Pressemitteilung | Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB)

Konjunkturbericht – Mai 2000 / Schlechte Stimmung hält den Euro unter Druck

(Berlin) - Der wohl wichtigste Grund für den anhaltenden Druck auf den Außenwert des Euro ist zurzeit die schlechte Stimmung, die der europäischen Gemeinschaftswährung an den Devisenmärkten entgegenschlägt. Durch die stetige Abwertung – gegenüber dem US-Dollar beläuft sie sich seit Anfang 1999 inzwischen auf rund 25 % – haben international orientierte Investoren in den letzten Monaten viel Geld im Euro-Raum verloren.

Sie ziehen sich deshalb seit geraumer Zeit aus der Währung zurück, was die Euro-Skepsis weiter anfacht und mittlerweile wohl eine Art "Herdenverhalten" ausgelöst hat. Wie so häufig, wenn das Anlageverhalten von einem starken Trend geprägt wird, werden Risiken der bevorzugten Alternativ-Anlage dabei untergewichtet. Während die nach wie vor noch zu zaghaften Wirtschaftsreformen der großen Euro-Staaten von den Märkten als eine Belastung für die mittelfristigen Wachstums- und Renditechancen im Euro-Raum gesehen werden, werden die wirtschaftlichen Risiken in den USA, wie zum Beispiel das hohe und weiter zunehmende Leistungsbilanzdefizit, die angespannte Lage des Arbeitsmarktes oder die sehr niedrige private Sparquote nur sehr gering bewertet.

Der Euro bleibt daher kurzfristig weiter unter Abwertungsdruck, obwohl wirtschaftliche Grunddaten wie die hohe Preisstabilität – die Inflationsrate im gemeinsamen Währungsraum ist schon seit fünf Jahren niedriger als in den USA –, der sich wahrscheinlich auch in diesem Jahr wieder einstellende Leistungsbilanzüberschuss und die immer robuster werdende konjunkturelle Erholung klar für eine Aufwertung sprechen. Selbst der Hinweis auf den großen Abstand zwischen den Leitzinsen in den USA und im Euro-Raum, der sich in den kommenden Monaten sogar noch vergrößern könnte, kann den niedrigen Euro-Kurs inzwischen nur noch bedingt erklären. Hier darf nämlich nicht übersehen werden, dass ein noch größerer Abstand bei den Leitzinsen die Reaktion auf eine sich weiter verschlechternde Preisentwicklung in den USA wäre.

Immerhin hat sich der Preisauftrieb jenseits des Atlantiks inzwischen auf eine Jahresrate von 3 % beschleunigt. Im Euro-Raum ist die Teuerungsrate dagegen im April wieder unter die 2 %-Marke gefallen, und es bestehen gute Chancen, dass sie bis auf weiteres auch unter diesem Schwellenwert bleibt. Darüber hinaus sollte auch nicht vergessen werden, dass sich der Euro im Sommer bzw. Herbst letzten Jahres bei einem ähnlich großen Abstand der Leitzinsen und vergleichbaren Prognosen für die Leitzinsentwicklung sogar leicht erholen konnte.



Auswirkungen der Euro-Schwäche relativ gering

Trotz der um sich greifenden Besorgnis über den niedrigen Außenwert des Euro gibt er mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung kaum Anlass zur Sorge. So wird der niedrige Euro-Kurs die Exportwirtschaft in der Elfergruppe sogar noch weiter ankurbeln. Dies ist ein willkommener Effekt, um beim Wirtschaftswachstum zu den USA aufzuschließen. Der zusätzliche Exportimpuls sollte aber gleichzeitig auch nicht überschätzt werden. Schließlich ist der Euro-Raum ein großer Binnenmarkt, der außenwirtschaftlich kaum noch stärker verflochten ist als die USA. Die einzelnen Volkswirtschaften im Euro-Raum sind deshalb heute viel unabhängiger von Wechselkursbewegungen als sie es vor Beginn der Währungsunion waren.

