Pressemitteilung | Grüne Liga e.V. - Bundesverband

Kommunale Wasserversorgung als Aufgabe der Daseinsvorsorge bedroht

(Berlin) - Am Mittwoch, den 12.09.2001, wird der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments den Entschließungsentwurf über die Mitteilung der EU-Kommission "Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa" abstimmen.

Der Berichterstatter Werner Langen (MdEP, CDU) hat einen Text vorgelegt, dessen Umsetzung zu einer Zwangs-Privatisierung und –Liberalisierung aller Leistungen der Daseinsvorsorge führen könnte. Er geht damit weit über die in der Kommissionsmitteilung gemachten Vorschläge zur Einführung von Wettbewerb in diesem Bereich hinaus und hebt die von der Kommission selbst gesetzten Einschränkungen auf. Diese Vorlage aus der Feder eines deutschen Politikers erscheint nicht nur dem Netzwerk als auch der deutschen Wasserwirtschaft umso unverständlicher, als sich die Landtagsparlamente der Bundesländer der BRD und auch alle Bundestagsfraktionen gegen eine "Zerschlagung der deutschen Wasserwirtschaft" und gegen eine zwangsweise Öffnung des Wassermarktes ausgesprochen haben.

"Sollten die Inhalte des Entschließungsentwurfs zur Grundlage der EU-Politik werden, würde - weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und den Betroffenen - den Kommunen in ihrem Wirtschaftshandeln die völlige Entmachtung durch die EU drohen", so Sebastian Schönauer, der stellv. Bundesvorsitzende und Wasserexperte des BUND für das Netzwerk UNSER Wasser.

Die im Netzwerk UNSER Wasser zusammengeschlossenen Umwelt- und Verbraucherverbände, Gewerkschaften und Verbände der kommunalen Unternehmen und der Wasserwerke warnen vor dem Angriff auf die Grundstrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Auch der niedersächsische Umweltminister Jüttner gehört zu den Politikern, die frühzeitig vor der Gefahr gewarnt haben, dass mit der Annahme des Langen-Berichts "alle öffentlich-rechtlichen Unternehmen, die nicht ausschließlich hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, mittelfristig in Aufgabenwahrnehmung und Bestand, möglicherweise in ihrer Existenz in Frage gestellt werden".

Sogar die CDU / CSU Bundestagsfraktion spricht sich inzwischen gegen diese von der EU anscheinend geplante "Entkommunalisierung der Wasserversorgung" aus. Der Sprecher Peter Götz, MdB dazu am 3. September 01 wörtlich: "Es gibt keine Not, bei uns einen Privatisierungszwang einzuführen. Das Negativbeispiel Großbritannien zeigt, dass sich dort seit der Liberalisierung der Wasserversorgung die Kosten mehr als verdoppelt haben."

Der Langen-Entwurf unterstellt (Punkt 12), dass der marktwirtschaftliche Wettbewerb für Leistungen der Daseinsvorsorge, d.h. auch für Wasser und Abwasser, grundsätzlich besser sei, als das bisherige, kommunal geprägte System. Dafür wird allerdings kein Beweis angeboten. Der Bericht will eine Marktöffnung für die Wasserwirtschaft weit über die jetzigen Möglichkeiten hinaus. Abgesehen davon, dass bei dem "natürlichen Monopol" Wasser der Wettbewerb aus technischen, hygienischen und finanziellen Gründen nur sehr eingeschränkt möglich ist, beweist der Blick auf die vor allem von kommunalen Unternehmen getragene deutsche Wasserversorgung im internationalen Vergleich gerade die Vorzüge der bestehenden Versorgungsstruktur. Im Gegensatz zu Ländern mit privatisierter und im Prinzip liberalisierter Wasserversorgung, wie etwa England, hat Deutschland das höchste Niveau an Trinkwasserqualität, Versorgungssicherheit, und die geringsten Wasserverluste. Die nicht auf Profit abzielenden Trinkwasserversorger gewährleisten ein hohes Maß an Reinvestitionen in den Unterhalt von Leitungen und Anlagen und leisten oft über die Vorschriften hinaus Beiträge zum Schutz des Wassers, z.B. in den Gewinnungsgebieten. Die grundsätzliche Privilegierung des freien Wettbewerbs gefährdet die bisherige Qualität der Wasserversorgung. Der freie Wettbewerb würde viele freiwillige und zusätzliche Leistungen für die Wasserqualität beenden.

Die im Entschließungsantrag geforderte Ausschreibungspflicht für die allgemeinen Dienstleistungen (Punkt 13, 39) führt dazu, dass Konzerne mit viel Geld in der "Kriegskasse" sich überall in die kommunale Daseinsvorsorge einkaufen bzw. deren Anlagen und die hochwertige Infrastruktur nutzen können. Die wirtschaftlich interessanten deutschen Wasserwerke könnten so der Reihe nach von den wenigen internationalen Wasser-Großkonzernen übernommen werden! Der Bericht suggeriert, es könne einen "fairen Wettbewerb" zwischen milliardenschweren Wasserkonzernen und kleineren und mittleren kommunalen Unternehmen geben. Zusätzlich soll aber jede Bevorzugung öffentlicher Unternehmen, auch in der Wasserwirtschaft, unterbunden werden.
Damit wird die letztlich nur im Querverbund überlebensfähige Struktur der kommunalen Wirtschaft aufgebrochen und zur Bedienung insbesondere für die großen Multi-Utility-Konzerne freigegeben. Daseinsvorsorge als auch von der Kommission anerkannter kommunaler Auftrag wäre dann de facto ausgehöhlt und in privatwirtschaftlich unprofitable Randbereiche abgedrängt.

Punkt 40 des Langen-Entwurfs zur Daseinsvorsorge krönt schließlich den Vorstoß zur Verallgemeinerung privatwirtschaftlicher Ansprüche über das Subsidiaritätsprinzip hinweg. Den öffentlichen Unternehmen soll eine wirtschaftliche Betätigung verboten werden, wenn die Dienstleistung von Privaten genauso erbracht werden kann! Damit wären in der EU die Weichen gestellt, die in Punkt 52 bis 54 angeregte Liberalisierung und Privatisierung von Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung durchzuziehen und die bisherige kommunale Selbstbestimmung im Wasserbereich (und darüber hinaus) endgültig zu beseitigen! Damit wäre Artikel 28 Grundgesetz, der das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen bei der Daseinsvorsorge vorsieht, ausgehebelt!

Dieser Entschließungsentwurf des Wirtschaftsausschusses an das Europäische Parlament ist nach dem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zur Liberalisierung und Privatisierung der Wasserversorgung ein weiterer und bisher der umfassendste Anschlag auf das kommunal geprägte System von Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Deutschland!

Die im Europäischen Parlament vertretenen Parteien sollten sich ihrer Verantwortung für die Erhaltung und Verbesserung einer ökologisch verträglichen und nachhaltigen Wasserwirtschaft, die nicht von Konzernen beherrscht wird, gegenüber den Bürgern, den Kommunen und den kommunalen Beschäftigten stellen. Wir fordern die Abgeordneten des Europäischen Parlamentes auf, diesen gefährlichen Angriff auf die kommunale Wasserwirtschaft zurückzuweisen.

Für das Netzwerk UNSER Wasser:
Gerhard Nagl / Sebastian Schönauer, BUND; Werner Krüger, HWW;
Michael Bender, GRÜNE LIGA

Quelle und Kontaktadresse:
GRÜNE LIGA e.V. Prenzlauer Allee 230 10405 Berlin Telefon: 030/4433910 Telefax: 030/44339133

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