Keine Ausbildungsplätze auf Bezugsschein
(Aachen) - Der Verband der EDV-Berater e.V. (VDEB) ist gegen die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe. Eine Abgabe zerstört das duale Ausbildungsprinzip und führt zu einer Verstaatlichung der Ausbildung. Die Leidtragenden einer solchen Regelung werden in erster Linie die Auszubildenden sein.
Nach den Verlautbarungen der rot-grünen Regierungskoalition soll der Entwurf für eine Ausbildungsplatzabgabe im März 2004 vorliegen und in den Fraktionen abgestimmt werden. Damit fände eine Diskussion ihr vorläufiges Ende, die einmal mehr die Uneinigkeit in Deutschland dokumentiert, wie gesellschaftliche Verantwortung zu verteilen ist. Das Ganze ist nicht neu, denn schon Mitte der 70er Jahre hatte die damalige sozialliberale Koalition eine Lehrstellenumlage beschlossen. Diese wurde dann 1980 wegen Formfehlern vom Bundesverfassungsgericht außer Kraft gesetzt. Fast dreißig Jahre später steht Deutschland nun erneut vor derselben Frage.
Die Abgabe wird von Seiten der Wirtschaft einhellig abgelehnt, führt sie doch zu einer enormen Belastung der Unternehmen. Die Vorstellungen der Bundesregierung dagegen sind klar: es fehlen Ausbildungsplätze und es droht ein Potential von jungen, nicht ausgebildeten Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern. Auch dies ist keine schöne Vorstellung und für den Steuerzahler ein teurer Spaß. Die Vor- und Nachteile einer solch umfassenden Regelung wie einer Ausbildungsplatzabgabe muß man nüchtern abwägen, denn die damit verbundenen Veränderungen sind vielschichtig.
Wird die Ausbildungsabgabe tatsächlich eingeführt, schädigt dies das Gefüge von Staat und Wirtschaft nachhaltig. In der bisher gleichberechtigt getragenen dualen Ausbildung werden die Betriebe ihre Eigenständigkeit verlieren. Eine Entwicklung, die blauäugig ist, da der Staat im Alleingang keine Ausbildungsplätze schaffen kann. Zudem soll mit den Gewerkschaften ein dritter "Ausbildungsverantwortlicher" ins Boot kommen, was die unternehmerische Selbstbestimmung endgültig aushebelt.
Gerade der Mittelstand hat ein gesundes Interesse für den eigenen Nachwuchs bei den qualifizierten Arbeitskräften zu sorgen und bedarfsgerecht auszubilden. Denn diejenigen, die im eigenen Unternehmen weiterbeschäftigt werden, brauchen keine Einarbeitung. Ein deutlicher Kostenvorteil bei dem - zumindest im IT-Bereich - hohen Komplexitätsgrad der Arbeitsabläufe.
Die rot-grüne Regierungskoalition versucht mit der Ausbildungsabgabe einen zusätzlichen Anreiz zur Ausbildung zu schaffen und kapitale Interessen von Unternehmen anzusprechen. Aber Ausbildung ist auch für ein Unternehmen eine Kostenfrage, denn Auszubildende müssen vernünftig betreut werden, was entsprechende Zeit oder zusätzliches Personal erfordert. Hier gibt es also eine natürliche Grenze.
Es ist daher absehbar, daß die Unternehmen nicht erheblich über den eigenen Bedarf ausbilden werden. Dies ist auch ein Gebot der Fairneß gegenüber den Auszubildenden, die nicht nur auf eine Ausbildung hoffen, sondern ebenso auf einen Beschäftigungsmarkt mit Perspektive. Die fehlenden Lehrstellen wird man über einen sekundären, halbstaatlichen Ausbildungsmarkt auffangen müssen. Damit ist der Weg in die Verstaatlichung der Ausbildung bereitet. Schaut man sich die Ergebnisse des 1999 gestarteten Jugendsofortprogramms JUMP an, an dem 27.000 Jugendliche an einer außerbetrieblichen Ausbildung teilgenommen haben, so ist das Scheitern vorprogrammiert. Die "Bild"-Zeitung schreibt unter Berufung auf den bisher unveröffentlichten Berufsbildungsbericht der Bundesregierung, nur 30 Prozent hätten tatsächlich ihre Ausbildung abgeschlossen. Gerade mal 8 Prozent der Teilnehmer konnten im Anschluß einen regulären Arbeitsplatz finden. Und dies bei Kosten von 900 Millionen Euro Steuergeldern.
