Konjunktur in der Automatisierungsindustrie lahmt / Erstmals Rückgang der Branche im Jahr 2002
(Nürnberg) - Die deutsche Automatisierungsindustrie wird im Jahr 2002 erstmals seit mehreren Jahren wieder rückläufige Produktionszahlen zu verzeichnen haben, meldet der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e. V. "Für das Gesamtjahr rechnen wir in der Produktion mit einem Minus von fünf Prozent auf 24 Milliarden Euro", so Karl-Heinz Lust, Vorstandsmitglied des ZVEI-Fachverbandes AUTOMATION, auf der Automatisierungsmesse SPS/IPC/DRIVES in Nürnberg. Im ersten Quartal 2002 schrumpfte die Produktion in der elektrischen Automatisierungsindustrie im Vergleich zu dem noch guten ersten Quartal 2001 um über acht Prozent. Das zweite und dritte Quartal entwickelten sich demgegenüber etwas besser. Während die Produktion rückläufig war, stagnierte der Export, so dass die Exportquote auf jetzt 71 Prozent gewachsen ist.
Die Entwicklung der Auftragseingänge lasse auch für 2003 noch keine Erholung erwarten. Wir prognostizieren in der Produktion im Jahr 2003 in Summe noch einen leichten Rückgang, der allerdings nicht mehr so stark ausfallen wird wie im Jahr 2002, so Lust. In den wichtigen Abnehmerbranchen Maschinenbau und Fahrzeugbau scheinen dem ZVEI zufolge der Tiefpunkt für deren eigenes Geschäft erreicht zu sein. Die Produktionsprognosen lassen für das kommende Jahr zumindest für die Autoindustrie und die Chemische Industrie eine verhaltene Erholung erwarten. Dies würde sich auch positiv auf die Absatzchancen der Automatisierungsindustrie im Inland auswirken, wenn auch erst Ende 2003, so die vorsichtige Prognose des Fachverbands-Vorstands. In diese Einschätzungen seien allerdings die Auswirkungen der finanz- und wirtschaftspolitischen Weichenstellungen nach der Bundestagswahl noch wirklich eingeflossen.
Die einzelnen Teilsegmente der Automation unterlagen in den ersten drei Quartalen 2002 unterschiedlichen Entwicklungen: Schaltgeräte, Schaltanlagen und Industriesteuerungen müssen einen Rückgang um drei Prozent auf 8,3 Mrd. Euro hinnehmen, elektrische Antriebe einen Rückgang um vier Prozent auf vier Mrd. Euro. Am kräftigsten wurde die Messtechnik und Prozessautomatisierung von der schlechten Konjunktur getroffen; sie verzeichnet eine Abnahme der Produktion um über neun Prozent auf 5,6 Mrd. Euro. Eine Besserung dieser Situation ist nach ZVEI-Auffassung nicht in Sicht. Wegen des Basiseffektes auf Grund des noch schlechten vierten Quartals 2001 könnten allerdings die relativen Veränderungswerte bis zum Jahresende 2002 in einem besseren Licht erscheinen.
Die lang anhaltende Stagnationsphase in Deutschland in fast allen Industriebranchen hat zu einer schwachen Auslastung der Produktionskapazitäten und rückläufiger Investitionstätigkeit der Unternehmen geführt. Es ist zu befürchten, dass die Investitionsplanungen der Unternehmen auf Grund der anhaltend schwachen Nachfrage für die nähere Zukunft nach unten revidiert werden. Aktuellen Konjunkturprognosen zufolge ist auch von den wichtigen Abnehmerregionen im Ausland lediglich in Südostasien im kommenden Jahr mit einem kräftigen Wirtschaftswachstum zu rechnen. Jedoch liegt der Exportanteil der deutschen Automatisierungsindustrie in diese Region bei nur zehn Prozent. In den vergangenen Konjunkturtälern waren es aber gerade die Ausfuhren, die der Konjunktur in Deutschland die benötigten Wachstumsimpulse gegeben haben.
