkommen je Beschäftigten im Schnitt um 1,8 Prozent je Arbeitsstunde sogar um 2,4 Prozent und damit deutlich stärker als die gesamtwirtschaftliche Produktivität (plus 1,3 Prozent). Doch die hohen Tarifabschlüsse haben den Wirtschaftsmotor nicht auf Touren gebracht:
- Der Konsum ist in Deutschland im Jahr 2002 preisbereinigt erstmals seit 1991 gesunken um 0,5 Prozent.
- Die Ausrüstungsinvestitionen brachen mit einem realen Minus von 8,4 Prozent sogar regelrecht ein.
- Die Zahl der Arbeitsplätze lag schließlich um fast 250.000 oder 0,6 Prozent unter dem Vorjahresstand.
Um sich zu erholen, braucht die deutsche Wirtschaft keine Lohnerhöhungen, sondern bessere Rahmenbedingungen für mehr Investitionen und Jobs insbesondere eine geringere Abgabenlast. Nur dann kommen auch Konsum und Wachstum in Schwung. Bislang allerdings gibt der Kurs von Rot-Grün wenig Anlass zur Hoffnung:
Mit 64,3 Prozent seines gesamten Bruttoeinkommens bekommt der Durchschnittsverdiener 2003 netto abermals weniger heraus als 2002. Auch im Verhältnis zu den Arbeitskosten fallen die Nettoeinkünfte nicht zuletzt aufgrund des stärkeren Zugriffs des Staates erneut geringer aus.
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