Befürchtungen, dass der niedrige Außenwert des Euro den Modernisierungsdruck für Unternehmen reduziert, erscheinen zurzeit wenig plausibel. Angesichts des weltweit zunehmenden Wettbewerbs und des schnellen technologischen Wandels versteht es sich fast von selbst, dass Unternehmen ihre Marktanteile nur durch permanente Produkt- und Prozessinnovationen verteidigen können. Außerdem kalkulieren viele Unternehmen auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten mit einem höheren Euro-Kurs. Was den Reformdruck in einigen Euro-Ländern anbelangt, sind allerdings Bedenken angebracht. Angesichts der Verzögerungs- und Hinhaltetaktiken, die insbesondere die großen Euro-Staaten bei den unvermeidlichen Reformen in den letzten Jahren an den Tag gelegt haben, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der niedrige Euro-Kurs und das stärkere Wirtschaftswachstum den "Mut" zu Reformen dämpfen. Diese Befürchtungen lassen sich nur durch klares politisches Handeln zerstreuen.

Eine Belastung für den europäischen Kapitalmarkt lässt sich aus dem Kursrutsch des Euro ebenfalls nicht herleiten. Anders als bei "echten" Schwachwährungen, bei denen die Abwertung auf einer geringen Preisstabilität beruht, wird für den Euro an den Kapitalmärkten kein Risikozuschlag verlangt. Der kräftige Zinsanstieg im vergangenen Jahr ist vor allem durch den Rückfluss von zuvor aus den Schwellenländern abgezogenen Anlagemitteln sowie die Belebung der wirtschaftlichen Aktivitäten zu erklären.

Vergleichsweise überschaubar ist ferner der abwertungsbedingte Inflationsimport. Die Importquote, also der Anteil der Importe am Bruttoinlandsprodukt, ist für das gemeinsame Währungsgebiet mit rund 15 % recht niedrig. Zwar sind die Einfuhrpreise in den Euro-Staaten zuletzt deutlich gestiegen. Ein großer Teil dieses Anstiegs ist aber auf die kräftige Erhöhung der Ölpreise zurückzuführen, die sich in dieser Form nicht fortsetzen wird. Die abwertungsbedingten Preisgefahren für den Euro-Raum sind auch deswegen relativ gering, da ausländische Anbieter zur Verteidigung ihrer Marktposition oft einen Teil des Abwertungseffekts durch Preiszugeständnisse mildern.

Für mehr Gelassenheit bei der Beurteilung von Kursbewegungen des Euro spricht last but not least auch die Tatsache, dass durch die Währungsunion Veränderungen im weltweiten Wechselkursgefüge nicht mehr zu Wechselkursbewegungen unter den elf Euro-Staaten führen können. Vor der Währungsunion war dies noch häufig der Fall. Die damit verbundenen Reibungsverluste ergaben per saldo Wachstumseinbußen für die europäischen Volkswirtschaften.




Außenwert darf kein Ziel der europäischen Geldpolitik sein

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist gut beraten, den Wechselkurs nicht zum Ziel ihrer Zinsentscheidungen zu machen. Der Versuch einer zinspolitischen Wechselkursbeeinflussung hätte kaum Erfolgsaussichten, könnte die wirtschaftliche Entwicklung im gemeinsamen Währungsgebiet gefährden und würde die europäischen Währungshüter künftig einem stärkeren politischen Druck aussetzen. Auf Dauer kann die EZB den Außenwert des Euro ohnehin nur durch ein hohes Maß an interner Preisstabilität stützen. In der Sache haben die europäischen Währungshüter mit ihren jüngsten Zinserhöhungen daher völlig richtig gehandelt. Das Anziehen der geldpolitischen Zügel war wegen der steigenden Teuerungsrate und der zunehmenden Preisrisiken notwendig. Angesichts der kräftigen Geldmengenexpansion und der sich weiter belebenden Konjunktur ist kurzfristig sogar mit einer weiteren Leitzinserhöhung zu rechnen.

Bemängeln lässt sich allerdings, dass die europäischen Währungshüter dem Verdacht wechselkursmotivierter Zinserhöhungen bislang nicht entschieden genug entgegengetreten sind. Zwar ist der von Seiten der EZB immer wieder angebrachte Hinweis, durch die Abwertung des Euro würde das Preisrisiko innerhalb der Währungsunion zunehmen, völlig richtig. Wie bereits erwähnt, ist dieser Effekt jedoch relativ gering zu veranschlagen. Zudem steht der Hinweis auf abwertungsbedingte Preisrisiken in einem gewissen Widerspruch zu dem von der EZB besonders betonten Aufwertungspotenzial des Euro. Hält die europäische Notenbank das gegenwärtige Kursniveau des Euro für eine vorübergehende Unterbewertungsphase – und hierfür sprechen die Fundamentalfaktoren –, dann müsste sie zugleich auch die damit verbunden Preisrisiken entsprechend relativieren.