Auf Grund der rückläufigen Produktion und der gedämpften Erwartungen wird sich die Zahl der Beschäftigten in der Automatisierungsbranche bis zum Jahresende um vier Prozent auf 223.000 reduzieren, nachdem im Jahr 2001 noch ein leichter Anstieg zu verzeichnen war.
Weltmarktanteil Deutschlands unverändert
In Folge der Einbeziehung zusätzlicher, vorher nicht verfügbarer Datenquellen, summiert sich nach Angaben des ZVEI der weltweite Bedarf an Automatisierungstechnik auf 210 Mrd. Euro. Die USA erreichen mit einem Anteil von einem Drittel nach wie vor die Spitzenposition. Europa folgt mit einem Anteil von 26 Prozent, Japan mit 17 Prozent. Am deutschen Markt werden demnach unverändert neun Prozent der weltweit produzierten Automatisierungstechnik abgesetzt.
Da die Konjunktur in den wichtigsten Industrienationen stärker und länger anhaltend rückläufig war, als noch vor einigen Monaten prognostisiert, rechnet Lust auch für 2003 noch nicht mit einer deutlichen Belebung. Wie sich der Weltmarkt tatsächlich entwickelt hängt von vielen nicht beeinflussbaren - nicht zuletzt politischen - Faktoren ab. Verlässliche Prognosen sind kaum möglich, erläuterte Lust. Für die Automatisierungsindustrie ist der ZVEI jedoch zuversichtlich, langfristig wieder auf den Wachstumspfad zurückzukehren.
Mega-Trends: Beherrschung der Datenströme, Flexibilisierung der Lösungen
Mittelfristig sieht der ZVEI-Fachverband AUTOMATION als Vertreter einer global agierenden Industrie Wachstums-Potenziale in den weiter vorantreibenden technologischen Innovationen. Als Mega-Trends in der Automation erwiesen sich nach seinen Feststellungen ein steigender Einsatz von Web-Driven-Technologies und Ethernet-Anwendungen. Zunehmend nutze die heutige Automatisierungstechnik Informationstechnologie (IT) und deren Standards. So gewinne im Zuge der Einführung unternehmensweiter Informationsnetzwerke die transparente Datenkommunikation bis hinunter auf die Produktionsebene immer größere Bedeutung. Diese so genannte vertikale Integration eröffnet die Anbindung des Automations-bereichs an die weltweite Kommunikation mittels Internet.
In der vertikalen Integration sieht Lust erhebliches Potenzial für Kosteneinsparungen. So würden sich Möglichkeiten der Fernwartung und Diagnose über das Internet oder die Einbindung der Anlagen in die Logistikstrukturen ergeben.
Neben Hardware-Verbesserungen stehen nach Lusts Überzeugung die zunehmende Intelligenz der Feldgeräte und deren Integrationsfähigkeit in das Automatisierungsumfeld im Vordergrund. Dazu gehöre die in das Programm der SPS/IPC/DRIVES verstärkt aufgenommene industrielle Bildverarbeitung. Ähnlich der Weiterentwicklung elektrischer Antriebe hin zu dezentralen Automatisierungssystemen werden auch die "Vision Sensoren" zu kompletten dezentralen Bildverarbeitungs-Systemen. Mit der notwendigen Auswerteelektronik ausgestattet können sie direkt in das dezentrale Steuerungssystem integriert werden, so Lust. Damit werden vormals komponentenorientierte Hersteller zu Anbietern von ganzen Sub-Systemen.
Insgesamt sieht Lust, wie die Beispiele zeigten, die deutsche Automatisierungsindustrie technologisch gut positioniert, um an einem künftigen Aufschwung partizipieren zu können. Wenn auch die derzeitige Konjunkturlage nicht rosig sei, bleibe deshalb doch Raum für Optimismus.
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Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.V.
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