Was wird eine Ausbildungsplatzabgabe bewirken? Auszubildende verlassen sich zunehmend auf den Staat, eine Eigeninitiative wird nicht gefördert. Der Staat setzt sich mit dem Einzug von Abgaben dafür einem zweifachen Zugzwang aus: Unternehmen können sich von der Ausbildung mit gutem Gewissen freikaufen und auf den Staat verweisen. Auszubildende, die keinen Ausbildungsplatz finden, werden dagegen mit voller Berechtigung an den Staat herantreten und eine Ausbildung einfordern. Die Gelder sind ja vorhanden. Damit entsteht zwangsläufig ein sekundärer Ausbildungsmarkt, der schon vom Prinzip her nicht bedarfsgerecht für die Wirtschaft ausbilden kann.
Um die Ausbildungsplatzabgabe organisatorisch umzusetzen, ist eine neue Verwaltungsbehörde erforderlich, die diese Aufgabe übernimmt. Hierzu liegen inzwischen die Kostenschätzungen aus dem Bildungsministerium vor. So rechnet man - laut Tagesschau - mit einem Apparat von rund 700 Verwaltungsbeamten, die 700.000 beitragspflichtige Betriebe betreuen sollen. Die Kosten werden sich auf über 50 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Dies sind Kosten, die die Wirtschaft zusätzlich zur Ausbildungsplatzabgabe aufbringen muß. Weiter kommen noch die Eigenleistungen der Betriebe bei der internen Verwaltung hinzu. Die Aufwendungen werden sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Die Ausbildungsabgabe wird damit die Mittelständler aufgrund der Personalstruktur mehr als Großunternehmen treffen. Die Abgabe für die Auszubildenden selber schlägt nach Schätzungen mit 250 Millionen Euro pro Jahr zu Buche.
Die Bundesregierung geht von etwa 30.000 jungen Menschen ohne Ausbildungsplatz pro Jahr aus. Die tatsächlichen Zahlen schwanken. Die Süddeutsche Zeitung berichtet mit Bezug auf die Bundesagentur für Arbeit von 12.000 fehlenden Ausbildungsplätzen im laufenden Jahr. DGB-Chef Sommer sprach im Mai 2003 von mehr als 100.000 fehlenden Ausbildungsplätzen. Daß sich die Zahl der Ausbildungsplätze nicht unabhängig von der Konjunktur entwickelt, dürfte allen Beteiligten klar sein. Man sollte aber auch die demographische Entwicklung im Auge behalten, denn die Zahl der Auszubildenden wird sich aufgrund der rückläufigen Geburten in spätestens zehn Jahren deutlich reduzieren. Dies allein spricht schon gegen eine staatliche Verwaltungsbehörde, denn so schnell lässt sich ein solcher Apparat nicht wieder abbauen. Kommt die Verwaltungsbehörde, wird dies eine Ausbildungsabgabe auf Jahrzehnte zementieren.
Dipl.-Ing. Oliver Grün, Vorsitzender des VDEB und als Vorstand der Grün Software AG selbst Unternehmer mit einer deutlich über dem Durchschnitt liegenden Zahl von Auszubildenden, spricht sich gegen die Ausbildungsplatzabgabe aus, obwohl er von den Plänen der Regierung profitieren könnte: "Die Ausbildungsplatzabgabe schafft keinen einzigen zusätzlichen Ausbildungsplatz, aber eine noch höhere finanzielle Belastung der Unternehmen durch enorme Verwaltungskosten. International beweist Deutschland damit einmal mehr die Fähigkeit zur Überregulierung und Bürokratisierung der absurdesten Sachverhalte. Hier wird wieder ein falsches Signal gesetzt, das jeden Abwanderungsgedanken von Unternehmen verstärkt. Eine Ausbildungsplatzvergabe auf Bezugsschein lehne ich jedenfalls kategorisch ab."
Quelle und Kontaktadresse:
Verband der EDV-Berater e.V. (VDEB)
Feldstr. 40, 52070 Aachen
Telefon: 0241/1890558, Telefax: 0241/1890555
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