Mit diesen "kleinen Unstimmigkeiten" setzen sich die europäischen Währungshüter dem Vorwurf einer gewissen Beliebigkeit ihrer Argumente aus. Auf Dauer kann dies sogar die Arbeit der EZB belasten, denn künftig könnte es schwer fallen, bereits mit geringen Mitteln, wie zum Beispiel verbalen Signalen, den Märkten eine klare Richtung anzuzeigen.


Keine guten Voraussetzungen für Devisenmarktinterventionen

In den letzten Wochen wurde verstärkt über mögliche Devisenmarktinterventionen der Europäischen Zentralbank zur Stützung des Euro-Kurses spekuliert. Grundsätzlich sind Devisenmarktinterventionen eine durchaus vertretbare Handlungsoption der Geldpolitik. Je nach Marktlage bergen sie allerdings auch ein relativ hohes Risiko, wirkungslos zu verpuffen. Diese Erfahrung musste in den vergangenen Jahren insbesondere die japanische Notenbank sammeln. Ihre Versuche, den Yen durch Dollarkäufe auf ein niedrigeres Niveau zum US-Dollar zu bringen, waren teuer und letztlich vergebens .

Devisenmarktinterventionen können in der Regel keinen breiten und starken Markttrend stoppen. Sinnvoll ist ihr Einsatz daher nur, wenn damit zu rechnen ist, dass die Märkte einen Richtungswechsel auch nachvollziehen. So lange Devisenhändler und Anleger auf einen schwachen Euro setzen, stehen die Chancen hierfür jedoch nicht gut. Die Erfolgsaussichten für Devisenmarkteingriffe seitens der EZB wären größer, wenn sie von der amerikanischen und japanischen Notenbank unterstützt würden. Wegen der teilweise recht unterschiedlichen Interessenlagen der drei Notenbanken zeichnet sich eine solche Kooperation derzeit jedoch nicht ab. Zwar hat die japanische Zentralbank aus konjunkturellen Gründen durchaus Interesse an einem stärkeren Euro, mindestens genauso wichtig ist ihr jedoch, dass auch der US-Dollar gegenüber dem Yen aufwertet. Für die amerikanische Notenbank kommt die gegenwärtige Euro-Dollar-Relation hingegen nicht ungelegen, denn der starke Dollar unterstützt sie in dem Bemühen, die Binnennachfrage zu dämpfen und die Inflationsrisiken zu begrenzen.


Konjunktur in Deutschland: Kräftiges Wirtschaftswachstum im ersten Quartal

Die deutsche Wirtschaft ist sehr gut in das Jahr 2000 gestartet. Saisonbereinigt hat sich die Expansion der Industrieproduktion im ersten Quartal mit dem Tempo des vierten Quartals 1999 fortgesetzt. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum konnte die gesamte Industrieproduktion in den ersten drei Monaten dieses Jahres um fast 5 % steigen. Im Kernbereich der Industrie, dem Verarbeitenden Gewerbe, belief sich der Zuwachs sogar auf über 6 %.

Die gute Entwicklung der Industriekonjunktur deutet zusammen mit den weiter verbesserten Stimmungsindikatoren für den Dienstleistungssektor auf ein kräftiges gesamtwirtschaftliches Wachstum im ersten Quartal 2000 hin. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum dürfte das Bruttoinlandsprodukt in den ersten drei Monaten dieses Jahres real um rund 3 % gestiegen sein, nach einem Plus von 2,3 % im vierten Quartal 1999. Dies wäre immerhin das stärkste Quartalswachstums seit zwei Jahren.

Die Aussichten, dass sich das Wirtschaftswachstum mit diesem Tempo fortsetzt, sind günstig. Der Auftragseingang entwickelt sich weiterhin lebhaft und der Ifo-Geschäftsklimaindex sowie die Kapazitätsauslastung haben für die alten Bundesländer erstmals seit März 1991 wieder neue Höchststände erreicht. Hiervon werden Impulse auf die Investitionskonjunktur ausgehen, zumal die Finanzierungsbedingungen der Unternehmen weiterhin günstig bleiben: Da eine weitere Erhöhung der Leitzinsen vor allem zu einer flacheren Zinsstrukturkurve führt, wird sich die Fremdfinanzierung, trotz der noch nicht beendeten geldpolitischen Straffung, kaum verteuern; die Bedingungen zur Eigenfinanzierung werden sich – wie in konjunkturellen Erholungsphasen üblich – sogar noch verbessern.

Weitere Unterstützung erhält der Konjunkturoptimismus von der Tatsache, dass die wirtschaftliche Erholung inzwischen auch auf den Arbeitsmarkt übergesprungen ist. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Beschäftigung nimmt zu. Nach Ausschalten saisonaler Effekte sind seit September letzten Jahres rund 150.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Gemessen am Umfang des Arbeitsmarktproblems und den Beschäftigungserfolgen einiger europäischer Nachbarstaaten ist dies zwar nur ein recht bescheidener Fortschritt. Gleichwohl wird die wachsende Beschäftigung den privaten Konsum in diesem Jahr merklich anregen. Nimmt man alles zusammen, dann gewinnt die Prognose für das Wirtschaftswachstum von knapp 3 % für das Jahr 2000 zusehends an Konturen.


Weitere Steuerentlastung ohne Beeinträchtigung des Konsolidierungskurses möglich

Der Bund kann in diesem Jahr aus Privatisierungserlösen und der Versteigerung von Mobilfunklizenzen mit Mehreinnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe rechnen. Da es sich hierbei um einmalige Einnahmen handelt, sollten diese Gelder nicht für neue Leistungen des Staates, sondern ausschließlich zur Tilgung von Staatsschulden verwendet werden. Auf diese Weise sind im Bundeshaushalt jährlich Zinszahlungen von etwa 8 Mrd DM einzusparen. Darüber hinaus stellen die jüngsten Zahlen der Steuerschätzung auf Grund der besseren wirtschaftlichen Entwicklung ("Schätzabweichung") sowie Änderungen der Steuerabführung an die EU den inländischen Gebietskörperschaften in den nächsten drei Jahren jährlich Steuermehreinnahmen in Aussicht, die von knapp 5 Mrd DM im Jahr 2001 auf fast 9 Mrd DM im Jahre 2003 anwachsen.

Nimmt man die erwarteten Steuermehreinnahmen sowie die Einsparungen beim Schuldendienst zusammen, dann könnte in den nächsten Jahren eine jährliche Steuerentlastung von rund 15 Mrd DM "finanziert" werden, ohne dass dadurch die Pläne zur Haushaltskonsolidierung beeinträchtigt würden. Das Entlastungsvolumen der von der Bundesregierung geplanten Steuerreform, das bis zum Jahre 2005 mit rund 45 Mrd DM veranschlagt wird, könnte so um 1/3 aufgestockt werden. Noch nicht eingerechnet sind dabei die möglichen Selbstfinanzierungseffekte einer deutlichen Steuersenkung, die von der Bundesregierung erheblich unterschätzt werden. Merkliche Steuerentlastungen fördern das Wirtschaftswachstum, was für sich genommen wieder zu höheren Steuereinnahmen des Staates führt – dies zeigen auch die Erfahrungen in anderen Ländern. Selbstfinanzierungseffekte von Steuerentlastungen können daher nicht voreilig als "Luftbuchung" abgetan werden.

Für die Form der zusätzlichen Steuerentlastung bieten sich gleich drei Varianten an, die sich durchaus auch miteinander verbinden lassen. Erstens die Ausweitung des Progessionsbereichs bei der Einkommensteuer, sodass der Spitzensteuersatz erst bei einem höheren Einkommen einsetzt. Zweitens die Reduktion des Spitzensteuersatzes, um so den Abstand zur Körperschaftsteuer zu verringern, und drittens die Senkung des Solidaritätszuschlags, der – entgegen mancher Behauptung – eine allgemeine Steuereinnahme des Staates darstellt und nicht unmittelbar mit den Leistungen für die neuen Bundesländern verknüpft ist.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband deutscher Banken e.V.

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